Porsche-Ikonen 959 und Carrera GT
Aus der Not und Macht der Stärke geboren

Zwei Traumautos von Porsche. Zwei komplett unterschiedliche Ausgangslagen. Mit 20 Jahren Abstand waren der Porsche 959 und der Carrera GT die Leuchtturmmodelle ihrer Zeit. Ein kleiner Rückblick in die Porsche-Historie.
Publiziert: 11:01 Uhr
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Porsche 959 (vorne) und Carrera GT (hinten) – zwei Leuchtturmprojekte von Porsche mit komplett unterschiedlichen Ausgangslagen.
Foto: ZVG.
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Ramon EggerFreier Mitarbeiter für Auto & Mobilität

Es sah Ende der 1970er-Jahre nicht gut aus für Porsche. Der deutsche Sportwagenhersteller war wirtschaftlich angeschlagen. Die Verkaufszahlen stagnierten, auf dem wichtigen US-Markt drohten strengere Abgasnormen, der 911 war in die Jahre gekommen und die neuen 924 und 928 nicht so erfolgreich wie erhofft. Dazu kamen interne Machtkämpfe. Ernst Fuhrmann (1918–1995), seit 1972 Vorstandsvorsitzender, wollte den 911er – und damit den ikonischen Heckantrieb mit Boxermotor – auslaufen lassen und die Zukunft den Transaxle-Baureihen überlassen. Doch Ferry Porsche (1909–1998) selbst hielt am Heckmotor fest – und mit ihm Technikchef Helmuth Bott (1925–1994), der wusste, dass die Seele des Hauses mit dem 911er stand oder fiel.

1980 übernahm Peter W. Schutz (1930–2017) das Amt des Vorstandsvorsitzenden. Der Deutsch-Amerikaner hielt am 911er fest, stellte klar, dass er mindestens bis zum Jahr 2000 weitergebaut würde. Und Schutz wusste auch, dass Porsche ein Leuchtturmprojekt benötigte. So beauftragte er Bott mitten in der Krise mit der Entwicklung eines 911er mit Allradantrieb. Stärker, schneller, komplexer als alles zuvor. Was als Homologationsfahrzeug für die Rallye-Weltmeisterschaft startete, mündete in einem Supersportwagen, der 1983 auf der IAA Frankfurt vorgestellt wurde: dem Porsche 959.

Das schnellste Serienauto der Welt

Der 959 war ein rollender Technologieträger. Sein 2,85-Liter-Boxermotor leistete 450 PS dank einer zweistufigen Registerturboaufladung, die das berüchtigte Turboloch eliminierte. Die Kraft wurde über ein 6-Gang-Getriebe und ein komplexes Allradsystem verteilt, das permanent die Drehmomentverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse regelte. Hinzu kamen ein Fahrwerk, das in Höhe und Härte verstellbar war und ein Reifendruck-Kontrollsystem. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 317 km/h war der 959 bei seiner Erscheinung 1986 das schnellste Serienauto der Welt. All das vereint in einer Karosserie, die zwar optisch noch als 911 zu erkennen war, die aber schon Designmerkmale der kommenden Modellgeneration vorwegnahm.

Und dann gab es noch den 959 S. 29 Mal gebaut, verzichtete dieser auf Klimaanlage und Niveauregulierung – der Motor leistete dafür dank grösseren Turboladern und mehr Ladedruck imposante 515 PS, die Höchstgeschwindigkeit lag bei 339 km/h. Das war vor 40 Jahren beeindruckend. Und ist es auch heute noch. Auch vier Jahrzehnte nach seiner Markteinführung fühlt sich der 959 alles andere als alt an. Natürlich: Wenn bei 5000/min der zweite, grosse Turbolader schlagartig einsetzt, ist das brachial. Das geht heute sanfter – flüssiger. Aber abgesehen davon, ist der 959 ein Sportwagen wie aus dem Bilderbuch, sprintet in 3,7 Sekunden auf Tempo 100. Angefahren wird nicht im ersten Gang, sondern im «Geländegang». Ein Trick, um die US-Lärmvorschriften zu erfüllen, die im zweiten Gang gemessen wurden. Indem man die gesamte Getriebeabstufung künstlich um einen Gang nach oben verschob, konnte der Test im dritten Gang absolviert werden.

An Auktionen werden 959er-Modelle heute zu Preisen von bis zu zwei Millionen Franken gehandelt. Doch Porsche machte mit dem 959 keinen Gewinn. Mit den 420’000 Mark, für die man das Auto damals verkaufte, waren noch nicht einmal die Produktionskosten gedeckt, geschweige denn die Entwicklung. Offiziell wurden 292 Exemplare des 959 gebaut – und jedes einzelne davon war ein Verlustgeschäft. Aber ein nötiges, brachte es den Sportwagenhersteller, der in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden drohte, wieder zurück ins Rampenlicht.

Strassenrenner mit Le-Mans-Motor

Und die Wende gelang. Unter Vorstandschef Wendelin Wiedeking (feiert heute seinen 74. Geburtstag!), der 1993 übernahm, vollzog Porsche eine Kehrtwende. Sanierung, eine breitere Modellpalette und schliesslich der SUV Cayenne, der Porsche in neue finanzielle Dimensionen führte. Mitte der 2000er-Jahre war Porsche so stark, dass man sogar plante, den Volkswagen-Konzern komplett zu übernehmen. In diesem Umfeld entstand 2003 der Carrera GT. 20 Jahre nach dem 959 hatte Porsche sein nächstes Leuchtturmprojekt. Dieses Mal aber nicht aus der Not geboren, sondern aus einer Position der Stärke, als Ausdruck des Selbstbewusstseins.

Der V10-Saugmotor mit 5,7 Litern Hubraum leistete 612 PS und war ursprünglich für den Einsatz bei den 24 Stunden von Le Mans vorgesehen. Die Kraft wird über eine Mehrscheibenkupplung an das handgeschaltete 6-Gang-Getriebe abgegeben. Auch das Monocoquechassis und der Motorenträger, beide komplett aus Kohlefaser, wurden aus dem Le-Mans-Prototyp ins Serienfahrzeug übernommen. Das Auto fuhr und fährt sich genauso radikal puristisch, wie es sich anhört. Elektronische Fahrhilfen gibts kaum, die Lenkung ist direkt und präzise, das Gaspedal sensibel. Wer beim Anfahren nicht sorgfältig mit Kupplung und Gas umgeht, würgt unweigerlich den Motor ab. Aber läuft er mal, dann läuft er richtig. 330 km/h Spitze und 0 bis 100 km/h in 3,9 Sekunden – mit dem Carrera GT spielte Porsche Mitte der Nullerjahre in der Liga der Supersportwagen mit. Ganz untypisch für Porsche kreischt der V10 ähnlich schrill wie ein F1-Bolide – und zwar bis zum Drehzahlbegrenzer bei 8400/min. Und so wurde auch der Porsche Carrera GT zum Traumwagen einer ganzen Generation – genauso wie rund 20 Jahre zuvor schon der 959.

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