«Viele Tierbesitzer können sich die Diagnostik oder Therapie nicht leisten»
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Veterinärin Patricia Mühlstädt:«Viele Tierbesitzer können sich die Diagnostik oder Therapie nicht leisten»

Junge Tierärztin packt aus
«Statt Leben zu retten, musste ich Tiere einschläfern»

Eigentlich wollte sie als Veterinärin kranken und verletzten Tieren helfen, häufig war das Gegenteil der Fall: Patricia Mühlstädt (28) war schockiert, wie oft wegen Geld auf eine Behandlung oder Untersuchung verzichtet wird – sogar in der wohlhabenden Schweiz.
Publiziert: 19:27 Uhr
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Aktualisiert: vor 20 Minuten
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Die Tierärztin Patricia Mühlstädt mit ihrem Golden Retriever Archie.
Foto: Philippe Rossier

Darum gehts

  • Tiere werden oft aus finanziellen Gründen eingeschläfert, nicht aus medizinischen
  • Der Beruf Tierarzt ist emotional belastend und erfordert viel Einsatz
  • Frühzeitige Tierversicherungen helfen, Leid zu verhindern
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Direkt nach ihrem Studium als Veterinärin hat Patricia Mühlstädt (28) ihre eigene Stiftung Swiss Vets for Pets gegründet. Damit will sie Tierhaltern finanziell unter die Arme greifen. Zu oft würden die Kosten für die medizinische Versorgung unterschätzt, im schlimmsten Fall werden verletzte und kranke Tiere deshalb eingeschläfert. 

Wie ist es für Sie, wenn Sie ein Tier einschläfern müssen?
Patricia Mühlstädt: Ich finde das sehr schwierig. Wenn man Tiermedizin studiert, hat man romantisierte Vorstellungen: Man will Tieren helfen, möchte etwas Gutes tun. In der Realität sieht man aber viele kranke Tiere – und man muss sie auch einschläfern. Das ist viel härter, als man sich das vorher vorgestellt hat. Besonders, wenn man eigentlich helfen könnte.

Warum ist das so?
Wegen des Geldes! Besonders schwierig finde ich das, wenn Katzen nach einem Unfall zu uns gebracht werden. Oft muss man zuerst ausfindig machen, wem sie gehören. Einmal habe ich erlebt, dass die Klinik operiert und die Kosten und auch das Tier danach übernommen hätte. Aber die Besitzer lehnten das ab und entschieden sich fürs Einschläfern. Das war sehr traurig und schockierend für mich.

Darf der Besitzer darüber bestimmen?
Ja. Als Tierärztin kann ich es ablehnen, ein Tier einzuschläfern. Aber dann kann der Besitzer in die nächste Praxis – und man will ein verletztes Tier auch nicht unnötig lange leiden lassen.

Kommt das oft vor?
So krasse Fälle sind die Ausnahme, die meisten wollen das Beste für ihr Tier. Aber Geld ist überall das Problem, und nicht nur in ärmeren Ländern wie Ecuador, wo ich gearbeitet habe. Sogar in der Schweiz überlegen es sich viele Tierhalter dreimal, ob sie wirklich eine Diagnose oder Therapie machen wollen oder das Tier lieber erst mal symptomatisch behandeln. Bei uns Menschen stellt sich diese Frage nicht, weil wir eine Krankenversicherung haben. In der Tiermedizin ist das in Praxen und Kliniken ein grosses Problem.

Raten Sie zu einer Krankenversicherung für Tiere?
Unbedingt. Es wird oft unterschätzt, wie teuer Tiermedizin sein kann. Eine stationäre Aufnahme oder eine Operation kann schnell Tausende Franken kosten. Darüber versuche ich über soziale Kanäle zu informieren – und darüber, wie wichtig frühzeitige Versicherungen sind. Sinnvoll wäre sogar ein Obligatorium, dann könnte man auch die Kosten problemlos verrechnen und Tierärzten bessere Löhne bezahlen.

