So funktioniert eine Brustverkleinerung
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Erklär-Video zeigt:So funktioniert eine Brustverkleinerung

Mehr Brustverkleinerung-OPs
1200 Gramm Busen – Frauen erzählen vom Leben mit einer Last

Den Traum vom grossen Busen? Den haben längst nicht alle Frauen. Für viele wird die Brust zur Last: körperlich und optisch. Brustverkleinerungen und Straffungen nehmen zu.
Publiziert: 00:01 Uhr
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Aktualisiert: vor 38 Minuten
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Die Brust: Sie ist bei jeder Frau ein bisschen anders.
Foto: IMAGO/YAY Images

Darum gehts

  • Brustverkleinerungen nehmen zu, Frauen fühlen sich dadurch selbstermächtigt und befreit
  • Körperideale hängen mit gesellschaftlichen Rollenbildern und Emanzipation zusammen
  • Bruststraffungen: Operationszahlen stiegen weltweit zwischen 2019 und 2023 um knapp 22 Prozent
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Als Erstes zog Erika (52) immer den BH aus, sobald sie daheim zur Tür hereinkam. Denn ihre Brust wog schwer, die Träger schnitten ein. In den beiden F-Körbchen trug sie den ganzen Tag je 600 Gramm vor sich her. Je älter sie wurde, desto schwerer schien ihre Weiblichkeit zu wiegen – körperlich und emotional. «Als junge Frau hat mich die Grösse meines Busens weniger gestört. Mit den Wechseljahren hat die Brust aber immer mehr Raum eingenommen.»

Inzwischen braucht sie gar keinen oder nur noch einen leichten BH. Erika hat sich vor zwei Jahren die Brust verkleinern und straffen lassen. Ein völlig neues Lebensgefühl. «Wenn ich jetzt den BH ausziehe, habe ich so eine Art positive Phantomschmerzen. Da plumpst nichts mehr runter, die Schwere ist weg. Ich fühle mich leicht und frei, wie ein Teenager.»

Die weibliche Brust: Ein intimer und wichtiger Bereich für jede Frau.
Foto: www.plainpicture.com

Der Weg zur OP war lang. Erika liess sich über fünf Jahre hinweg von verschiedenen Fachärzten und Gynäkologinnen beraten. Drei reichten ein Gesuch um Kostengutsprache bei der Krankenkasse ein – erfolglos. «Die Kassen haben es als rein ästhetischen Eingriff abgetan und behauptet, das Brustgewicht stehe in keinem Zusammenhang mit meinen Rückenschmerzen.» Eine Brust-OP ist teuer, in der Schweiz muss man dafür mit mindestens 10'000 Franken rechnen.

Die Brust im Zeichen der Emanzipation

Die Krankenkassen zeigen sich bei der Übernahme solcher Eingriffe zunehmend zurückhaltend (siehe Box). Gleichzeitig steigt die Nachfrage, wie Privatkliniken wie das Breast Atelier, die Pallas Kliniken oder die Lucerne Clinic bestätigen. «In den letzten fünf Jahren haben Brustverkleinerungen und -straffungen bei uns um rund 20 Prozent zugenommen», sagt Jürg Häcki, Facharzt für Plastische Chirurgie und Gründer der Lucerne Clinic.

Brustverkleinerungen und -straffungen haben laut dem Gründer der Lucerne Clinic Jürg Häcki um 20 Prozent zugenommen.
Foto: zVg

Weltweite Daten verdeutlichen den Trend: Laut der Internationalen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (ISAPS) stiegen die Zahlen der Bruststraffungen weltweit zwischen 2019 und 2023 um knapp 22 Prozent, Brustverkleinerungen legten um rund 14 Prozent zu. Besonders auffällig ist der Anstieg bei Implantatentfernungen – sie nahmen im selben Zeitraum um über 46 Prozent zu. «Diese Entwicklung können wir im Breast Atelier bestätigen. Wir sehen mehr Frauen, die ihre Implantate entfernen oder durch kleinere ersetzen lassen», sagt Rosmarie Adelsberger, Fachärztin für plastische Chirurgie beim Breast Atelier. «Auch Brustverkleinerungen nehmen spürbar zu. Das Bewusstsein für Natürlichkeit und langfristiges Wohlbefinden ist deutlich gewachsen.»

Laut Rosmarie Adelsberger ist das Bewusstsein für Natürlichkeit und langfristiges Wohlbefinden gestiegen. Sie ist leitende Ärztin beim Breast Atelier.
Foto: VESNA GAJIC PHOTOGRAPHY

Der Wunsch nach kleineren Brüsten steht für ein verändertes Körperbild – und hat laut der deutschen Psychologie-Professorin Ada Borkenhagen mit weit mehr als einem Schönheitskult zu tun. «Körperideale hängen eng mit gesellschaftlichen Rollenbildern zusammen», sagt die Autorin des Buchs «Bin ich schön genug?». In patriarchal geprägten Gesellschaften, in denen Frauen stärker über ihre Gebärfähigkeit definiert werden, seien Kurven gefragt: «Hier dominiert noch die klassische Sanduhrfigur mit schmaler Taille, breiter Hüfte und grosser Brust.» Anders in emanzipierteren Gesellschaften. Dort, wo Frauen gleichberechtigt am Berufsleben teilnehmen, würden zunehmend schlankere, androgynere Körperbilder bevorzugt.

