Unsicherheit auf dem Occasionsmarkt
Sind teure Optionen in Neuwagen Wertvernichter?

Es herrscht grosse Unsicherheit auf dem Occasionsmarkt. Vor allem bei Premiummarken und Elektromodellen ist der Preiszerfall gross. Dazu kommt, dass viele beim Neuwagenkauf teuer bezahlte Optionen beim Wiederverkauf nichts mehr wert sind.
Publiziert: 06:20 Uhr
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Aktualisiert: 10:23 Uhr
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Der Wertverlust neuer Autos, vor allem von teuren Elektroautos wie zum Beispiel dem Porsche Taycan, ist gross.
Foto: Porsche Schweiz AG

Darum gehts

  • Der Wertverlust bei Neuwagen ist hoch, besonders bei E-Autos und Fahrzeugen mit viel Sonderausstattung.
  • Sonderausstattungen beeinflussen vor allem bei Premiummodellen den Restwert negativ.
  • Über 50 Prozent Wertverlust nach nur drei Jahren sind eher die Regel als die Ausnahme
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Raoul SchwinnenRedaktor Auto & Mobilität

Es ist kein Geheimnis: Der Wertverlust neuer Autos ist hoch. 50 Prozent nach nur drei Jahren sind heute eher die Regel als die Ausnahme. Und bei Elektroautos kann der Preiszerfall sogar noch deutlich höher ausfallen. So finden wir heute auf dem schweizweit grössten Online-PW-Marktplatz AutoScout24 den einst neu über 177’000 Franken teuren, rein elektrischen Porsche Taycan für durchschnittlich 89’300 Franken – das ist ein Wertverlust von 50,5 Prozent. Verantwortlich für diese Situation ist hauptsächlich das ständig wachsende Angebot neuer, technologisch laufend weiterentwickelter E-Modelle, die gleichzeitig preislich immer attraktiver werden. Kein Wunder, sagt Alberto Sanz de Lama, Managing Director bei AutoScout24: «Es ist eine grosse Unsicherheit betreffend Wertbeständigkeit auf dem Gebrauchtwagenmarkt spürbar.»

Was auffällt, sind die riesigen Preisunterschiede. Und zwar nicht nur beim Vergleich einzelner Modelle und Antriebsarten, sondern auch innerhalb einzelner Modellreihen. Grund dafür ist in vielen Fällen die Sonderausstattung. Denn je mehr Optionen beim Neuwagenkauf für das gewünschte Modell ausgewählt und bezahlt wurden, desto höher ist später beim Wiederverkauf der Wertverfall dieses Modells auf dem Occasionsmarkt.

Negativ: Premium mit viel Optionen

Besonders augenfällig wird dies bei Autos, die gemessen am Basispreis über unverhältnismässig viele Sonderoptionen verfügen. Es gibt Modelle – häufig von deutschen Premiumherstellern – bei denen fast ein Drittel des Fahrzeugpreises auf Sonderausstattungen entfällt. Beispiele aus unserer SonntagsBlick-Testwagengarage gefällig? Das Basismodell des Audi RS Q8 Performance kostet 180’600 Franken. Der von der SonntagsBlick-Autoredaktion gefahrene Testwagen verfügte über Sonderoptionen im Wert von zusätzlichen 46’941 Franken! Das Mercedes-AMG CLE 4Matic Cabrio kostet in der Basisausführung 110’700 Franken; bei unserem Testwagen kamen Optionen im Wert von 21’442 Franken dazu. BMW bietet sein Gran Coupé i4 xDrive40 ab 73’900 Franken an – bei unserem Testwagen erhöhte die Sonderausstattung den Preis um weitere 23’450 Franken.

Die gängige Praxis im Occasionshandel zeigt, dass höherpreisige Fahrzeuge wie die eben erwähnten Modelle per se schon stärker vom Katalogpreis abschreiben. Oft aber noch zusätzlich an Restwert verlieren, weil viele Occasionskundinnen nicht bereit sind, für Sonderausstattungen, die sie gar nicht wünschen, noch einen Aufpreis zu bezahlen.