Ist der Lohn tief?
Viel tiefer als in der Humanmedizin. Die Arbeitszeiten sind lang, Überstunden sind selbstverständlich. In den Nachtschichten ist man als Anfängerin oft ganz allein verantwortlich und muss für die Tiere überlebenswichtige Entscheidungen treffen.

Laut Studien sind in Ihrem Beruf psychische Probleme und Suizidgedanken besonders häufig.
Es gibt viele Faktoren, die da mitspielen. Viele wählen diesen Beruf, weil sie einen besonderen Bezug zu Tieren und eine grosse Empathie haben. Hinzu kommt der Umgang mit den Besitzern, das kann oft schwierig und emotional sein. Oft sind die Mittel begrenzt, und man fühlt sich machtlos, weil man nicht helfen kann. Ein Gefühl, das ich selber gut kenne.

Wie gehen Sie damit um?
Momentan mache ich meine Doktorarbeit an der Vetsuisse-Fakultät in der Forschung. Ab nächstem Jahr möchte ich wieder zurück in die Praxis in der Tierklinik. Langfristig sehe ich mich in einer eigenen Praxis – aber immer mit dem Ziel, dass kein Tier wegen Geld sterben muss.

Haben Sie darum gleich nach dem Studium eine Stiftung gegründet?
Ja. Eines meiner Vorbilder ist Tierschützerin Susy Utzinger mit ihrer Stiftung – das ist die Richtung, in die ich mich bewegen möchte. Erst einmal im Kleinen, hier in der Schweiz, wo ich direkt etwas bewirken kann. Mit Swiss Vets for Pets unterstützen wir in finanziellen Notlagen, übernehmen einen Teil der Kosten für Diagnosen oder Operationen. Wir sind noch klein, können nicht alles bezahlen, aber wir versuchen, möglichst vielen zu helfen.

Hilfe für Tiere in Not

Swiss Vets for Pets: Finanzielle Unterstützung für Tierhalter bei lebensrettenden Operationen und medizinischen Behandlungen ihrer Haustiere. swissvetsforpets.ch

Susy Utzinger Stiftung für Tierschutz (SUST): Viele Katzen und andere Heimtiere erhalten nach Unfällen keine Hilfe, weil Kosten schrecken oder Kliniken sie abweisen. Das Projekt «SaveMyLife» garantiert lebensrettende Soforthilfe – unabhängig von Besitzern oder Finanzen. Für armutsbetroffene Tierhalter bietet die SUST kostenloses Futter und vergünstigte Tierarztsprechstunden an verschiedenen Standorten in der Schweiz. susyutzinger.ch

Stiftung TBB: Jede achte ältere Person in der Schweiz ist von Armut betroffen. Das Projekt «VetHelp65+» unterstützt ältere Menschen, die Tierarztkosten oft nicht selbst tragen können. Finanzielle Beiträge werden direkt an die Tierärzte überwiesen. tbb.ch

Thiersch-Stiftung: Mit dem Projekt Gassentierarzt werden Tiere von sozial benachteiligten Menschen, vor allem in der Region Basel, kostenlos behandelt, um finanzielle Notlagen zu mildern. thierisch-stiftung.ch

Haustierhilfe: Unterstützt kranke oder verletzte Haustiere in der deutschsprachigen Schweiz, wenn Halter über zu wenig Mittel verfügen. Spenden gehen direkt an Tierärzte oder Therapeuten, Anträge werden sorgfältig geprüft. haustierhilfe.ch

Stiftung Ruppaner: Privatpersonen können bis CHF 500.- für Notfallbehandlungen erhalten, Landwirte zinslose Darlehen für dringende Tierschutz-Massnahmen. Das Budget 2025 ist aufgebraucht, neue Gesuche ab Januar 2026.  dietierhilfe.ch

SOS Beobachter: Bietet armutsbetroffenen Menschen einmalige, unbürokratische Hilfe bei Tierarztkosten, damit Tiere weiterhin behandelt werden können. beobachter.ch

Verein Schweizer Tiertafel: Unterstützt Menschen mit geringem Einkommen mit Futter, Zubehör und Tierarztkosten für maximal zwei Haustiere. schweizer-tiertafel.ch

