Darum gehts
- Jaguars radikaler Kurswechsel führt zu Verkaufseinbruch und Führungswechsel
- Neues E-Modell verzögert sich bis 2026, US-Zölle und Cyberangriff belasten
- Jaguar Range Rover musste von britischer Regierung mit 1,5 Milliarden Pfund gerettet werden
Vor einem Jahr schockierte Jaguar mit einem radikalen Kurswechsel die Fans. Zuerst sorgte ein Werbeclip ohne Autos, aber mit umso mehr bunter Diversität für Hohn und Spott im Netz. Und dann wurde im Dezember der Elektro-Prototyp Type 00 in den Farben Pink und Hellblau an der hippen Miami Art Week vorgestellt.
Der Plan des damaligen Chefdesigners Gerry McGovern (69): Ein radikaler Bruch mit der Vergangenheit – passend zur neuen Strategie, künftig nur noch E-Autos zu bauen. Jaguar sollte eine Modemarke wie Hermès oder Gucci werden. Nur eben mit Elektroautos statt Handtaschen.
Verkäufe eingebrochen
Doch der grosse Neustart lief nicht so, wie sich das die Besitzer im indischen Mumbai – Jaguar Land Rover (JLR) gehört der Tata-Gruppe – vorgestellt haben. Denn nach dem Prototyp folgte die grosse Leere.
Die Produktion der bisherigen Modelle wurde eingestellt. Nur der F-Pace wird für manche Märkte noch bis Anfang 2026 gebaut. Die Folge: In Europa brachen die Verkäufe im April im Vergleich zum Vorjahresmonat um 97,5 Prozent ein.
Gleichzeitig lässt das neue E-Modell jedoch weiter auf sich warten. Jaguar wird das Auto erst 2026 präsentieren und nicht Ende 2025, wie ursprünglich mal angekündigt. Geplanter Verkaufsstart soll dann im nächsten Herbst sein.
US-Zölle und Cyberangriff
Zum Unvermögen gesellte sich in diesem Jahr auch noch Pech: Als sich der Spott über das Rebranding etwas gelegt hatte, trafen die neuen Zölle der US-Regierung die Autohersteller hart. Und im Sommer folgte ein Cyberangriff, der die JLR-Werke wochenlang lahmlegte. Die britische Regierung griff dem Autobauer mit 1,5 Milliarden Pfund (umgerechnet 1,6 Milliarden Franken) unter die Arme.
Zudem hat der Wind in den USA unter Präsident Donald Trump (79) gegen die Elektromobilität gedreht. Der wichtigste Zielmarkt von Jaguars neuer Strategie droht damit wegzubrechen. Und in China haben die Konsumenten nicht auf einen neuen Stromer gewartet, der laut Medienberichten bei rund 100'000 Pfund starten soll (umgerechnet 107'000 Franken).
CEO ist weg – und auch der Chefdesigner?
In der Chefetage rollen derweil die Köpfe. Die Misere kostete Jaguar-Land-Rover-CEO Adrian Mardell (63) den Job. Und wie das Fachblatt «Autocar India» Anfangs Monat berichtete, soll auch Designchef Gerry McGovern entlassen «und aus seinem Büro eskortiert» worden sein. Nachdem man bei JLR dazu lange geschwiegen hatte, wies letzten Freitag Jaguar Land Rover solche Berichte offiziell zurück und meldete, dass es nicht zutreffe, «dass wir das Arbeitsverhältnis von Gerry McGovern beendet haben». Und zu spekulativen Berichten wolle man sich nicht weiter äussern. Aber auch nicht bestätigen, dass der 69-Jährige weiterhin fürs Unternehmen tätig sei.
Dass die Marke überhaupt noch existiere, liege nur an ihrer Eingliederung in eine komplexe Unternehmensstruktur, schrieb die «Süddeutsche Zeitung» kürzlich. Sprich: Weil Land Rover in den letzten Jahren so erfolgreich war, ist die Bilanz von JLR gar nicht so schlecht.
Jaguar hingegen befand sich schon vor der Neuausrichtung im Niedergang. Doch das umstrittene Rebranding brachte bisher keine Wende, sondern hat den Fall noch beschleunigt. Inzwischen zeigt Jaguar den Prototyp auf der Webseite nicht mehr in Pink und Hellblau, sondern in den konservativeren Farben Dunkelblau und Rot. Ob die 90-jährige Traditionsmarke damit ihren 100. Geburtstag im Jahr 2035 noch erleben wird?