Diagnose: Unfruchtbarkeit
Wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt: BLICK-Leserinnen erzählen

BLICK bricht das Tabu rund ums Thema Unfruchtbarkeit. Nun erzählen unsere Leserinnen und Leser, denen der Kinderwunsch verwehrt blieb, von ihren Höhen und Tiefen.
Publiziert: 14.02.2021 um 08:00 Uhr
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Aktualisiert: 24.02.2021 um 13:12 Uhr
Gemäss dem Bundesamt für Statistik wünschen sich rund 60 Prozent der noch kinderlosen Frauen zwischen 25–29 Jahren zwei Kinder.
Foto: Getty Images/Blend Images
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Nicole Müller

Vor Kurzem haben wir einige Frauen aus der BLICK-Community über ihre Entscheidung befragt, weshalb sie keine Kinder haben wollen. Es wurde zum Beispiel der Grund genannt, dass sie ohne Kinder sehr glücklich leben. Die Entscheidung für oder gegen das Kinderkriegen treffen jedoch nicht alle freiwillig. Was heisst es, wenn Kinder zum «grossen Glück» dazugehören, es auf natürlichem Weg aber nicht klappt?

Um das Tabu rund ums Thema Unfruchtbarkeit zu brechen, lassen wir betroffene Leserinnen und Leser zu Wort kommen. Im Folgenden erzählen uns drei Frauen und ein Paar von ihrer Geschichte.

Melissa (27): «Wir hoffen, dass alles gut kommt und wir bald glückliche Eltern werden»

«Mein Mann und ich haben es schon mehrmals auf natürlichem Weg versucht, jedoch hat es nie geklappt. Als wir uns dann abklären liessen, fanden wir heraus, dass es an meinem Mann liegt. Wir waren erstmals schockiert und für meinen Mann war es wie ein Schlag ins Gesicht. Unsere Welt brach kurz zusammen. Wir dachten beide, es läge an mir, da ich im 2017 Gebärmutterhalskrebs hatte und man 2,4 cm meiner Gebärmutter abschaben musste.

Die Bestätigung, dass wir ohne Hilfe keine Kinder haben können, war eine grosse psychische Belastung und hat unsere Beziehung natürlich auf die Probe gestellt. Ich glaube, dass es jedem Paar so geht. Mein Psychiater riet mir, mit einer Kinderwunschbehandlung zu beginnen. Ich erzählte meinem Mann davon und kurz danach hatten wir einen Termin in einer österreichischen Kinderwunschklinik.

Ich muss sagen, dass wir Glück haben, etwas Geld auf der Seite zu haben. Eine künstliche Befruchtung ist wirklich sehr teuer und man bekommt in der Schweiz keinerlei finanzielle Unterstützung. In Deutschland wird dies beispielsweise von der Krankenkasse übernommen. Nichtsdestotrotz haben wir nun zwei befruchtete Eizellen und können in ein bis zwei Monaten einen ersten Versuch starten. Wir hoffen, dass alles gut kommt und wir bald glückliche Eltern werden.»

Roxana (36): «Heute erfüllt es mich, dass ich Paare auf ihrer Kinderwunschreise begleite»

«Wir versuchen es nun schon seit vier Jahren. Mir wurde vor acht Jahren Endometriose diagnostiziert, was vermutlich der Grund für den unerfüllten Kinderwunsch ist. Wir haben uns über eine IVF (Anm. d. Red.: künstliche Befruchtung ausserhalb des Körpers) Gedanken gemacht, doch es fühlt sich für uns einfach nicht richtig an. Mir persönlich bietet die Schulmedizin zu wenige zufriedenstellende Antworten bezüglich der künstlichen Befruchtung. Darum haben wir uns vorerst dagegen entschieden.

Ich glaube auch daran, dass ich trotzdem noch schwanger werde, wenn es so sein sollte. Ausserdem kann man alternativmedizinisch einige Abklärungen machen, falls man sich nach der Diagnose nicht zugleich an die Kinderwunschklinik wenden möchte. Und wenn nicht, ist das Leben auch ohne Kinder wunderschön. Jetzt sehe ich auch viele Vorteile im kinderlos sein. Für mich individuell, aber auch für die Umwelt. Allerdings war es bis dahin ein langer Prozess.

Die Kinderwunschreise hat uns als Paar, aber auch jeden individuell extrem herausgefordert. Wir wurden dadurch in eine Krise katapultiert. Ich war viel zu sehr ‹näb de Schueh› und wollte alle Tipps und Tricks zur Schwangerschaft befolgen. Denselben Druck habe ich auch meinem Mann auferlegt. Meinen Weg aus der Krise fand ich mittels einer Coaching-Ausbildung mit dem klaren Ziel, Kinderwunsch-Coach zu werden. Die Ausbildung gab mir Perspektive und funktionierte auch als meine persönliche Therapie. Heute erfüllt es mich, dass ich Frauen/Paare auf ihrer Kinderwunschreise begleite.

Dass das Thema tabuisiert war – und immer noch ist –, machte es extrem schwer. Es könnte ab der Diagnose der Unfruchtbarkeit beispielsweise eine psychologische Begleitung geben, welche von der Krankenkasse unterstützt würde. Es ist sehr wichtig, dass man in dieser Situation Hilfe zulässt. Der Leidensprozess wird nämlich total unterschätzt, wenn man ihn nicht selbst erlebt hat. Natürlich gibt es das Coaching, jedoch kann sich das nicht jeder leisten. Das Bewusstsein in der Gesellschaft muss ebenfalls geschärft werden. Schwanger werden ist nicht für alle so einfach und man muss bedenken, dass die Gesamtfertilitätsrate stetig abnimmt.»

