Nachruf: Gastrokritiker Beat Wüthrich
Ein guter Koch muss die Menschen mögen

Völlig überraschend ist unser Gastrokritiker Beat Wüthrich im Alter von 57 Jahren verstorben. Sechs Spitzenköche und sein «Entdecker» erinnern an den «ganz speziellen Menschen voller Herzlichkeit».
Publiziert: 05.06.2009 um 15:21 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 20:05 Uhr
Von Jürg Ramspeck

Ein österreichischer Verleger hatte Beat Wüthrichs Talent in der «Weltwoche» entdeckt, worauf er ihm in seiner Zeitung zu glänzenden Konditionen eine tägliche Gastrokolumne anbot. Wüthrich lehnte ab. Was vielleicht damit zu tun hatte, dass er gebürtiger Langenthaler war. Wir Langenthaler, sagte er manchmal, sind die Schweiz. Verstehe Langenthal und du bist über alles, was dein Land ausmacht im Bilde. Zum Beispiel über die Tugend seiner Menschen, ihre Wünsche im Rahmen des Übersichtlichen zu halten. Sich also nach dem Sprung von Langenthal nach Zürich nicht noch fahrlässig den Sprung in eine unvertraute Millionenmetropole zuzumuten.

Möglicherweise war es auch schon Langenthal gewesen, an dem in seiner ersten «Weltwoche»-Zeit Versuche von Kollegen abprallten, aus Beat Wüthrich klug zu werden. Er war quasi eine unbeschriebene Seite, eine elegante Feder zwar, aber eine Feder ohne Thema. Erst unter mehr als sanftem Druck brachte er schliesslich den Satz aus sich heraus, der sein Leben veränderte: «Am liebsten würde ich über Essen und Trinken schreiben.» Mit dem Nachsatz: «Aber so etwas braucht ihr natürlich nicht.»

Und ob wir so etwas brauchten! Satz und Nachsatz fielen in einer Mövenpick-Bar bei einer ihm und mir, einem seiner damaligen Chefs, unvergesslichen dienstlichen Unterredung. Und bescherten der Schweizer Gastronomie eine Instanz. Ohne Voranmeldung. Eine Woche später stand Beat Wüthrich als kompetente Stimme im Blatt.

Seit acht Jahren im SonntagsBlick. Dass er über die entsprechenden Kenntnisse verfügte, tat sich von seiner ersten Gastrozeile an kund. Ich verdanke ihm ein Röstirezept, dessen Zubereitung mich glatt überfordert, und eine Lauchsuppe, mit der ich vor Petermann hintreten kann. Aber das Schönste an Wüthrichs Texten war immer ihre Lebenswärme. Er gedachte nicht, sich als Gastropapst aufzuspielen und mit Kollegen vom Fach um den Spitzenplatz zu konkurrieren.

Für ihn begann in der Küche ein Prozess der Nächstenliebe. Was auf den Teller kam, hatte die Achtung vor dem Gast auszudrücken. Es kann ein guter Koch nicht sein, war seine Botschaft, der die Menschen nicht mag. Gastronomie als Kultur, nicht als sich selbst aufblähender Kult.

Dieser seiner Botschaft möchten wir uns nach Beat Wüthrichs frühem Tod ebenso wie ihres gewissenhaften, in der Arbeit unbeirrbaren, liebenswerten Überbringers erinnern.

