Nur wenige kennen Seine Heiligkeit so gut wie der Schweizer Manuel Bauer (58)
Das wahre Gesicht des Dalai Lama

Kein anderer Fotograf der Welt ist dem Dalai Lama so nahe wie der Schweizer Manuel Bauer. Er begleitet ihn seit 35 Jahren mit der Kamera. Auch bei den Feierlichkeiten zu seinem 90. Geburtstag ist der Winterthurer dabei.
Publiziert: 14:25 Uhr
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Aktualisiert: 15:38 Uhr
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Der Fotograf und Seine Heiligkeit: Manuel Bauer mit dem Dalai Lama.
Foto: YOSHIKO KUSANO

Darum gehts

  • Manuel Bauer begleitet Dalai Lama seit 35 Jahren als Fotograf
  • Bauer dokumentierte intime Momente des Dalai Lama
  • Dalai Lama kündigte Nachfolge an, er könnte 100 oder 113 Jahre alt werden
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

«Er ist nicht bloss ein professioneller Fotograf, er ist auch ein sehr guter Freund von mir», sagt der Dalai Lama über Manuel Bauer (58). Der Winterthurer begleitet das geistige Oberhaupt der Tibeter seit 35 Jahren mit der Kamera.

Beim Videocall aus Dharamsala (Indien), wo Bauer an den Feierlichkeiten zum 90. Geburtstag Seiner Heiligkeit am 6. Juli teilnimmt, winkt der Fotograf bescheiden ab: «Es ehrt mich, und ich fühle in der Gegenwart des Dalai Lama eine herzliche Nähe. Aber er hat grössere Aufgaben in seinem Leben, als abends mit mir zu jassen. Man darf sich ‹Freundschaft› nicht in unserem Sinne vorstellen.»

Aufstieg zum «Popstar des Friedens»

1990 reiste Bauer für eine Reportage über die tibetische Flüchtlingsgemeinschaft nach Nordindien und besuchte verschiedene Lager. «Ich war 23 Jahre alt, ein junger Anfänger», sagt er. Auch mit dem Dalai Lama führte er Gespräche: «Ich ging bei ihm ganz selbstverständlich ein und aus und dachte, das sei in diesem Job normal.»

Beliebt für seine Nähe: Der 14. Dalai Lama bei einem Vortrag im Kursaal in Bern 2016.
Foto: Manuel Bauer

Bereits damals entstanden erste Porträts in der Residenz des Dalai Lama in Dharamsala, wo er seit der Besetzung Tibets durch China 1959 im Exil lebt. Kurz zuvor war das geistige Oberhaupt der Tibeter mit dem Friedensnobelpreis für seinen gewaltlosen Kampf für die Befreiung Tibets ausgezeichnet worden. «Ich hatte das Privileg, eine wichtige Phase im Leben des Dalai Lama und seine wachsende Popularität zu begleiten», sagt Bauer. Es war die Zeit, als der Dalai Lama im Westen zum «Popstar des Friedens» wurde. Sein Humor, Charisma und seine Zugänglichkeit machten ihn beliebt. Insbesondere in der Schweiz, dem ersten europäischen Land, das Flüchtlinge aus Tibet aufgenommen hat.

Der Mensch hinter dem lachenden Gesicht

2001 startete Manuel Bauer sein Langzeit-Fotoprojekt mit dem Dalai Lama: «Über die Jahre waren viele Bilder mit seinem lachenden Gesicht entstanden. Mich interessierte, wer der Mensch dahinter ist.» Drei Jahre lang begleitete Bauer ihn quasi rund um die Uhr. So entstanden intime Aufnahmen: Der Dalai Lama, wie er um 5 Uhr morgens im Hotelzimmer in seinem Bett sitzt und meditiert. Unterwegs im Flieger oder auf dem Laufband in seiner Residenz.

Auf Anraten seines Arztes geht der Dalai Lama aufs Laufband: Auch diese Zeit nutzt er zum Gebet für alle fühlenden Lebewesen.
Foto: Manuel Bauer / Agentur Focus / Fotostiftung Schweiz

Ganz allein mit Seiner Heiligkeit – wie fühlt sich das an? «Es ist wunderschön, ihm zuzusehen», sagt Bauer. «Wie er meditiert, seinen Fokus hält, das ist höchste Disziplin. Er praktiziert jeden Morgen. Es zeigt, dass er Mönch und Mensch ist, der täglich übt.»

Für Bauer sind es die Momente höchster Konzentration; auf diese paar Minuten mit der Kamera arbeitet er intensiv hin. «Man darf sich das nicht zu romantisch vorstellen, ich gehe für einige Augenblicke rein, bis ich ein gutes Bild habe und ziehe mich dann zurück», so Bauer. Seine Zeit besteht vor allem aus Warten und Bereitsein für die passenden Augenblicke, denn der Tagesablauf Seiner Heiligkeit ist durchgetaktet. «Es ist wichtig, präsent und nahe zu sein, aber nicht zu stören. Ich nehme mich als Person selbstverständlich komplett zurück. Sei es bei einer Meditation oder bei Treffen mit politischen Persönlichkeiten.»

Kein einziges Sujet ist inszeniert oder gestellt: «Der Dalai Lama würde nie für mich posieren, er ist absichtslos, ein Bodhisattva.» Im tibetischen Buddhismus bedeutet das «Erleuchtungswesen». Der 14. Dalai Lama gilt als Buddha des Mitgefühls, der immer wiederkehrt, um allen fühlenden Wesen zu helfen. «Wir alle haben dieselben Bedürfnisse – nach Sicherheit, Liebe und Glück. Unabhängig von Herkunft oder Hierarchie», sagt Bauer.

Fotograf mit Mitgefühl

Ist er in den 35 Jahren selber zum meditierenden Buddhisten geworden? Bauer schüttelt den Kopf: «Nicht im klassischen Sinne im Schneidersitz. Ich reflektiere beim Wandern.» Der Dalai Lama sei ein grossartiger Lehrer, allein durch seine Präsenz. «Was mir bewusst geworden ist, ist die zwingende Logik des Mitgefühls – die einzige sinnvolle Basis für unser Zusammenleben.»

Kurz vor seinem 90. Geburtstag kündigte der Dalai Lama erstmals an, dass es eine Nachfolge geben wird. Der Nobelpreisträger betonte, dass die Reinkarnation «in Übereinstimmung mit der vergangenen Tradition» erfolgen soll – wahrscheinlich in einem freien Land ausserhalb Chinas. Auch eine weibliche Wiedergeburt schliesst er nicht aus.

Das dürfte noch etwas dauern; in einem Interview sagte der Dalai Lama: «Laut meinen Ärzten werde ich 100 Jahre alt. Laut meinen Träumen werde ich sogar 113. Aber 100 sind, denke ich, sicher.» Manuel Bauer wird ihn weiterhin begleiten. «Ich bin froh, dass sein Tagesprogramm nicht mehr ganz so streng ist. Das steht ihm auch zu. Jeden Sonntag zieht er sich ganz in seine Meditation zurück.»

Im Buch «Dalai Lama. Fotografien von Manuel Bauer. 1990–2024» zeigt der Winterthurer Fotograf rund 200 Bilder – viele davon bislang unveröffentlicht. Scheidegger & Spiess, Zürich 2025. 

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