M-Way-Chefeinkäufer Marc Frey im Interview
«Ich finde dieses Wettrüsten bei den E-Bikes problematisch»

Im Interview erklärt M-Way-Chefeinkäufer Marc Frey, warum Schnäppchenjäger noch dieses Jahr ein E-Bike kaufen sollten, vielseitige statt günstige Modelle aktuell besonders nachgefragt sind und er den Trend zu immer stärkeren E-Motoren problematisch findet.
Publiziert: 06:19 Uhr
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Aktualisiert: 09:52 Uhr
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Marc Frey leitet das Category Management beim grössten Schweizer E-Bike-Anbieter M-Way. Im Gespräch mit Blick gibt er Einblicke in die E-Bike-Szene.
Foto: zVg

Darum gehts

  • Überangebot auf dem E-Bike-Markt führte die letzten eineinhalb Jahre zu massiven Rabatten
  • Leichtere E-Bikes mit kleineren Akkus und Motoren gewinnen an Beliebtheit
  • Durchschnittlicher Verkaufspreis für E-Bikes bei M-Way beträgt zwischen 3000 und 4500 Franken
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Blick: Herr Frey, auf der Website von M-Way sehe ich momentan sehr viele E-Bikes, die teils mit massiven Rabatten angeboten werden. Warum?
Marc Frey: Die vielen günstigen Modelle sind immer noch eine Nachwirkung der Corona-Pandemie. Damals gabs im Outdoor-Bereich, und damit auch bei den E-Bikes, einen gigantischen Boom und eine extrem hohe Nachfrage. Hinzu kamen Herausforderungen mit den Lieferketten, Schifffahrtswege waren blockiert, und die Händler haben Modelle in riesigen Stückzahlen bestellt, in der Hoffnung, dass sie überhaupt welche bekommen. Doch die Lieferanten hatten keine Kapazitäten, was letztlich zu massiven Lieferverzögerungen führte. Als der Grossteil der Ware Ende 2023 endlich da war, hatte die Nachfrage der Endverbraucher bereits wieder nachgelassen.

Weil die meisten ihr E-Bike schon hatten?
Genau. Und das Ergebnis war, dass beide Seiten – Hersteller und Händler – viel zu viele Modelle an Lager hatten. Die Lieferanten mussten schauen, dass sie die produzierte Ware loswerden, und zeitgleich hatte der Handel ebenfalls massive Überbestände. Und deshalb gibts seit rund eineinhalb Jahren diese teils extreme Rabattschlacht. Jeder in der Branche ging davon aus, dass sich die Situation 2025 wieder beruhige, weil Hersteller und Händler ihre Lagersituation wieder im Griff hätten ...

... aber?
Wir hatten 2024 ein sehr verregnetes erstes Halbjahr. Erst Mitte Juli gings mit konstantem Sonnenschein los. Dieses Jahr hatten wir im Juni eine grosse Hitzewelle. Das hat die Velobranche massiv gespürt. Die Leute haben keine Lust, ihre Bikes im Regen oder bei extremer Hitze abzuholen. Der Handel kaufte entsprechend zurückhaltend ein, worauf wiederum die Hersteller reagierten und weniger Bikes produzierten. Auf Lieferanten- wie auf Handelsseite gibts einige, die momentan ums Überleben kämpfen. Das eine oder andere Unternehmen, das sich nicht klar positioniert und spezialisiert hat und nur noch von den Reserven des Corona-Booms lebt, dürfte verschwinden. Andere werden grösser. Nächstes Jahr dürfte sich die Situation jedoch endlich normalisieren, mit weniger Verfügbarkeiten und stabiler Nachfrage. Dann werden auch die Rabatte wieder kleiner.

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Wer also ein Schnäppchen machen will, sollte noch dieses Jahr ein E-Bike kaufen?
Ja, wer preissensibel ist, sollte meiner Meinung nach jetzt zuschlagen. Die ganz grossen Schnäppchen wird es nächstes Jahr vermutlich nicht mehr geben.

