Darum gehts
- Teilzeitarbeit bei Männern steigt auf 20,5 Prozent im Jahr 2024
- Neue Normalität: Teilzeitarbeit wird für Männer selbstverständliche Karriereoption
- 19,1 Prozent der Männer arbeiten Teilzeit aus mangelndem Interesse an Vollzeit
Die Linie auf der Grafik steigt nur sachte an, aber sie steigt. Jahr für Jahr um ein paar Stellen im Dezimalbereich. Die Rede ist vom Anteil der Männer, die hierzulande Teilzeit arbeiten – also weniger als 90 Prozent.
So sanft der Anstieg, so bedeutend ist er: Wie aktuelle Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen, arbeiteten 20,5 Prozent der erwerbstätigen Männer im Jahr 2024 in Teilzeit.
Teilzeit als Teil einer neuen Normalität
Der Sprung über die 20-Prozent-Marke hat Gewicht, besagt die «Social Norms Change»-Theorie: Adaptieren 20 bis 25 Prozent einer Gruppe ein Verhalten, wird dieses nicht mehr als abweichendes Verhalten wahrgenommen. Kurz gesagt: Der Teilzeitler ist kein Exot mehr. «Diese Männer sind nun Teil einer neuen Normalität. Das ist ein Meilenstein», sagt Markus Theunert (52) dazu. Der Gesamtleiter von Männer.ch beschäftigt sich schon lange mit dem Thema. 2012 lancierte der Dachverband Schweizer Männer- und Väterorganisationen die Kampagne Teilzeitmann. Erst 13,7 Prozent der Männer arbeiteten damals Teilzeit. Die Kampagne wollte Teilzeitarbeit für Männer als «selbstverständliche Karriereoption in gewissen Lebensphasen» etablieren, sagt Theunert. Dies scheint nun erreicht.
«Ganze Männer machen Teilzeitkarriere», lautete damals der Slogan. Es war ein Anliegen, allfällige Identitätszweifel von Teilzeitlern im Keim zu ersticken. Denn traditionell sind Leistung und Erwerb zentrale Standbeine der männlichen Identität.
Doch dieses Bild verändert sich gerade: Mit 19,1 Prozent begründet 2024 fast jeder fünfte Mann den Grund für seine Teilzeitarbeit mit «Kein Interesse an einer Vollzeittätigkeit». Gerade jüngere Arbeitnehmende legen den Fokus auf eine gute Balance zwischen Arbeit und «Leben» – und wünschen eine Viertagewoche: Aus der Sicht von 18- bis 45-Jährigen ist ein Erwerbspensum von 80 Prozent für kinderlose Männer und Frauen ideal, heisst es in einer Sotomo-Studie aus dem Jahr 2023.
Pensum reduzieren mit dem ersten Kind
Die Teilzeitfrage stellen sich damit heute viele Männer. Geht es an die Familienplanung, kommen sie erst recht nicht darum herum. «Schon früh in unserer Partnerschaft machte meine Frau klar, dass sie später als Mutter nicht nur zu Hause bleiben werde», sagt Andreas Näf (48). «Mir ist das recht. Ich habe Arbeit noch nie als die Erfüllung vom Leben angesehen.»
Der Konstruktionsleiter in einem KMU im Mittelland und zweifache Vater arbeitet schon über zehn Jahre Teilzeit. Zunächst startete das Paar fast schon klassisch ins Familienleben, er im 80-, sie im 50-Prozent-Pensum. Als das zweite Kind jährig war, wollte sich die Oberstufenlehrerin beruflich wieder stärker engagieren – und Andreas Näf suchte das Gespräch mit seinem Chef. Zwei Jahre lang war er dann nur zwei Tage die Woche im Betrieb und übernahm zu Hause den Grossteil der Arbeit.
Keine Mühe machte ihm der Gedanke, dass die Familie in jener Zeit vom Einkommen seiner Frau abhängig war. «Es brauchte aber eine Weile, bis ich es nicht als Nichtstun empfand, wenn ich draussen mit den Kindern unterwegs war.» Nach einem Gespräch mit einem Nachbarn, der ebenfalls mit den Kindern auf der Quartierstrasse am Spielen war, machte es bei ihm Klick. «Er sagte mir, dass ich mich um die Zukunft kümmere, das sei doch wichtig. Ab da spürte ich wirklich: Was ich für die Familie leiste, ist genauso wertvoll wie die Arbeit, die Lohn einbringt.»
Bereichernd und anstrengend war der Alltag mit zwei Kleinkindern und Haushaltsführung, beruflich fühlte er sich aber zunehmend auf dem Abstellgleis, da ihm vorwiegend anspruchslose Aufgaben gegeben wurden. Als man ihm wieder eine Leitungsfunktion im 80-Prozent-Pensum anbot, nahm er an. «Ich war voll motiviert, die Tätigkeit wieder aufzunehmen», sagt er.
Projektmanager Marco (34) aus Zürich, der hier nur mit Vorname auftreten will, war wie Andreas Näf der erste Mann mit Teilzeitanstellung im Betrieb respektive in seinem Arbeitsbereich. «Meine Frau und ich wollen in Bezug auf die Familie so partnerschaftlich wie möglich durchs Leben gehen, so wie wir es auch sonst tun», sagt er. Die Eltern eines zweijährigen Kindes sind je vier Tage die Woche erwerbstätig.
Dem Bild vom Mann als Ernährer kann Marco nichts abgewinnen. Für ihn liegt der Fokus nicht auf dem Einzelnen, sondern auf der Familie als Einheit: «Eine Familie kann sich idealerweise selbst ernähren. Wer welche Rolle darin übernimmt, sollen die Beteiligten miteinander aushandeln.»
Pionier mit Teilzeit-Wunsch
Sein Einsatz als engagierter Vater war kein Selbstläufer; seinen Wunsch nach einem reduzierten Pensum und nach zusätzlichem unbezahltem Urlaub nach der Geburt musste er sich in Gesprächen mit seinem Vorgesetzten erkämpfen. «Mein Weg wäre einfacher gewesen, hätte ich einfach weiter voll gearbeitet», sagt Marco. Als sein Kind acht Monate alt war, wechselte er den Arbeitgeber; heute ist er im Entertainment-Bereich tätig. Sein Familienmodell empfindet er als schön im Gleichgewicht. «In der Familie haben wir alle drei eine sehr gute Beziehung zueinander.»
Die Frage, ob ein Teilzeitler ein ganzer Mann ist, stellen sich Männer wie Marco oder Andreas nicht. Sie wollen eine Beziehung auf Augenhöhe führen, in der sich beide Partner im Beruf und als Eltern verwirklichen können. Manche Männer sind in ihren Betrieben mit diesem Anspruch Pioniere. Doch wie das Beispiel von Andreas Näf zeigt, lohnt es sich für den Arbeitgeber, sich auf das Unbekannte einzulassen: Nicht nur arbeitet Näf seit über 20 Jahren im selben Unternehmen. Sondern dieses schreibt Stellen heute auch konsequent mit «80 bis 100 Prozent» aus. Und erreicht damit mehr Interessierte.