Darum gehts
- Bugatti W16 Mistral ist das schnellste offene Auto der Welt
- Letzter Bugatti mit W16-Motor, Nachfolger kommt als Hybrid-Modell
- Mistral beschleunigt in 2,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h
Seit November 2024 ist der Bugatti W16 Mistral das schnellste offene Auto der Welt. Auf einer Teststrecke in Papenburg (D) schaffte Bugatti-Testfahrer Andy Wallace (64) offiziell beglaubigte 453,91 km/h!
Möglich machen dieses irrwitzige Spitzentempo für das offiziell für die Strasse zugelassene Auto ein Doppel-V-Motor mit acht Litern Hubraum und zwei VR8-Zylinderbänke (daher die Bezeichnung W16) sowie vier Turbolader. Dieses Motorkonzept wurde 2005 erstmals im Bugatti Veyron 16.4 vorgestellt, mit damals noch kaum vorstellbaren 1001 PS (736 kW). Inzwischen wurde das monumentale Triebwerk weiterentwickelt und dessen Leistung kontinuierlich, wie jetzt beim Mistral, auf schwindelerregende 1600 PS (1177 kW) gesteigert. Damit ist jetzt aber Schluss. Der Mistral ist der letzte Bugatti mit dem gigantischen W16-Motor im Heck. Die Homologation des noch von VW-Patriarch Ferdinand Piëch (1937–2019) initiierten Motors läuft nach 20 Jahren Bauzeit ab – und irgendwie passt das riesige Verbrennertriebwerk auch nicht mehr zum heutigen Zeitgeist.
Elektro-Zeitalter auch bei Bugatti
Wenig überraschend kommt das nächste Bugatti-Modell Tourbillon als Hybrid – mit 8,0-Liter-V16-Verbrenner und drei zusätzlichen Elektromotoren statt Turboladern. Der 2026 ab knapp vier Millionen Franken in den Handel kommende Supersportler bietet – Bugatti-like – natürlich wieder etwas mehr Leistung, nämlich 1800 PS (1324 kW) und soll nicht minder imposant klingen wie der Mistral. «Sound ist der Bugatti-Klientel wichtig», weiss Bruno Spengler (42), einst Rennprofi, DTM-Gewinner und heute als Testfahrer in Diensten von Bugatti. Der gebürtige Elsässer ist zwar in Kanada aufgewachsen, lebt heute aber wieder in der Nähe von Strassburg. Er ist bestens vertraut mit der Geschichte von Bugatti, aber auch der aktuellen Manufaktur im elsässischen Molsheim sowie dem Mistral – und natürlich der Entwicklung des kommenden Modells Tourbillon.
Spengler ist es auch, der mir vor meiner exklusiven Fahrt im Bugatti W16 Mistral eine kurze Einführung ins Fahrzeug gibt. Ein Dach existiert für den Zweisitzer beispielsweise nicht. Lediglich ein schirmähnliches Notverdeck, mit dem man aber nur maximal 150 km/h schnell fahren darf, weil es sonst zerfleddert. Lediglich ein Notdach? Speziell für ein Fahrzeug, das knapp sechs Millionen Euro kostet, nur 99 Mal gebaut wird, trotz des horrenden Preises aber bereits restlos ausverkauft ist. «Ausverkauft? Dann fahre ich ein Kundenauto?», will ich von Spengler wissen. Und mir rutscht beim Gedanken, dass ich dieses crashen könnte, das Herz in die Hose. Er lacht und versucht zu beruhigen: «Du fährst das letzte Entwicklungsfahrzeug, quasi das Modell 0 vor den 99 Kundenautos.»