Schönheit als Klassenmerkmal

Auch mit diesem Ideal ist eine Erwartungshaltung verknüpft, die besonders im Alter spürbar wird. Heute wird das «unsichtbar werden» von älteren Frauen oft kritisiert. Der gesellschaftliche Anspruch ist gewachsen, bis ins hohe Alter jugendlich und aktiv zu bleiben. «Frauen können ihren Busen nicht einfach entspannt bis zum Bauchnabel hängenlassen», sagt Borkenhagen. Und: «Schönheit ist auch ein Klassenmerkmal geworden. Es zeigt, ob man Zeit hat, Sport zu machen, sich zu pflegen, und ob man das Geld für Beauty-Eingriffe hat. Dazu gehört auch ein jugendlicher Busen.»

Ada Borkenhagen ist Professorin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Autorin des Buchs: «Bin ich schön genug?»
Foto: Lea Ernst

Hannelore (77) hat sich den Eingriff erst nach der Pensionierung leisten können – dank ihrer dritten Säule. «Ich wollte mich einfach wieder wohler in meiner Haut fühlen», sagt sie. Früher sei eine Verkleinerung noch kein Thema gewesen: «Ich hatte zwar einen grossen Busen, konnte aber als junge Frau sogar ohne BH herumlaufen.» Was sie damals störte, waren die männlichen Blicke: «Ich wollte auf Augenhöhe wahrgenommen werden, nicht auf Brusthöhe.» Die Belastung kam mit dem Alter, die Brust wurde schwerer und hängender: «Ich habe die Schultern zusammengezogen und bin gebückt gegangen», sagt sie. Rückblickend hätte sie den Eingriff lieber etwas früher gemacht. Die OP in einer spezialisierten Fachklinik verlief gut: «Alles ist bestens verheilt und ich laufe wieder aufrecht.»

Auch junge Frauen leiden unter grosser Oberweite

Für Chantal (26) war ihre Oberweite schlicht der Horror. Als Elfjährige hatte sie sich sehnlich einen Busen gewünscht. Dann kam die Pubertät – und alles ging sehr schnell. «Am Anfang war ich megastolz. Aber dann habe ich mich nur noch geschämt.» Je mehr Aufmerksamkeit ihr Busen von Männern bekam, desto unangenehmer für sie: «Ich fand das voll schlimm, wenn mein Busen so abgefeiert wurde.» Bis sie 20 Jahre alt war, schlief sie immer mit BH, nicht mal beim Sex legte sie ihn ab.

Nach einer Brustverkleinerung schätzen manche Frauen die Möglichkeit, keinen BH tragen zu müssen.
Foto: Getty Images

Hinzu kamen Druckstellen von unbequemen BHs und der Frust bei der Auswahl: «Meine Freundinnen konnten modische, erschwingliche Modelle aussuchen, ich musste in Spezialgeschäften teure, fleischfarbene Grosi-BHs kaufen.» Oft begriffen ihre Freundinnen sie nicht: «Sie fanden meine Oberweite toll, ich wollte lieber flach wie ein Brett sein.» Schliesslich entschied sie sich mit 21 für eine Brustverkleinerung. In ihrem Fall hat die Krankenkasse die Kosten übernommen, aber erst im zweiten Anlauf, auf Insistieren ihres Arztes. Der Eingriff dauert vier Stunden, er kann ambulant durchgeführt werden. Chantal hat ihren Entscheid nie bereut, die Narben störten sie nicht. «Ich fühle mich viel selbstbewusster, auch nackt und Männern gegenüber.»

Stolz statt Scham wegen der Narben

Die Narben waren Erikas grösste Sorge. Immer wieder schaute sie sich Vorher-Nachher-Bilder an, die ihr Fachkliniken geschickt hatten. «Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie das bei mir aussehen würde.» Und da war auch ein Schamgefühl. Ob oben ohne in der Badi oder intim mit einem Mann: «Man würde sofort sehen können, dass ich etwas habe machen lassen.» Aber der Leidensdruck war grösser. «Da waren fast 10 Zentimeter überhängende Haut, weil sich die Brust so stark gesenkt hatte», sagt sie. Auch wenn pro Seite «nur» 300 Gramm entfernt wurden, war das eine Last, die sie nicht weiter herumschleppen wollte.

Sieht so eine natürliche Brust aus? Die antike Kreidenstatue mit idealisierten weiblichen Formen.
Foto: IMAGO/Zoonar

Heute sieht sie die Narben mit anderen Augen: «Ich bin sogar stolz darauf. Sie markieren einen Einschnitt in meinem Leben, es ist ein Akt der Selbstermächtigung.» Und eine grosse Befreiung. Als Erika ein paar Monate nach dem Eingriff Ferien am Meer machte, staunte sie über sich selber: «Plötzlich bin ich den Strand entlang gejoggt, im Badekleid.» Das letzte Mal sei sie als Jugendliche so gerannt. «Erst da wurde mir bewusst, wie einschränkend diese hängende Brust war.»

Wie Erika empfinden viele Frauen, weiss Forscherin Ada Borkenhaben. Sie musste ihre eigene Annahme revidieren, dass Frauen ihren Busen verschönern wollen, um Männern zu gefallen. Sie führte bereits in den 90er-Jahren in Ost-Berlin eine Befragung durch, das Resultat überraschte sie: «Die Frauen empfanden die Operation als selbstermächtigend, nicht als Anpassung. Es war ein starker, emanzipatorischer Schritt – weil es mit ihrem subjektiven Körpergefühl übereinstimmte.»

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