SonntagsBlick liess vom Informationsdienst Auto-i-dat folgende Berechnung machen: Ein Mercedes C300 Avantgarde 4matic zum Neupreis von 69’200 Franken erzielt im Verkauf nach zweieinhalb Jahren und rund 40’000 gefahrenen Kilometern noch rund 40’000 Franken beziehungsweise 57 Prozent seines Listenpreises. Das genau gleiche Modell, aufgerüstet mit Optionen im Wert von 26’944 Franken und somit neu total 96’144 Franken teuer, löst nach der gleichen Laufzeit nur noch rund 51’000 Franken. Es bleibt ein Restwert von 53 Prozent.

Zum Vergleich: Ein VW Polo GTI mit einem Basispreis von 35’800 Franken und Optionen im Wert von zusätzlichen 8130 Franken erzielt nach dreieinhalb Jahren und rund 54’000 Kilometern im Occasionshandel noch rund 24’500 Franken oder 55,8 Prozent Restwert. Dasselbe Modell ohne Sonderausstattung kommt auf 21’500 Franken, also 60,1 Prozent Restwert. René Mitteregger, Produktmanager von Auto-i-dat, gibt allerdings zu bedenken: «Die Optionen des Polo beinhalten unter anderem für 2500 Franken ein Servicepaket für vier Jahre oder 100’000 Kilometer, Räder inklusive, was in unserem Fall, bei einem dreieinhalbjährigen Occasion, natürlich nur noch einen sehr geringen Wert hat.»

Wie stark der Wertverlust von Sonderausstattung ausfällt, lässt sich nicht generell sagen und hängt immer auch vom individuellen Fahrzeug ab. Ein paar Richtwerte gibts allerdings schon: Am wertstabilsten sind neben Automatikgetriebe, Klimaanlage und Lederausstattung Optionen, die der Sicherheit dienen. Also Fahr- oder Parkassistenten und praktische Gadgets wie Anhängerkupplung oder Glasschiebedach. Ausstattung ohne direkten praktischen Nutzen wie etwa beleuchtete Einstiegsschwellen ist bei den meisten Occasionskäufern wenig gefragt. Das gilt übrigens auch für zu viel Elektronik-Schnickschnack, der mit zunehmendem Alter sowieso störungsanfällig wird.

Vorsicht bei «Functions on demand»

Mit dem Technikfortschritt kündigt sich aber auch beim Thema Sonderausstattung ein Umbruch an. Denn immer mehr Hersteller bieten ihre Neufahrzeuge mit optional buchbaren Funktionen, sogenannten «Functions on demand», an. Dieser Umstand kann den Restwert eines Autos senken. Denn Gebrauchtwagenkäufer sind selten gewillt, wenn sie die Wahl zwischen zwei identischen Fahrzeugen haben, mehr für jenes Modell zu zahlen, das kostenpflichtig die Möglichkeit bietet, weitere Funktionen freizuschalten – die man vielleicht nicht einmal benötigt oder haben möchte. Zudem wichtig, dass sich die «Functions on demand» auf das Fahrzeug und nicht den Halter beziehen, sonst gehen sie beim Halterwechsel verloren. Ähnliches gilt auch für weitere «Goodies», die häufig an den ersten Käufer gebunden sind, etwa das kostenfreie Laden an DC-Schnellladern für Teslafahrer. «Das gilt jeweils nur für den Erstbesitzer», warnt Experte René Mitteregger.

Damit könnte das Thema Sonderausstattung über kurz oder lang zu einem Geschäftszweig werden, der für die Autohersteller an Attraktivität verliert. Für die Branche düstere Aussichten: Zu den weiter eher schleppend verlaufenden E-Auto-Verkaufszahlen und weniger Einnahmen durch Wartung und Service würde somit auch das Geschäft mit den einst lukrativen Optionen wegfallen.

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