Jürg Ramspeck
Der BLICK-Kolumnist, war als «Weltwoche»-Chefredaktor der «Entdecker» von Beat Wüthrich.
Der BLICK-Kolumnist, war als «Weltwoche»-Chefredaktor der «Entdecker» von Beat Wüthrich.
Tanja Grandits, Stucki, Basel
«Wir hatten im Thurgau unser erstes Restaurant eröffnet. Eine Woche später publizierte Beat Wüthrich bereits einen ersten Bericht im SonntagsBlick, und das war dann der Startschuss für unser kleines Unternehmen. Er war stolz, dass er als Erster über unser Restaurant geschrieben hatte. Denn, war vorher gar nix gewesen, kamen jetzt andere Journalisten, und so begann unser Restaurant zu florieren. Beat war ein Mensch, der in Küchendingen sehr neugierig war. Das Allerschönste aber ist: Er hat nicht bloss den bekannten Restaurants und den berühmten Köchen geholfen, sondern sich auch für die Menschen interessiert, die noch nicht grossen Küchenruhm erreicht hatten. Dabei legte er die Messlatte stets auf jene Höhe, die den Möglichkeiten entsprach, die ein Koch hatte.»
«Wir hatten im Thurgau unser erstes Restaurant eröffnet. Eine Woche später publizierte Beat Wüthrich bereits einen ersten Bericht im SonntagsBlick, und das war dann der Startschuss für unser kleines Unternehmen. Er war stolz, dass er als Erster über unser Restaurant geschrieben hatte. Denn, war vorher gar nix gewesen, kamen jetzt andere Journalisten, und so begann unser Restaurant zu florieren. Beat war ein Mensch, der in Küchendingen sehr neugierig war. Das Allerschönste aber ist: Er hat nicht bloss den bekannten Restaurants und den berühmten Köchen geholfen, sondern sich auch für die Menschen interessiert, die noch nicht grossen Küchenruhm erreicht hatten. Dabei legte er die Messlatte stets auf jene Höhe, die den Möglichkeiten entsprach, die ein Koch hatte.»
Horst Petermann, Kunststuben, Küsnacht
«Beat Wüthrich war ein Einzelgänger unter den Gastronomiejournalisten. Er war sehr zurückhaltend. Manchmal dachte ich, dass er ein Mensch mit kleinen Geheimnissen sei. So jedenfalls erlebte ich ihn, seit ich 1981 die Kunststuben eröffnet habe. Damals schrieb er für die «Weltwoche», und seine Artikel wurden sehr gelesen. Dem, was er mir in Gesprächen über die Küche sagte, konnte ich entnehmen, dass er gerne vegetarische Gerichte ass. So habe ich immer dann, wenn er bei uns ass, ein oder zwei Gänge davon in sein Menü eingebaut. Schliesslich war er vor einigen Jahren für einen grösseren Artikel bei uns. Nach dem Essen und dem Interview sassen wir alle zusammen: meine Frau, mein Freund Rico und er. Und es wurde ein sehr lustiges Gespräch. Beat war wie ausgewechselt. Und so bleibt er für mich in Erinnerung: als ein ganz spezieller Mensch voller Herzlichkeit.»
«Beat Wüthrich war ein Einzelgänger unter den Gastronomiejournalisten. Er war sehr zurückhaltend. Manchmal dachte ich, dass er ein Mensch mit kleinen Geheimnissen sei. So jedenfalls erlebte ich ihn, seit ich 1981 die Kunststuben eröffnet habe. Damals schrieb er für die «Weltwoche», und seine Artikel wurden sehr gelesen. Dem, was er mir in Gesprächen über die Küche sagte, konnte ich entnehmen, dass er gerne vegetarische Gerichte ass. So habe ich immer dann, wenn er bei uns ass, ein oder zwei Gänge davon in sein Menü eingebaut. Schliesslich war er vor einigen Jahren für einen grösseren Artikel bei uns. Nach dem Essen und dem Interview sassen wir alle zusammen: meine Frau, mein Freund Rico und er. Und es wurde ein sehr lustiges Gespräch. Beat war wie ausgewechselt. Und so bleibt er für mich in Erinnerung: als ein ganz spezieller Mensch voller Herzlichkeit.»
Andreas Caminada, Schloss Schauenstein, Fürstenau
«Ich habe Beat Wüthrich vor zwei Jahren kennen gelernt. Damals hat er mir gesagt, dass ich es in diesem Jahr auf seiner Rangliste der Schweizer Restaurants von irgendwo um Platz 30 auf Platz eins schaffen würde. Seit diesem Tag war er für mich immer einer meiner wichtigsten Förderer und Unterstützer. Ich habe ihm viel zu verdanken. Die Nachricht von seinem Tod hat mich betroffen gemacht. Beat Wüthrich war ein sehr feiner, ruhiger Genussmensch, der in der Schweizer Gastronomieszene eine sehr grosse Lücke hinterlässt.»
«Ich habe Beat Wüthrich vor zwei Jahren kennen gelernt. Damals hat er mir gesagt, dass ich es in diesem Jahr auf seiner Rangliste der Schweizer Restaurants von irgendwo um Platz 30 auf Platz eins schaffen würde. Seit diesem Tag war er für mich immer einer meiner wichtigsten Förderer und Unterstützer. Ich habe ihm viel zu verdanken. Die Nachricht von seinem Tod hat mich betroffen gemacht. Beat Wüthrich war ein sehr feiner, ruhiger Genussmensch, der in der Schweizer Gastronomieszene eine sehr grosse Lücke hinterlässt.»
Bernard Ravet, L’Ermitage, Vufflens-le-Château
