Zwischen sexy und Selbstschutz
Teenies und der Lolita-Effekt – was sollen Eltern tun?

Seit Wochen sorgt Kim Kardashians Tochter für Diskussionen: Mal mit Finger-Piercing, mal mit sexy Outfits. Gehören Minirock und Korsett zur normalen Experimentierphase einer Zwölfjährigen? Wo sind die Grenzen? Eine Expertin hat Tipps für Teenie-Eltern.
Publiziert: 03.09.2025 um 18:13 Uhr
Teilen
Schenken
Anhören
Kommentieren
1/2
Vor drei Jahren an der Paris Fashion trat North West noch hochgeschlossen auf – dafür mit Nasen-Kette.
Foto: IMAGO/ABACAPRESS

Darum gehts

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
DSC_9707.jpg
Maja ZivadinovicFreie Journalistin Service-Team

«Eine Zwölfjährige in ein solches Outfit zu kleiden – einfach nur schockierend.» So und ähnlich kommentieren Lesende der «Daily Mail» die Bilder von Reality-Star Kim Kardashian (44), die sich in Rom mit Tochter North West zeigt. Die Zwölfjährige trägt Mini, Korsett und Stiefel. Dass sich pubertierende Mädchen an Schönheitsidealen aus Social Media orientieren – und bei North dürfte das nicht zuletzt ihre Mutter sein – und mit ihrem Aussehen experimentieren, ist normal. Aber was für die Mädchen Ausdruck von Selbstbestimmung und Zugehörigkeit ist, wirkt auf Eltern und Lehrpersonen mitunter übersexualisiert oder provokativ.

Der sogenannte Lolita-Effekt beschreibt die sexualisierte Darstellung junger Mädchen – ein Phänomen, das heute durch Plattformen wie Tiktok und Instagram verstärkt wird. Doch wie kann man Heranwachsende in ihrer Selbstfindung begleiten, ohne sie zu beschämen oder zu verunsichern? Aufklärung braucht Feingefühl, Wissen und eine Sprache, die stärkt – nicht schockiert. Wie das gelingen kann und welche Rolle Bezugspersonen dabei spielen, erklärt Lulzana Musliu von Pro Juventute.

Blick: Was raten Sie Eltern von jungen Mädchen, die Mühe damit haben, wenn ihre Töchter plötzlich Korsett oder Hot Pants tragen wollen?
Lulzana Musliu:
Erst einmal ist es wichtig, dass Eltern verstehen, dass Erwachsene es sind, die solche Looks sexualisieren. Jungen Mädchen geht es in erster Linie darum, sich auszuprobieren und ihre Identität zu finden. Sie wollen häufig etwas tragen, weil es Freundinnen tragen oder Personen, die sie mögen. Wichtig ist auch, dass sich Eltern bewusst sind, dass Kleider in der Jugend kein Nebenthema sind. Teenager setzen sich sehr stark mit Kleidung auseinander, das gehört zu einer normalen Entwicklung. 

Wie schafft man es, Mädchen zu sensibilisieren, ohne sie zu verängstigen?
Mädchen müssen wissen, dass sie niemals schuld sind, wenn es zu unangenehmen Situationen kommt. Auch sollen sie sicher sein, dass sie, egal, was passiert, jederzeit mit ihren Eltern über alles reden können. Pro Juventute empfiehlt Eltern, im Dialog zu sein und ihre Töchter etwa zu fragen, warum sie bestimmte Kleidungsstücke tragen wollen und wie sie sich dabei fühlen. Natürlich dürfen Eltern Grenzen setzen. Pauschale Verbote sind aber wenig hilfreich. Besser ist es, gemeinsam mit den Mädchen Regeln zu definieren und Kompromisse zu finden. Zum Beispiel einen Pulli mit Reissverschluss über dem bauchfreien Top tragen für den Fall, dass man sich unwohl fühlt. 

Das Problem sind ja nicht die Mädchen, die ihren Körper zeigen wollen, sondern die Gesellschaft, die schon Kinderkörper sexualisiert. Wie kommunizieren wir das einem Teenie-Girl?
Der Austausch und das Gespräch sind enorm wichtig. Man soll Mädchen sagen, dass es leider Menschen gibt, die unangebracht auf viel Haut reagieren. Mindestens so wichtig ist aber die Erziehung und Aufklärung von Jungen. Buben sollen schon früh verinnerlichen, dass Kleidung nie eine Einladung für körperliche Annäherung oder verbale Kommentare jeglicher Art ist. Da müssen wir gesellschaftlich noch viel investieren. Wir wissen ja aber auch, dass Übergriffe und sexualisierte Gewalt in unterschiedlichem Kontext stattfindet und die Opfer dabei verschiedenste Art von Kleidung tragen. Auf keinen Fall dürfen wir Kindern und Jugendlichen das Fehlverhalten von Erwachsenen zuschreiben. 

Kann man Kompromisse eingehen? Zum Beispiel Haut zeigen in der Badi und auf dem Schulhof nicht?
Ja, das ist ein Weg, den viele Kinder und Jugendliche gut verstehen. Man muss Mädchen ausprobieren lassen. Die Badi und der Strand sind dazu sicher besser geeignet als die Schule. Sind Eltern sehr besorgt und verängstigt, hilft es vielleicht, sich an die eigene Jugend zu erinnern.

Ein Problem sind auch die sozialen Medien. Man will ja nicht, dass Lolita-Bilder seines Kindes irgendwo im Internet landen. Wie kann man hier aufklären, ohne Ängste zu schüren?
Auch im Umgang mit Social Media braucht es gemeinsame Regeln, und es dürfen Grenzen definiert werden. Teenies müssen wissen, dass jedes Bild, das irgendwo im Internet landet, für immer da bleibt. Dieser Tatsache und deren Folgen müssen sie sich bewusst sein. Und: Genau wie Erwachsene sind Kinder verschieden. Die einen sind schon im Alter von zwölf Jahren sehr reflektiert, andere viel später. Hier liegt es an den Eltern, das Gespür zu entwickeln, wann der Zeitpunkt reif ist, gemeinsam mit den Kindern erste Schritte im Umgang mit den sozialen Medien zu machen.

Lulzana Musliu ist Pressesprecherin bei Pro Juventute.
Foto: zVg
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Meistgelesen