Persönlich: Marc Frey

Bevor Marc Frey (44) im Frühjahr 2024 seine Stelle als Leiter Category Management des schweizweit führenden E-Bike-Anbieters M-Way antrat, arbeitete er fast sieben Jahre beim weltweit grössten Einkaufsverband für Sportartikel, Intersport International. Neben dem Einkauf der E-Bikes ist Frey auch für das operative Geschäft im Hintergrund verantwortlich, brieft das Marketingteam zu Trends und möglichen Aktionen und arbeitet im engen Austausch mit der Industrie und der M-Way-Geschäftsleitung.

Bevor Marc Frey (44) im Frühjahr 2024 seine Stelle als Leiter Category Management des schweizweit führenden E-Bike-Anbieters M-Way antrat, arbeitete er fast sieben Jahre beim weltweit grössten Einkaufsverband für Sportartikel, Intersport International. Neben dem Einkauf der E-Bikes ist Frey auch für das operative Geschäft im Hintergrund verantwortlich, brieft das Marketingteam zu Trends und möglichen Aktionen und arbeitet im engen Austausch mit der Industrie und der M-Way-Geschäftsleitung.

Wobei die Schweizer Kundinnen und Kunden nicht ganz so preissensibel sind wie andere Märkte. Was wird bei M-Way durchschnittlich für ein E-Bike ausgegeben?
Auch in der Schweiz sitzt der Franken nicht mehr ganz so locker. Die Kundschaft ist preissensibler geworden. Aktuell sind die Endverbraucher an Rabattaktionen gewöhnt, Stichwort «Geiz ist geil». Da herauszukommen, ist immer schwer. Trotzdem verkaufen wir die meisten Modelle im Bereich zwischen 3000 und 4500 Franken.

Wirklich günstige E-Bikes sind also nicht im Trend?
Klar gibts auch eine gewisse Nachfrage nach sehr günstigen Bikes. Doch auch da ging die Nachfrage nach dem Boom stark zurück. Besonders in der Schweiz möchte der Endverbraucher gerne das Neueste vom Neuen. Wenn etwa ein stärkerer Bosch-Motor wie der CX in diesem Jahr auf den Markt kommt, der zwar die gleiche Leistung wie der Vorgänger hat, aber gleichzeitig leiser, leichter und kompakter ist und von einem grösseren Akku versorgt wird, entscheiden sich viele dann doch für das neue, etwas teurere Modell – auch wenn das alte kaum weniger bietet.

Welche Modelle sind aktuell besonders gefragt?
Was momentan stark zulegt, sind vielseitig einsetzbare Modelle im Trekking-Bereich, ob mit Federgabel oder ohne, manche eher für die Stadt ausgelegt, andere für längere Touren. Die Grenzen im Segment sind fliessend. Klassische Citybikes nur für den urbanen Einsatz verlieren hingegen, genauso wie Mountainbikes ohne Motor – Letztere sogar massiv. Wobei auch die Verkaufszahlen bei den E-Mountainbikes zwar stabil sind, aber nicht ansteigen. Was aktuell besonders boomt, sind Gravelbikes – also die Mischung aus Rennrad und Mountainbike –, vor allem ohne Motor. Doch auch die Nachfrage nach Modellen mit E-Unterstützung steigt stetig.

Wieso Gravelbikes?
Das liegt an ihrer Variabilität. Es sind dynamische Bikes, mit denen man problemlos Waldwege und Berge hochfährt, die aber trotzdem mit Licht und Schutzblech ausgerüstet sein können und genug Platz für Taschen und andere Ausrüstung bieten. Die E-Varianten wiegen mit durchschnittlich 20 Kilo deutlich weniger als klassische E-Mountain- oder Trekkingbikes, die schnell 26 Kilo oder mehr auf die Waage bringen. Und das ermöglicht wiederum leichtere Motoren und kleinere Akkus.

