Ich gebe zu: Ich habe im Leben noch nie von der Schauspielerin Katrin Wichmann gehört. Zum Glück sind die Kieler «Tatort»-Macher nicht so ignorant – die aktuelle Folge «Borowski und das Glück der anderen» lässt Wichmann jedenfalls so brillieren, dass man meinen könnte, die ganze Folge, in welcher sie die Supermarktkassiererin Peggy Stresemann spielt, sei nur für sie geschrieben worden.
Peggy Stresemann hat vieles: einen Mann, der sie liebt, einen Job, in dem sie eine lustige Freundin hat, ein schönes Haus. Dass das aber alles schal ist, wird ihr bewusst, als nebenan neue Nachbarn einziehen. Die Nachbarsfrau ist eleganter als sie, ihr Mann bringt mehr Geld nach Hause, sie reisen an exotische Destinationen, wie Peggy auf Social Media sieht. Und dann sieht sie erst noch durch ihr Stubenfenster, wie die Nachbarn vor dem Fernseher einen Zettel entfalten und dann die Champagnerflasche auftun. Dass die sowieso schon vom Glück begünstigten Nachbarn jetzt auch noch im Lotto gewinnen – das ist zu viel für Peggy.
Das Schöne am «Tatort» ist ja, dass er Formate und Geschichten zulässt, die nicht der konventionellen Krimiformel und konventionellen Spannungsbögen entsprechen. Im Falle der heutigen Folge kann man nicht unbedingt von einer Glanzleistung betreffend Spannung sprechen. Dafür aber von einem wirklich ausgezeichnet ausgeloteten Psychogramm einer von Neid zerfressenen Persönlichkeit. Dies fesselt einen – Katrin Wichmann sei Dank – genauso an den Bildschirm, wie es die dramaturgisch geschicktesten Tricks und Kniffe anderer Formate vermögen.
Tatort: «Borowski und das Glück der anderen», 20.05 Uhr, SRF 1
Sterne: Vier von fünf