Roxana Rölli hat durch die eigene Erfahrung mit dem Thema Unfruchtbarkeit ihre Berufung gefunden. Sie arbeitet als Female Coach in Zollikon und begleitet andere Paare auf ihren Kinderwunschreisen.
Foto: Roxana Rölli

Lucy* (39): «Ich hätte vorher nie gedacht, dass dieser Prozess so runterziehen kann»

«Nach der Hochzeit 2018 haben wir mit dem ‹Üben› angefangen. Da es nach einem halben Jahr noch nicht geklappt hatte, hat mir die Frauenärztin empfohlen, vorsorglich in einem Kinderwunschzentrum Abklärungen zu starten. Das Resultat zeigte, dass die Basis für eine Schwangerschaft bei mir mehr schlecht als recht war.

Wir reagierten zunächst sehr ‹naiv›, da uns nicht bewusst war, was das am Ende für uns bedeuten würde. Wir dachten, dass man dagegen gut was machen kann. Zu Beginn waren wir noch stark, da die Insemination (Anm. d. Red.: Die Eizelle wird innerhalb des weiblichen Körpers künstlich befruchtet) quasi noch die ‹easy› Option zur Befruchtung darstellt. Mit der ersten ICSI (Anm. d. Red.: Künstliche Befruchtung ausserhalb des Körpers) kamen dann die Medikamente und Hormonspritzen, welche mich sehr müde und gestresst stimmten. Es ist eine ziemlich grosse Einschränkung, da man sich an strikte Zeitpläne halten muss.

Mit jedem Zyklus, der nicht glückte, wuchs die Enttäuschung und unsere Trauer. Man wird dünnhäutig. Dazu kommen auch jeweils die Wartephasen, bis man weiss, ob die Insemination oder ICSI erfolgreich war.

Ich hätte vorher nie gedacht, dass mich dieser Prozess so runterziehen kann. Die Beziehung leidet durch meine Stimmungsschwankungen und den wiederholten Enttäuschungen. Monat für Monat, Zyklus für Zyklus – es ist kaum zu ertragen. Mein Mann und ich haben dadurch aber auch sehr schwierige Gespräche geführt, wie wir sie in unserer Beziehung nie zuvor hatten. Wir lernten uns noch besser kennen und sind mehr zusammengewachsen durch die gemeinsame Erfahrung. Es ist wichtig, dass man nicht über die eigenen Grenzen – oder die des Partners – hinaus geht. Das ist das A und O für diesen Prozess.

Man muss aber auch spüren, wann der Zeitpunkt zum Aufhören gekommen ist. Nicht nur mental und körperlich, sondern auch in Bezug auf die Kosten. Ich bin dankbar, dass wir uns in einer guten finanziellen Lage befinden und uns so diese unterstützenden Behandlungen auf unserem Weg zu einem Kind leisten können. Aber ewig kann man das schon nicht weiterverfolgen. Nach drei erfolglosen Inseminationen und vier ICSIs, werden wir in ca. zwei Monaten erneut einen Versuch starten. Wir sind voller Hoffnung, dass es dieses Mal klappen wird.»

*Name wurde abgeändert

Nicole (30) und Markus (33): «Aufgeben ist keine Option»

«Im 2016 wurden wir auf natürlichem Weg schwanger. Leider hatten wir aber in der elften Woche eine Fehlgeburt. Danach war ‹Flaute›. Wir haben uns dann letztes Jahr für eine künstliche Befruchtung entschieden. Die ersten drei Inseminationen sind leider nicht geglückt. Danach machten wir gleich weiter mit der ersten ICSI. Es wurde ein Frischetransfer durchgeführt und ein befruchtetes Ei haben wir eingefroren. Leider hat es beim ersten Mal nicht geklappt und mein Körper brauchte eine Pause.

Ich habe zwar gut auf die Medikamente reagiert, jedoch wird die psychische Belastung, die der Prozess mit sich bringt, total unterschätzt. Wir haben nun die Kinderwunschklinik gewechselt und haben letzten Freitag unsere Blastozyste (Anm. d. Red.: Ein ca. sechs Tage alter Embryo mit einer komplexen Zellstruktur, die aus etwa 200 Zellen besteht) zurückerhalten. Nun heisst es Warten bis zum Bluttest.

Für uns ist es ein Geschenk, die Hilfe in Anspruch nehmen zu dürfen, auch wenn wir dafür den etwas schwierigeren Weg wählen müssen. Es ist schade, wie tabu dieses Thema noch ist. Um andere zu erreichen, haben wir einen Instagram-Account, auf welchem wir über unsere Kinderwunschreise ‹Tagebuch› führen. Darin wird Nichts beschönigt und es ist gleichzeitig sehr befreiend. Die Grundidee stammt aus unseren eigenen Recherchezeit und der damit verbundenen Enttäuschung über den vorhandenen Informationsgehalt. Beispielsweise findet man auf thematischen Foren auch die riesige Ziffer, welche die Unfruchtbarkeit des Mannes darstellt und worüber nie gesprochen wird.

Natürlich hört es kein Mann gerne, dass missglückte Fortpflanzungsversuche mit der eigenen Spermienqualität zusammenhängen. Dabei hat dies oft auch nicht viel mit der körperlichen Verfassung eines Mannes zu tun. Dasselbe gilt auch fürs weibliche Geschlecht. Von unserer öffentlichen Kinderwunschreise erhoffen wir uns, dass sie anderen Paaren die Antworten liefert, wonach wir vergebens gesucht haben. Wir möchten andere ermutigen. Die Unfruchtbarkeit sollte ein Thema sein, über welches man offen sprechen kann.»

Nicole und Markus sind voller Hoffnung: «Aufgeben ist keine Option!»
Foto: Nicole und Markus
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