«Die wichtigsten Momente des Lebens stehen meist in enger Verbindung mit Essen», sagt Dany Stauffacher (64). Das Essen biete stets den gebührenden Rahmen: bei Feiertagen, Geburtstagen, Familientreffen oder Geschäftsabschlüssen. «Essen ist ein sozialer Akt.» Das Thema werde in der Zukunft noch wichtiger, ist er überzeugt.
Stauffacher präsidiert als Organisator der «Settimana del Gusto» die diesjährige Genussstadt der Schweiz: Lugano.
350 000 Schweizer am Street Food Festival
Kinder der 80er-Jahre erinnern sich noch an die Zeiten, als bei einem Chilbi-Besuch Frühlingsrollen das Höchste der exotischen Genüsse darstellten. Seit Street-Food-Festivals aus dem Boden schiessen, verspeist der Schweizer heute anstatt Bratwürste ganz selbstverständlich Momos aus Tibet, Empanadas aus Argentinien oder Nudelsuppen aus Vietnam. Was in Asien oder Afrika n Garküchen für einfache Leute gekocht wird, ob ein Pad Thai, Saté-Spiesse oder eine Phở, ist hier Teil eines funktionierenden Foodkonzepts. Das Bild, das sich den Besuchern bietet, ist meist ähnlich: bunte Foodtrucks, liebevoll dekorierte Stände, Girlanden, Lämpchen und ein Rahmenprogramm mit Kinderunterhaltung sowie Live-Musik. Allein die «Original Street Food Festival Tour» zog im letzten Jahr in 14 Schweizer Städten über 350’000 Besucher an.
«Das Normale ist nicht mehr gut genug»
Den Erfolg der Foodfestivals erklärt der Tessiner Starkoch Dario Ranza (61) mit den steigenden Ansprüchen. Nahrung werde wichtiger Teil der Erlebniskultur. «Das Normale ist nicht mehr gut genug.» Essen sei nicht mehr dazu da, um satt zu werden. «Ein ausgefallenes Produkt, eine spektakuläre Aussicht von einer Terrasse», gehörten dazu. Doch Street-Food-Festivals sind nur einer von vielen Anlässen. Bereits seit 25 Jahren findet in St. Moritz das Gourmetfestival statt. Hier, wie auch beim Taste of Zermatt oder beim Excellence Gourmetfestival zaubern Sterneköche für Feinschmecker mit gut gepolstertem Portemonnaie. In eine andere Richtung gehen die Genusswochen der Fondation pour la Promotion du Goût. Zum 18. Mal finden diese im September schweizweit statt. Dabei ist Lugano als sogenannte Stadt der Genüsse oder wie es 2018 heisst, la città del gusto, die Botschafterin der Genusswochen. Stauffacher findet: «Hochwertige Kost soll nicht einer Elite vorenthalten sein, sie gehört dem Volk.»
Einstige Gerichte der armen Leute werden schick
Als Veranstalter der Genusswochen in Lugano sind ihm die Jungen ein Anliegen. Im Sonnenkanton möchte man ihnen Appetit auf Spitzenküche machen. Für 60 Franken können 18- bis 25-Jährige kosten, was die Top-Gastronomie zu bieten hat.
Gleichzeitig wollen die Genusswochen ein Anti-Programm zu den international aufgestellten Street-Food-Festivals sein: Weg vom globalisierten Essen, hin zur heimischen Kost. «Wir sind ein Land mit einer grossen Essenskultur», sagt Stauffacher. So stehen am Festival in Lugano die traditionellen Polpetta (Fleischbällchen) im Vordergrund. Auch der Tessiner Spitzenkoch Dario Ranza wird sie in seinem Restaurant auftischen, er hat kein Problem mit dem einstigen Gericht der Armen. Man könne die Polpetta mit Lammfleisch oder mit Poulet, Curry oder Tomatensauce servieren, «mit der Polpetta kann man um die ganze Welt reisen.» Ganz ohne Exotik gehts dann doch nicht.