Vom Buddy zum Ballast
Lässt Trump Benjamin Netanyahu fallen?

Sie galten als unzertrennlich: Donald Trump und Benjamin Netanyahu. Doch nun geht der US-Präsident demonstrativ auf Distanz – und lässt Israels Premier im Gaza-Chaos allein zurück. Ist das das Ende einer politischen Männerfreundschaft? Eine Analyse.
Publiziert: 21.05.2025 um 20:47 Uhr
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Aktualisiert: 03:47 Uhr
Von Partnern zu Gegnern? Trump und Netanyahu im Gespräch – doch hinter den Kulissen bröckelt die Beziehung.
Foto: Getty Images

Darum gehts

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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Einst waren sie ein unzertrennliches Duo der internationalen Politik: Donald Trump (78) und Benjamin «Bibi» Netanyahu (75) – beide rechtspopulistisch, machtorientiert, kompromissscheu. Doch nun deutet alles auf eine politische Trennung hin. Trump hat auf seiner jüngsten Nahostreise demonstrativ einen Bogen um Israel gemacht – und damit ein starkes Zeichen gesetzt: Die goldene Sonderstellung Israels in der US-Aussenpolitik wackelt. Und Netanyahu steht plötzlich allein da. Warum?

Die Signale sind unübersehbar. Statt Netanyahu besucht Trump im Mai Saudi-Arabien, Katar und die Emirate, verkündet Waffendeals in Höhe von 142 Milliarden Dollar und verspricht Investitionen von weiteren 600 Milliarden. Währenddessen feuern am 4. Mai Huthi-Rebellen eine Rakete auf den Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv – zwei Tage später meldet Trump stolz einen Waffenstillstand mit ebendiesen vom Iran gestützten Milizen. Israel? Nicht einbezogen.

Auch bei der Geiselbefreiung eines US-israelischen Soldaten handelt Trump eigenständig. Edan Alexander, entführt am 7. Oktober von der Hamas, kommt Mitte Mai frei – durch geheime Verhandlungen der USA mit der Hamas. Ohne Koordination mit Jerusalem. Für die israelische Presse ist klar: Das war ganz allein Trumps Werk.

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Israels Premier Benjamin Netanyahu steht zunehmend isoliert da.
Foto: Getty Images

Netanyahu will Krieg, Trump will Ruhe

Was ist passiert zwischen den einstigen politischen Seelenverwandten? Trump hat sich verändert – und Netanyahu nicht. Der US-Präsident will den Krieg in Gaza beenden, Hilfslieferungen sichern, ein neues Gleichgewicht in der Region schaffen. Er will Deals, Resultate, Kontrolle. Netanyahu hingegen setzt weiter auf Eskalation und Maximalforderungen – ohne erkennbaren Plan für die Zeit danach. Für Trump ist das ein Problem. Denn Chaos lässt sich nicht vermarkten.

Intern wird Trumps Unmut immer lauter. Bilder hungernder Kinder in Gaza machen ihm laut Beratern zu schaffen, wie die «New York Times» berichtet. Die humanitäre Krise torpediert sein Image als pragmatischer Friedensstifter. Deshalb drängt er Netanyahu zu einem Waffenstillstand – und verhandelt, wo nötig, an ihm vorbei. In Israel wird das zunehmend als Brüskierung verstanden.

Der Wind in den USA dreht

Dabei war die Beziehung lange eng. Netanyahu nannte Trump einst «den besten Freund, den Israel je im Weissen Haus hatte». Trump erkannte die Golanhöhen an, verlegte die US-Botschaft nach Jerusalem. Doch seit dem Frühjahr knirscht es gewaltig. Im April überraschte Trump Netanyahu mit dem Plan, wieder direkt mit dem Iran über dessen Atomprogramm zu sprechen.

Das Machtzentrum in der US-Nahostpolitik verschiebt sich – weg von Tel Aviv, hin zu Riad und Doha. Trump bleibt zwar offiziell ein Freund Israels – doch die Beziehung hat Risse. Tiefe. Und womöglich dauerhafte. Auch, weil sich die Stimmung in den USA verändert: Laut einer aktuellen Gallup-Umfrage unterstützen nur noch 46 Prozent der Amerikaner Israel – ein historisches Tief. Besonders bei jungen Republikanern wächst die Distanz. Und Trump hört genau hin.

Für Netanyahu ist das doppelt bitter. Seine Macht hängt an einer rechtsradikalen Koalition, die ein Ende des Gazakriegs ablehnt. Doch je länger der Krieg dauert, desto ungeduldiger wird Washington. Trumps Geduld scheint aufgebraucht – und mit ihr auch die jahrzehntelange Sonderrolle Netanyahus. Der Bruch ist – noch – nicht offiziell. Und wer Trump kennt, weiss: Wer ihm im Weg steht, wird aus dem Spiel genommen. Auch ein alter Freund.

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