Schweizer Tierschutz STS: Der Fonds «Hilfe in der Not» unterstützt mittellose Heimtierbesitzer in der Not. Die Anträge müssen über eine STS-Sektion erfolgen, die finanzielle Notlage muss nachgewiesen werden. tierschutz.com

Swiss Vets for Pets: Finanzielle Unterstützung für Tierhalter bei lebensrettenden Operationen und medizinischen Behandlungen ihrer Haustiere. swissvetsforpets.ch

Susy Utzinger Stiftung für Tierschutz (SUST): Viele Katzen und andere Heimtiere erhalten nach Unfällen keine Hilfe, weil Kosten schrecken oder Kliniken sie abweisen. Das Projekt «SaveMyLife» garantiert lebensrettende Soforthilfe – unabhängig von Besitzern oder Finanzen. Für armutsbetroffene Tierhalter bietet die SUST kostenloses Futter und vergünstigte Tierarztsprechstunden an verschiedenen Standorten in der Schweiz. susyutzinger.ch

Stiftung TBB: Jede achte ältere Person in der Schweiz ist von Armut betroffen. Das Projekt «VetHelp65+» unterstützt ältere Menschen, die Tierarztkosten oft nicht selbst tragen können. Finanzielle Beiträge werden direkt an die Tierärzte überwiesen. tbb.ch

Thiersch-Stiftung: Mit dem Projekt Gassentierarzt werden Tiere von sozial benachteiligten Menschen, vor allem in der Region Basel, kostenlos behandelt, um finanzielle Notlagen zu mildern. thierisch-stiftung.ch

Haustierhilfe: Unterstützt kranke oder verletzte Haustiere in der deutschsprachigen Schweiz, wenn Halter über zu wenig Mittel verfügen. Spenden gehen direkt an Tierärzte oder Therapeuten, Anträge werden sorgfältig geprüft. haustierhilfe.ch

Stiftung Ruppaner: Privatpersonen können bis CHF 500.- für Notfallbehandlungen erhalten, Landwirte zinslose Darlehen für dringende Tierschutz-Massnahmen. Das Budget 2025 ist aufgebraucht, neue Gesuche ab Januar 2026.  dietierhilfe.ch

SOS Beobachter: Bietet armutsbetroffenen Menschen einmalige, unbürokratische Hilfe bei Tierarztkosten, damit Tiere weiterhin behandelt werden können. beobachter.ch

Verein Schweizer Tiertafel: Unterstützt Menschen mit geringem Einkommen mit Futter, Zubehör und Tierarztkosten für maximal zwei Haustiere. schweizer-tiertafel.ch

Schweizer Tierschutz STS: Der Fonds «Hilfe in der Not» unterstützt mittellose Heimtierbesitzer in der Not. Die Anträge müssen über eine STS-Sektion erfolgen, die finanzielle Notlage muss nachgewiesen werden. tierschutz.com

Wie viele Tiere haben schon profitiert?
Letztes Jahr waren es knapp 20 Patienten, inzwischen sind es mehr als doppelt so viele. Die Nachfrage wächst. Wir behandeln vor allem Hunde und Katzen, nehmen aber auch Meerschweinchen oder Hamster an.

Heutzutage kann beim Hund die Hüfte ersetzt werden. Ist das nicht übertrieben?
Das kommt auf den Fall an. Wir hatten einen jungen Hund mit schwerer Hüftgelenksdysplasie. Das war extrem schmerzhaft – er konnte nicht richtig laufen. In solchen Fällen muss man entscheiden: therapieren oder einschläfern. Das Tier kann nicht mit solchen Schmerzen leben.

Wo ziehen Sie die Grenze bei alten Tieren, etwa bei Krebs?
Das muss jeder Besitzer selbst entscheiden. Wann unterstütze ich mein Tier – und wann wird es eine Quälerei? Der ständige Stress beim Tierarzt ist auch belastend. Es ist eine feine, individuelle Grenze.

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