Darum gehts
Blick: Adrienne Krysl, sind Mädchen im Fussball akzeptierter als früher?
Adrienne Krysl: Ja, Fussballspielerinnen sind heute sichtbarer. Sie werden ernster genommen und sind medial stärker repräsentiert. Dadurch werden Rollenbilder aufgebrochen und es entstehen Vorbilder. Gleichzeitig spüren viele Mädchen, dass sie sich beweisen müssen. Diese subtile Ungleichheit wirkt sich auf das Selbstbild und die Motivation aus.
Welchen Vorurteilen begegnen fussballspielende Mädchen?
Leider gibt es immer noch stereotype Zuschreibungen wie «Mädchen sind schwächer» oder «nicht durchsetzungsfähig genug». Auch das soziale Umfeld ist nicht immer unterstützend. Hier hilft eine förderliche Teamkultur, die auf psychologischer Sicherheit basiert: Wenn ich mich zeigen darf, ohne Angst vor Bewertung, kann ich mich entfalten und Potenzial entwickeln. Buben sind von anderen Stereotypen betroffen – aber ihnen wird das Recht auf Entwicklung oft weniger abgesprochen.
Haben Sie ein Beispiel?
Ab 14 Jahren geht es bei den Jungs bereits darum, wer später einen Vertrag erhält und Profi werden könnte. Wenn talentierte Mädchen in der Jugendstufe mit den Buben zusammenspielen, entbrennt häufig eine politische Diskussion: «Das Mädchen nimmt einem Jungen den Platz weg!» Dabei gibt es viele Profi-Frauen, die lange bei den Jungen mitgespielt haben. Den Buben hilft es in der Persönlichkeitsentwicklung ebenfalls, wenn Mädchen im Team sind. Hier muss ein Umdenken stattfinden: Talentierte Mädchen nehmen niemandem den Platz weg, sie müssen gefördert werden.
Woran erkennen Eltern, dass ihre Tochter ein fussballerisches Talent hat?
Talent zeigt sich nicht nur in Technik oder Schnelligkeit, sondern oft in der Haltung. Wie geht das Kind mit Rückschlägen um? Wie sehr will es lernen? Hat es Freude daran, sich zu verbessern? Eltern sollten bei ihrer Tochter deshalb auf die Lernbereitschaft, Frustrationstoleranz, Teamfähigkeit und ein gewisses «Spielgespür» achten. Potenzial ist selten angeboren, sondern entwickelt sich durch ein förderndes Umfeld.
Wie fördern Eltern das Interesse ihrer Tochter, ohne Druck aufzubauen?
Eltern spielen als Begleiter eine zentrale Rolle in der Entwicklung ihrer Kinder. Wichtig ist, dass sie Interesse am Fussball zeigen, ohne dabei Erwartungen zu formulieren. Was zählt, ist Ermutigung und Vertrauen: «Du darfst ausprobieren. Du darfst scheitern. Und du darfst entscheiden, was dir Freude bereitet.» Das stärkt die Autonomie und Selbstwirksamkeit des Kindes.
Adrienne Krysl (37) ist Ressortleiterin und Cheftrainerin der Liechtensteinischen Frauen-Fussballnationalmannschaft und Instruktorin beim Schweizerischen Fussballverband. Die ehemalige Schweizer Nationalspielerin in Fussball und Beachsoccer ist in Winterthur ZH geboren und begann mit sieben Jahren beim FC Seuzach zu spielen.
Die erste Station als Trainerin bestritt sie als Regionalauswahltrainerin auf der Stufe U13 und U15. Sie baute das Frauenteam des FC Winterthur mit auf und führte das Team bis in die Nationalliga B. Krysl ist ausgebildete Medizinpraxisassistentin, Berufstrainerin und absolviert derzeit ein kleines Teilzeitpensum «Bachelorstudium in Gesundheitsförderung und Prävention» an der ZHAW.
Adrienne Krysl (37) ist Ressortleiterin und Cheftrainerin der Liechtensteinischen Frauen-Fussballnationalmannschaft und Instruktorin beim Schweizerischen Fussballverband. Die ehemalige Schweizer Nationalspielerin in Fussball und Beachsoccer ist in Winterthur ZH geboren und begann mit sieben Jahren beim FC Seuzach zu spielen.
Die erste Station als Trainerin bestritt sie als Regionalauswahltrainerin auf der Stufe U13 und U15. Sie baute das Frauenteam des FC Winterthur mit auf und führte das Team bis in die Nationalliga B. Krysl ist ausgebildete Medizinpraxisassistentin, Berufstrainerin und absolviert derzeit ein kleines Teilzeitpensum «Bachelorstudium in Gesundheitsförderung und Prävention» an der ZHAW.
Wie hat Sie die Unterstützung Ihrer Eltern geprägt?
Ich bin sehr dankbar, dass meine Eltern nie Vorurteile gegenüber dem Fussball hatten. Sie haben gesehen, dass ich es gerne mache – und das allein hat gezählt. Obwohl meine Mutter nicht viel Ahnung von Fussball hatte, ermutigte sie mich, zu spielen. Das fand ich richtig cool. Denn ich hatte viele Kolleginnen, die sich im Fussball nicht gesund weiterentwickeln konnten, weil sie spürten, dass sie die Erwartungen ihrer Eltern nicht erfüllen konnten. Sie hörten Sätze wie: «Möchtest du nicht lieber Volleyball spielen?»
Was, wenn es in der Nähe keine Mädchenfussballmannschaft gibt?
Es spricht nichts dagegen, in einer gemischten Mannschaft zu spielen, sofern die Rahmenbedingungen stimmen. Wichtig ist, dass sich das Mädchen willkommen, respektiert und sicher fühlt. Wenn Kinder das Gefühl haben, dazuzugehören, bleiben sie auch in herausfordernden Umfeldern motiviert. Eltern können unterstützend wirken, indem sie das Gespräch suchen: «Wie fühlst du dich im Team?» Oder: «Wo erzielst du Fortschritte?»
Was raten Sie Eltern, deren Tochter Fussball liebt, aber eher ruhig ist?
Es gibt auch viele Buben, die eher ruhig sind. Bei zurückhaltenden Kindern denkt man häufig, sie müssten lauter oder dominanter auftreten, um im Fussball erfolgreich zu sein. Dabei gehen viele Talente verloren. Ich erlebe immer wieder, dass gerade die ruhigen Persönlichkeiten diejenigen sind, die Verantwortung übernehmen, mitdenken, das grosse Ganze im Blick haben und ein feines Gespür für ihr Gegenüber zeigen. Eigenschaften, die für die Teamkultur unglaublich wertvoll sind. Wichtig ist, dass Eltern diese Stärken auch benennen: «Du bist vielleicht nicht so laut wie andere, aber du hast andere Fähigkeiten, die deinem Team sehr helfen.»
Welchen Einfluss haben Trainerinnen und Trainer bei ruhigen Kindern?
Sie können ihnen nach dem Training aktiv Raum geben und fragen: «Wie hast du das Training heute erlebt?» oder: «Mich interessiert deine Meinung, du hast eine gute Beobachtungsgabe.» Das sind kleine, aber wirksame Impulse, um ruhigen Persönlichkeiten zu zeigen: Du wirst gesehen. Du bist wichtig.