Vier Szenarien aus dem Krieg
Wird 2025 das Jahr, in dem der Ukraine-Krieg beendet wird?

Einiges deutet darauf hin, dass der Ukraine-Krieg unter Donald Trump als US-Präsident bald Geschichte ist. Aber zu welchem Preis? Vier Szenarien, die 2025 Realität werden könnten.
Publiziert: 28.12.2024 um 19:15 Uhr
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Aktualisiert: 28.12.2024 um 19:19 Uhr
Wie geht es 2025 im Ukraine-Krieg weiter? Der künftige US-Präsident Donald Trump (r.) könnte bei dieser Frage eine wichtige Rolle spielen.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Ukraine-Krieg: Mögliche Szenarien für 2025 mit Trump als US-Präsident
  • Trump könnte Verhandlungslösung forcieren oder Ukraine-Hilfe beenden
  • Europas Unterstützung: Nur 650'000 Artilleriegeschosse geliefert, weit unter Bedarf
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Die Lage der Ukraine ist zum Jahresende desolat: Die russischen Truppen bombardieren unerlässlich wichtige Infrastruktur, machen Fortschritte in strategisch wichtigen Regionen und auch die russische Region Kursk wurde beinahe vollständig wieder zurückerobert. Trotzdem kämpfen die ukrainischen Truppen weiter. Was wird das neue Jahr für den Ukraine-Krieg bringen?

Es gibt immer mehr Indizien dafür, dass der Krieg im neuen Jahr sein Ende finden wird. In Europa steigt die Kriegsmüdigkeit, beide Kriegsparteien haben mit schwindenden Ressourcen zu kämpfen. Auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) sagte beispielsweise vor wenigen Wochen, dass er alles tun wird, damit der Krieg 2025 «auf diplomatischem Wege» beendet wird. Für ein solches Ende gibt es mehrere mögliche Szenarien. Eine Schlüsselperson in allen: der künftige US-Präsident Donald Trump (78).

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Trump gelingt die Verhandlungslösung

Donald Trump, der ab Januar 2025 als Präsident der USA amtiert, hat deutlich gemacht, dass er die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch bringen will. Mitte Dezember erklärte er: «Die Ukraine muss bereit sein, Kompromisse einzugehen.» In einem ersten Schritt will Trump Kriegshandlungen einstellen und erst in einem zweiten Schritt diplomatische Lösungen erarbeiten – wie genau diese Lösungen aussehen, ist noch unklar. Der Ukraine werden dafür weitere Waffenlieferungen und Sicherheitsgarantien versprochen, Russland soll der Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt und die Lockerung von Sanktionen in Aussicht gestellt werden.

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Zum Jahresende sieht es nicht gut aus für die Ukraine – sie verliert an vielen wichtigen Fronten.
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Für beide Seiten wäre dies eine schwierige Entscheidung: Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) müsste möglicherweise Gebietsverluste akzeptieren, während Kremlchef Wladimir Putin (72) seinen Traum vom «totalen Sieg» aufgeben müsste. Besonders brisant wäre der Status der Krim und des Donbass, die wohl weiterhin unter russischer Kontrolle blieben.

Wie wahrscheinlich ist dieses Szenario? Es wird sich zeigen, wie viel Gewicht Trumps Worte bei Selenski und Putin haben werden – oder wie wahr Trump seine Drohungen macht.

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Die USA drehen der Ukraine den Geldhahn zu

Trump kündigte bereits an, dass er die finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine beenden würde, falls diese sich nicht auf Verhandlungen einlässt. Ein solcher Schritt würde gravierende Konsequenzen haben. Die Ukraine wäre zudem noch abhängiger von Europa.

Allerdings hat Europa in der Vergangenheit Schwierigkeiten gezeigt, seine Zusagen zu erfüllen. Beispielsweise wurden in diesem Jahr lediglich 650'000 Artilleriegeschosse geliefert, weit weniger als benötigt. Nordkorea hingegen hat Russland mindestens doppelt so viele Geschosse bereitgestellt, wie die «Deutsche Welle» berichtete. Heisst: Ohne amerikanische Hilfe wäre die Ukraine kaum in der Lage, ihre Verteidigung aufrechtzuerhalten. Somit wäre ein militärischer Sieg Russlands wahrscheinlich.

Auch hier ist unklar, wie ernst Trumps Aussagen zu nehmen sind. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass die Ukraine weniger Unterstützung aus den USA erhalten wird, sobald Trump sein Amt antritt.

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Der «Frozen Conflict» – kein Ende in Sicht

Ein «eingefrorener Konflikt» würde zwar die Kämpfe stoppen, aber keine langfristige Lösung bringen. Dieses Szenario tritt mit grosser Wahrscheinlichkeit dann ein, wenn eine Verhandlungslösung erreicht wurde – aber weitere, diplomatische Schritte nicht umgesetzt werden.

Zudem ist die Sorge in Expertenkreisen gross, dass Kremlchef Putin einen Stillstand nutzen würde, um seine Truppen auf einen neuen Angriff vorzubereiten. Die Ukraine müsste weiterhin hohe Verteidigungsausgaben tragen. Die Angst vor einem erneut ausbrechenden Konflikt wäre allgegenwärtig.

Allerdings ist der eingefrorene Konflikt das wahrscheinlichste Szenario für das kommende Jahr – auch wenn es kein richtiges Kriegsende bedeuten würde.

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Ist ein ukrainischer Sieg möglich?

Für einen ukrainischen Sieg bräuchte es optimale Bedingungen: Europa müsste seine Unterstützung für die Ukraine verstärken, wozu sich der Kontinent aktuell nicht bereit zeigt. Und auch wenn Europa der Ukraine plötzlich mehr Waffen und Geld liefern würde, gibt es einen weiteren wichtigen Faktor: die USA. Ohne die USA ist ein ukrainischer Sieg praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Das geht aus einer Studie der britischen Denkfabrik «The Chatham House» hervor, die mögliche Szenarien für ein Kriegsende herausarbeitete.

Doch was würde nach einem ukrainischen Sieg passieren? Die besetzten Gebiete müssten laut dieser Studie wieder eingegliedert, die Korruption bekämpft und die Wirtschaft stabilisiert werden. Ein Sieg würde die Moral der Ukrainer stärken und ihre EU-Integration beschleunigen, aber die Herausforderungen blieben gewaltig. Zudem machte Putin wiederholt klar, dass er einen EU- oder Nato-Beitritt der Ukraine nicht akzeptieren werde.

Dieses Szenario ist also sehr unwahrscheinlich – wenn auch von den westlichen Alliierten am meisten gewünscht.

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