«Beat Wüthrich liebte die einfachen Dinge, die sogenannten Produits du terroir. Aber die mussten von grosser Qualität sein. Besondere Freude konnte man ihm mit einem sanft in Butter gebrätelten Omble chevalier aus dem Genfersee machen. Und gab es zum Apéritif die kleinen Saucisses de campagne, die Bauernwürstchen aus unserer Gegend, dann war er glücklich und konnte gar nicht genug davon bekommen. Beat Wüthrich war sehr neugierig. Er wollte alles über die Produkte wissen, die wir in unserer Küche verwenden. Daraus ergaben sich überaus lange Gespräche. Ich selber spreche kaum Deutsch und sein Französisch holperte genauso, aber weil wir vom Gleichen sprachen, haben wir uns zum Schluss immer irgendwie verstanden.»
«Beat Wüthrich liebte die einfachen Dinge, die sogenannten Produits du terroir. Aber die mussten von grosser Qualität sein. Besondere Freude konnte man ihm mit einem sanft in Butter gebrätelten Omble chevalier aus dem Genfersee machen. Und gab es zum Apéritif die kleinen Saucisses de campagne, die Bauernwürstchen aus unserer Gegend, dann war er glücklich und konnte gar nicht genug davon bekommen. Beat Wüthrich war sehr neugierig. Er wollte alles über die Produkte wissen, die wir in unserer Küche verwenden. Daraus ergaben sich überaus lange Gespräche. Ich selber spreche kaum Deutsch und sein Französisch holperte genauso, aber weil wir vom Gleichen sprachen, haben wir uns zum Schluss immer irgendwie verstanden.»
Rosa Tschudi, Schweizer Kochlegende
«Ich bin nur noch als Gastköchin tätig, ich bin ja auch schon 85 Jahre alt. Aber seinerzeit, als ich noch im Riesbächli in Zürich oder im Bären Nürensdorf gekocht habe, hat mich der Beat Wüthrich oft getestet. Das Schöne daran ist: Ich habe an ihn und seine Berichte nur gute Erinnerungen. Er war in seinen Urteilen sehr fair. Er hat etwas von den Produkten verstanden, welche Köche in ihren Gerichten verwenden. War etwas nicht in Ordnung, dann hat er das auch gesagt. Mit Anstand. Das machte den Unterschied. Meine Spezialitäten, die Eglifilets im Bierteig, den Sauerbraten oder den Kalbskopf an Vinaigrette-Sauce, hat er nicht nur gerne gegessen, sondern hat sie auch gelobt. Unter den vielen Journalisten, die auf uns Köche losgeschickt werden, war er einer der wenigen, die wirklich etwas von der Materie verstanden haben.»
«Ich bin nur noch als Gastköchin tätig, ich bin ja auch schon 85 Jahre alt. Aber seinerzeit, als ich noch im Riesbächli in Zürich oder im Bären Nürensdorf gekocht habe, hat mich der Beat Wüthrich oft getestet. Das Schöne daran ist: Ich habe an ihn und seine Berichte nur gute Erinnerungen. Er war in seinen Urteilen sehr fair. Er hat etwas von den Produkten verstanden, welche Köche in ihren Gerichten verwenden. War etwas nicht in Ordnung, dann hat er das auch gesagt. Mit Anstand. Das machte den Unterschied. Meine Spezialitäten, die Eglifilets im Bierteig, den Sauerbraten oder den Kalbskopf an Vinaigrette-Sauce, hat er nicht nur gerne gegessen, sondern hat sie auch gelobt. Unter den vielen Journalisten, die auf uns Köche losgeschickt werden, war er einer der wenigen, die wirklich etwas von der Materie verstanden haben.»
Martin Dalsass, Santabbondio, Sorengo
«Wir haben uns vor gut vier Wochen kennen gelernt. Er war hier bei uns in Sorengo und wir sprachen nach dem Essen miteinander. Es wurde ein sehr schönes Gespräch rund um unsere Kinder, die Familie und natürlich die Küche. Was Beat Wüthrich suchte, war die Einfachheit, das gute Produkt, den Geschmack der Dinge. Und was mir ganz besonders aufgefallen ist: Er wusste genau, was er gegessen hatte. Es gibt nämlich Journalisten, die essen und wissen danach nicht, was sie gegessen haben. Sicher ist: Beat Wüthrich war mit Leib und Seele bei diesem Essen. Und als ich danach eine Tessiner Brottorte auftragen liess, fand er diese so köstlich … er wollte überhaupt nicht mehr aufhören, davon zu essen. Und was mir ganz besonders imponierte: Er hat mir nach seinem Besuch einen wunderschönen Brief geschrieben und für das Essen gedankt. Und das ist nun etwas ganz Seltenes.»
«Wir haben uns vor gut vier Wochen kennen gelernt. Er war hier bei uns in Sorengo und wir sprachen nach dem Essen miteinander. Es wurde ein sehr schönes Gespräch rund um unsere Kinder, die Familie und natürlich die Küche. Was Beat Wüthrich suchte, war die Einfachheit, das gute Produkt, den Geschmack der Dinge. Und was mir ganz besonders aufgefallen ist: Er wusste genau, was er gegessen hatte. Es gibt nämlich Journalisten, die essen und wissen danach nicht, was sie gegessen haben. Sicher ist: Beat Wüthrich war mit Leib und Seele bei diesem Essen. Und als ich danach eine Tessiner Brottorte auftragen liess, fand er diese so köstlich … er wollte überhaupt nicht mehr aufhören, davon zu essen. Und was mir ganz besonders imponierte: Er hat mir nach seinem Besuch einen wunderschönen Brief geschrieben und für das Essen gedankt. Und das ist nun etwas ganz Seltenes.»
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