Ist das ein allgemeiner Trend, dass die E-Bikes wieder an Gewicht verlieren?
Ganz klar, das ist die Zukunft. Bosch hat letztes Jahr den neuen Einstiegsmotor SX auf den Markt gebracht, der seine Leistung von einem relativ kleinen 400-Wattstunden-Akku bezieht. Doch 80 Kilometer schaffe ich auch mit dem. Denn weniger Gewicht bedeutet auch weniger Verbrauch. Und gleichzeitig ist die Fahrweise viel natürlicher und agiler, die 55 Nm des SX reichen völlig aus. Und das wird dann auch für Leute interessant, die bisher bio, also ohne Motor, unterwegs waren. Zum Beispiel für meine Frau: Sie ist sehr sportlich und fährt gerne und viel ihr «normales» Rad. Doch wir haben auch ein Gravel-E-Bike, das Moustache Dimanche: 21 Kilo, Bosch SX-Motor. Wenn sie einen Ausflug mit unseren beiden kleinen Kindern machen will, schnallt sie zwei volle Taschen ans Bike und macht den Anhänger dran. So haben wir kürzlich eine Tour im Berner Oberland gemacht und sind 500 Höhenmeter gefahren. Den Berg hoch hast du eine angenehme Unterstützung, in flachen Passagen brauchst du den E-Motor oft gar nicht. Und wer wirklich weit fahren will, kann zusätzlich einen Range Extender einsetzen. Der ist so gross wie eine Trinkflasche und bringt weitere 250 Wattstunden.

Sind noch stärkere Motoren und grössere Akkus in Zukunft gar kein Thema mehr?
Im Gegenteil. Im E-Bike-Bereich wird sehr viel über Motoren gesprochen. Wobei Bosch ganz klar der Marktführer ist. 2025 kam die neue Generation des stärksten CX-Performance-Motors auf den Markt. Mit 85 Nm hat er zwar die gleiche Leistung wie der Vorgänger, ist aber leichter, leiser und hat weniger Tretwiderstand. Gleichzeitig ist der Akku gewachsen, von 750 auf 800 Wattstunden – bei 500 Gramm weniger Gewicht. Und neuerdings kann man den Motor via App nicht nur personalisieren, sondern per Software-Update over-the-air sogar die Leistung hochschrauben: von 85 auf 100 Nm. Eine weitere Leistungssteigerung bei der zukünftigen Motorenentwicklung halte ich allerdings für problematisch.

Weshalb?
Es hat eine Art Wettrüsten begonnen. Bosch hat mit dem Leistungsupdate auf den Drohnenhersteller DJI reagiert, der kürzlich das komplett neue Antriebssystem Avinox herausgebracht hat – aktuell der Hype in der Branche. Es ist nicht nur extrem leicht und besitzt einen sehr schlanken 800-Wh-Akku mit extrem schneller Ladezeit, sondern hat mit 105 bis 120 Nm auch die grösste Leistung auf dem Markt. Ich kann mir vorstellen, dass da der Gesetzgeber irgendwann eingreifen und mit einer Limitierung der Leistung reagieren könnte. Weil so viel Leistung eigentlich gar nicht nötig ist.

Bosch scheint die Übermacht auf dem E-Bike-Markt zu sein. Haben andere Hersteller überhaupt noch eine Chance?
Bosch bietet halt Topqualität und Topservice – so wie auch Shimano. Händlerfreundlich, innovativ, robust – deshalb ist die Nachfrage massiv auf dem Markt. Es gibt diverse andere Hersteller mit tollen Systemen, aber wir müssen uns fokussieren. Je mehr Antriebssysteme, desto komplexer – mit dem Fokus auf nur wenige Hersteller können wir auch einen besseren Service bieten. Chancen für andere Unternehmen gibts eigentlich nur noch über Innovationen. Neben DJI mit ihrem Avinox-System ist auch die Motor Gear Unit MGU von Pinion aktuell ein grosses Thema. Motor und Getriebe sind dort in einem Gehäuse untergebracht. Es braucht keine Kassette, keine Kette – die Gänge werden automatisch eingelegt. Das System steckt zwar noch in den Kinderschuhen, aber darüber dürften sich auch die grossen Hersteller wie Bosch oder Shimano Gedanken machen. Die Entwicklung ist rasant.

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