Das erste Mal mit einem mutmasslichen Pegeltrinker war ich bei einer Weinauktion konfrontiert. Der unterhaltsame, sympathische und professionelle Auktionator hatte von Beginn der Auktion weg neben sich ein Glas Rotwein stehen. Die Weinauktion dauerte fast den ganzen Tag und das Weinglas war nie leer, es wurde immer wieder aufgefüllt. Startzeit der Auktion: 10 Uhr morgens.
Manche Leute schwören auf Kaffee oder Grüntee. Pegeltrinker hingegen brauchen Alkohol, um zu funktionieren. Alkohol ist zum Treibstoff ihres Lebens geworden. Wird die Treibstoffzufuhr unterbrochen, beginnen psychische und körperliche Entzugserscheinungen: Zittern, Angst, Verdauungsstörungen, Niedergeschlagenheit oder Gereiztheit, zum Beispiel.
Pegeltrinker haben Alkoholverstecke
Ob im Flachmann fürs Auto, getarnt als Allzweckreiniger zu Hause im Putzschrank oder in der abschliessbaren Kommode im Büro - Pegeltrinker haben ihren Treibstoff Alkohol immer griffbereit. Solche Alkoholverstecke sind typisch für Pegeltrinker.
Weil Pegeltrinker ständig Alkohol konsumieren, sind sie besonders anfällig für dessen schädliche Wirkung. Direkt betroffen werden alle Organe, die Psyche und nicht zuletzt das persönliche Umfeld.
Tragisch: Viele Personen wissen um die Sucht eines Pegeltrinkers, der auch oft einen intensiv riechenden Minze-Kaugummi im Mund hat oder raucht, um den Alkoholgeruch zu verbergen. Leider trauen sich nur die wenigsten, Pegeltrinker auf ihre Sucht anzusprechen. Zu gross ist die Angst, einer anderen Person zu nahezutreten. Es wäre aber so wichtig, denn ohne einen fremden Impuls findet ein Pegeltrinker, genau wie andere Drogenabhängige, selten aus dem Teufelskreis.
Film für Pegeltrinker: «Der Rausch»
Der dänische Spielfilm von Regisseur Thomas Vinterberg (52) gewann an der Oskar-Verleihung im Jahr 2021 die begehrte Trophäe für den Besten internationalen Film. Im Mittelpunkt stehen vier Freunde; allesamt in einer Midlife-Crisis. Per Zufall stolpern sie über die These eines norwegischen Psychiaters, der behauptet, dass der Mensch mit einem um 0,5 Promille zu geringen Blutalkoholwert geboren wird.
So beschliesst die Männerrunde, die These im Selbstexperiment zu prüfen und den besagten Alkoholpegel durch regelmässigen Konsum von Alkohol den ganzen Tag über hinweg aufrechtzuerhalten. In einer zweiten Phase des Experiments erhöhen die vier ihre Alkoholpegel, um ihr ganz persönliches Optimum zu finden. Was dann alles passiert und wie die Geschichte genau ausgeht, soll hier nicht verraten werden.
Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) trinken die meisten Menschen in der Schweiz Alkohol in unproblematischer Weise. Jede fünfte Person soll jedoch gelegentlich oder sogar regelmässig mit dem Trinken übertreiben. In der Schweiz sind schätzungsweise bis zu 300'000 Personen alkoholabhängig – jährlich sterben gemäss BAG um die 1'600 Personen an den Folgen des Alkoholkonsums.