«Das ist einfach nicht natürlich»
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Manuela verlor über 30 Kilo:«Das ist einfach nicht natürlich»

Manuela Leonhard über die Abnehmspritze
«Sie hat mir meine natürliche Lebenslust genommen»

Viele feiern die Abnehmspritze als Wundermittel. Bei Manuela Leonhard (59) war es anders. Die Ü50-Influencerin hat zwar Gewicht verloren – aber auch das Gespür für sich selbst.
Publiziert: 11:36 Uhr
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Aktualisiert: 11:46 Uhr
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Manuela Leonhard hat es mit der Abnehmspritze versucht.
Foto: Siggi Bucher

Darum gehts

  • Influencerin Manuela Leonhard berichtet über negative Erfahrungen mit Abnehmspritze
  • Körpersignale verschwanden, natürliches Körpergefühl ging verloren
  • Nach einigen Monaten hörte sie auf
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Begonnen hat es mit den Wechseljahren: «Ich bin aufgegangen wie ein Ofechüechli», sagt Manuela Leonhard (59). «Ich hatte ständig Hunger, quasi über Nacht hatte ich zwei Kleidergrössen mehr. Und ich hatte Angst, dass das so weitergeht.»

Manuela Leonhard ist eine bekannte Influencerin, die mit ihrem Instagram-Kanal «zurich_is_beautiful» seit rund acht Jahren die schönsten Seiten Zürichs zeigt. Die Thurgauerin war Assistentin der Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch, bevor sie 2023 ihren sicheren Job aufgab, um sich ganz ihrer Leidenschaft für Fotografie und Social Media zu widmen. Auf Linkedin gehört sie zu den Top-Creators der Schweiz und erreicht Zehntausende Follower.

Auf Social Media stiess sie auch auf Ozempic: Eine Frau empfahl ihr das Medikament mit dem Wirkstoff Semaglutid zum Abnehmen. «Sie hatte damit 30 oder 40 Kilo verloren. Ich dachte: Vielleicht hilft mir das auch.» Ein Endokrinologe am Universitätsspital Zürich verschrieb ihr das Medikament, die Kosten übernahm sie selbst. Der Effekt kam schnell – aber anders als erwartet. «Es war Mittag – und ich hatte keinen Hunger. Ich wusste nicht mehr, wann oder was ich essen soll.» Was zuerst praktisch schien, fühlte sich bald falsch an. «Dieses Gefühl für den Körper und seine Signale war einfach weg. Das hat mich total beschäftigt.»

Manuela Leonhard ist mit ihrem Instagram-Kanal «zurich_is_beautiful» erfolgreich.
Foto: Siggi Bucher

Plötzlich schlechte Laune

Trotzdem nahm sie die Spritze weiter. «Aber ich passte meine Ernährung nicht sinnvoll an – ich ass einfach weniger. Vor allem habe ich mich zu wenig bewegt.» Dabei sind genau das zentrale Faktoren: Ohne eine begleitende Ernährungsumstellung und regelmässige Bewegung kann es unter Semaglutid leicht zu Muskelabbau, Nährstoffmangel und einem verlangsamten Stoffwechsel kommen – und der gewünschte Gewichtsverlust bleibt oft aus. Nach etwa fünf Monaten hatte Leonhard genug: «Ich war nicht mehr ich selbst.» Sie hatte oft schlechte Laune: «So etwas kannte ich von mir gar nicht. Da passiert etwas mit der Gefühls- und Gedankenwelt, auf das man keinen Einfluss hat. Es ist, als ob man den Kontakt zu sich selbst verlieren würde.» Und abgenommen habe sie dabei auch nur etwa fünf Kilo.

Manuela Leonhard gehört zu den frühen Nutzerinnen der Abnehmspritze; der Tipp ihres Linkedin-Kontakts liegt fünf Jahre zurück. Kurz darauf häuften sich die Berichte über das vermeintliche Wundermittel. Eigentlich als Medikament für Menschen mit Typ-2-Diabetes entwickelt, entdeckte es Hollywood als Abnehmhilfe. Kim Kardashian soll sich damit ihre Taille auf Grösse XS gespritzt haben. Auch Elon Musk und Robbie Williams sollen ihr Hüftgold so verloren haben. Die Promi-Werbung löste einen Boom aus – es kam zu Lieferengpässen und Kritik, insbesondere weil Menschen mit Diabetes darunter litten. Gleichzeitig wurden Nebenwirkungen bekannt: Übelkeit, Erbrechen, veränderter Geschmackssinn, Durchfall oder Verstopfung sind häufig. In seltenen Fällen kann es zu Bauchspeicheldrüsenentzündungen oder Gallenproblemen kommen.

Manchen vergeht die Lust auf Sex

Inzwischen sind Medikamente mit Semaglutid in der breiten Bevölkerung angekommen. In den USA nehmen rund sieben Millionen Menschen sogenannte GLP-1-Medikamente – bald könnten es 20 Millionen sein. In der Schweiz sind es rund 80'000. Aufgeschreckt haben Manuela Leonhard Berichte zu Haarausfall und Nährstoffmangel als mögliche Nebeneffekte wegen des drastischen Gewichtsverlusts. Genauso wie das sogenannte «Ozempic-Face», das abgemagerte Gesicht wirkt eingefallen, alt und müde.

Dass Semaglutid auch Auswirkungen auf die Psyche haben kann, war lange kaum bekannt. Neuere Studien und Berichte von Betroffenen zeigen: Man verliert nicht nur die Lust aufs Essen, sondern teils auch auf Alkohol, Nikotin – oder Sex. Davon ahnte Leonhard damals nichts. «Mir hat es meine natürliche Lebenslust genommen», sagt sie. Nachdem sie die Spritze absetzte, war sie wieder die Alte.

Als sie die Spritze absetzte, fand sie zu alter Lebensfreude zurück. Das Gesicht von Manuela Leonhard ist als Mural beim Zürcher Opernhaus verewigt.
Foto: Siggi Bucher

Von chemisch hergestellten Wirkstoffen zum Abnehmen will sie heute nichts mehr wissen, sie hat für sich Naturprodukte entdeckt. Ein Aha-Erlebnis war für sie eine Ayurveda-Kur – eines der ältesten Medizinsysteme der Welt aus Indien. Dabei wird der Körper innerlich und äusserlich mit Ölanwendungen gereinigt und gestärkt. Ziel ist es, zu entgiften und die Verdauung zu regulieren. Während der neuntägigen Kur verlor sie zwei Kilo – ohne Jojo-Effekt. Wieder daheim, war sie voller Energie, auch ihre steife Schulter sei besser geworden: «Vorher haben mir alle Gelenke wehgetan – das ist weg.»

Qualität statt Kalorien

Seit der Kur sind drei Monate vergangen, ihr Gewicht ist weiter leicht gesunken. Sie hält sich an ein paar schlichte Regeln: nur Mittag- und Abendessen, viel Wasser, kein Frühstück, keine Snacks. Beim Einkaufen achtet sie auf Qualität statt Kalorien, vor allem meidet sie, wenn immer möglich, Zucker. Und sie hat sich mit den Wechseljahren versöhnt: «Das gehört zum Frausein und ist eine natürliche Entwicklung.» Ihr Ziel ist es nicht, dünn zu sein – sondern sich im eigenen Körper wohlzufühlen und lange gesund zu bleiben. «Schlank heisst nicht gleich schön. Ich hatte immer eine kurvige Figur – und dagegen anzukämpfen, bringt nichts.»

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