Tatsächlich hat es schon über 8000 Kilometer auf dem Zähler. Spengler verrät: «Fast alle Bugatti-Neufahrzeuge haben zum Zeitpunkt der Kundenauslieferung rund 700 Kilometer auf dem Tacho.» Grund seien die vielen Abstimmungs- und Testkilometer, die jedes Fahrzeug absolvieren muss, ehe es an den Kunden geht. Da ich in früheren Jahren schon mal einen Bugatti Veyron und auch einen Chiron gefahren bin, ist mir die Bedienung im Mistral nicht ganz fremd. Schliesslich baut der Mistral auf dem Chiron Super Sport auf.
Nicht nur das Dach abgeschnitten
Dennoch musste der damalige Bugatti-Designchef Achim Anscheidt den Roadster quasi neu zeichnen. «Dem Chiron nur das Dach wegzunehmen, hätte ziemlich unpassende Proportionen ergeben», erklärt Spengler. Als Vorbild für den Mistral diente Anscheidt der Bugatti Type 57 Roadster Grand Raid aus dem Jahre 1934 – mit ebenfalls markant abgeschnitten wirkender, v-förmiger Windschutzscheibe. Beim Mistral geht sie optisch nahtlos in die Seitenscheiben über und formt so eine Art Visier, ähnlich wie bei eleganten Yachten. Die Lufteinlässe aus Kohlefaser für den Motor verlagerte der Designchef hinter die Kopfstützen. Sie tragen im Falle eines Überschlags das gesamte Fahrzeuggewicht, übertragen den Fahrzeugsound nach aussen und schlagen optisch erneut den Bogen zum Type 57, aber auch zum Veyron 16.4 Grand Sport, dem direkten Vorgänger des Mistral. Spengler weiss, dass diese Einlässe bei voller Leistung dem Motor pro Minute 70’000 Liter Luft zuführen.
Doch genug Theorie. Jetzt setze ich mich ans Steuer, Spengler auf den Beifahrersitz. Er sagt: «Du wirst sehen, das Auto fährt sich fast wie ein normaler VW Golf.» Nur klingt es nicht so. Was im Stand schon nach Supersportwagen klingt, wird beim Beschleunigen infernalisch. Das Ansauggeräusch des Acht-Liter-Motors, gefühlt direkt in meinem Genick, klingt wie der Start eines F35-Jets. Beifahrer Spengler grinst nur und ermutigt mich, mal kurz richtig aufs Gas zu treten. Was dabei passiert, lässt sich nur schwer beschreiben. Es presst mich in den Sitz und drückt mir den Magen hoch, als sässe ich auf der Bluefire im Europapark Rust. Erst fauchen zwei Turbolader, ab 3800 Umdrehungen setzen pfeifend Nummer 3 und 4 ein. Die Akustik ist infernalisch, der Vorwärtsdrang abartig: In 2,5 Sekunden gehts von 0 auf 100 – und in 13,1 Sekunden wären wir bereits 300 km/h schnell. Ich steige natürlich vorher vom Gas – und erschrecke erneut ob dem Rülpsen und Pfeifen der Turbolader-Auslassventile beim Anheben der Drosselklappen. Diese Akustik ist unbeschreiblich und kann süchtig machen.
Was den Mistral zusätzlich speziell macht, ist die Tatsache, dass sich seine 1600 PS auch ganz entspannt fahren lassen. Das war ja mitunter schon vor 20 Jahren eine Vorgabe Piëchs beim ersten W16-Bugatti: Er muss mindestens 1000 PS liefern, über 400 km/h schnell sein – und vor der Oper gut aussehen. Und tatsächlich fährt sich der 4,54 Meter lange, aber 2,04 Meter breite Mistral auch im Alltag ganz zivilisiert. Er federt, je nach gewähltem Fahrprogramm, durchaus komfortabel. Und bei allzu hohen Temposchwellen lässt sich die Fahrzeugnase anheben. Zum Schluss will ich noch wissen, wie hoch der Verbrauch des W16-Mistral ist. Offiziell gibt Bugatti einen Schnitt von 21,8 Litern an. Dann darf man aber nicht zu oft Bluefire auf der Strasse spielen.