Ein österreichischer Verleger hatte Beat Wüthrichs Talent in der «Weltwoche» entdeckt, worauf er ihm in seiner Zeitung zu glänzenden Konditionen eine tägliche Gastrokolumne anbot. Wüthrich lehnte ab. Was vielleicht damit zu tun hatte, dass er gebürtiger Langenthaler war. Wir Langenthaler, sagte er manchmal, sind die Schweiz. Verstehe Langenthal und du bist über alles, was dein Land ausmacht im Bilde. Zum Beispiel über die Tugend seiner Menschen, ihre Wünsche im Rahmen des Übersichtlichen zu halten. Sich also nach dem Sprung von Langenthal nach Zürich nicht noch fahrlässig den Sprung in eine unvertraute Millionenmetropole zuzumuten.
Möglicherweise war es auch schon Langenthal gewesen, an dem in seiner ersten «Weltwoche»-Zeit Versuche von Kollegen abprallten, aus Beat Wüthrich klug zu werden. Er war quasi eine unbeschriebene Seite, eine elegante Feder zwar, aber eine Feder ohne Thema. Erst unter mehr als sanftem Druck brachte er schliesslich den Satz aus sich heraus, der sein Leben veränderte: «Am liebsten würde ich über Essen und Trinken schreiben.» Mit dem Nachsatz: «Aber so etwas braucht ihr natürlich nicht.»
Und ob wir so etwas brauchten! Satz und Nachsatz fielen in einer Mövenpick-Bar bei einer ihm und mir, einem seiner damaligen Chefs, unvergesslichen dienstlichen Unterredung. Und bescherten der Schweizer Gastronomie eine Instanz. Ohne Voranmeldung. Eine Woche später stand Beat Wüthrich als kompetente Stimme im Blatt.
Seit acht Jahren im SonntagsBlick. Dass er über die entsprechenden Kenntnisse verfügte, tat sich von seiner ersten Gastrozeile an kund. Ich verdanke ihm ein Röstirezept, dessen Zubereitung mich glatt überfordert, und eine Lauchsuppe, mit der ich vor Petermann hintreten kann. Aber das Schönste an Wüthrichs Texten war immer ihre Lebenswärme. Er gedachte nicht, sich als Gastropapst aufzuspielen und mit Kollegen vom Fach um den Spitzenplatz zu konkurrieren.
Für ihn begann in der Küche ein Prozess der Nächstenliebe. Was auf den Teller kam, hatte die Achtung vor dem Gast auszudrücken. Es kann ein guter Koch nicht sein, war seine Botschaft, der die Menschen nicht mag. Gastronomie als Kultur, nicht als sich selbst aufblähender Kult.
Dieser seiner Botschaft möchten wir uns nach Beat Wüthrichs frühem Tod ebenso wie ihres gewissenhaften, in der Arbeit unbeirrbaren, liebenswerten Überbringers erinnern.