Sie ist für viele im Alltag gar nicht wegzudenken: Milch gehört einfach dazu. Schon seit Jahrhunderten trinken und nutzen wir die Muttermilch von Kühen. Nur: Wir Menschen konnten sie für sehr lange Zeit gar nicht verdauen. Getrunken haben sie die Milch trotzdem.
Wie der «Spiegel» berichtet, sind Forschende jetzt in einer neuen Studie der Frage nachgegangen, warum Menschen trotz Blähungen und Magenkrämpfe weiter Milch tranken. Die Studie mit dem Titel «Milchwirtschaft, Krankheiten und die Entwicklung der Laktosepersistenz in Europa» zeigt: Rund 5000 Jahre lang tranken Europäer Milch, ohne sie richtig verdauen zu können.
Milch ist sehr nahrhaft, beinhaltet viel Eiweiss und hat sogar mehr Kalorien als ein Glas Cola. Nicht umsonst gilt Milch deshalb als Nahrungsmittel und nicht als Getränk. Für einige ist der Verzehr von Milch allerdings problematischer als für andere. Bei Menschen, denen das Enzym Lactase fehlt, die also an einer Laktoseintoleranz leiden, übernehmen Bakterien im Darm die Verarbeitung. Die Folge: Blähungen, Krämpfe und Durchfall.
DNA der vergangenen 10'000 Jahre untersucht
Dabei haben eigentlich nur Babys Lactase. Kein Wunder: Sie müssen ja die Muttermilch verarbeiten können. Doch im Alter von fünf Jahren nimmt die Lactase im Körper ab. Das Kind kann schliesslich dann auch andere Nahrung aufnehmen und verdauen. Trotzdem können seit etwa 5000 Jahren die meisten Menschen in Europa ohne Beschwerden Milch trinken. Wie das?
Die Studie bringt hier ein wenig Licht ins Dunkel. Die rund 100 Wissenschaftler identifizierten 6899 Tierfette auf 13'181 Tonscherben aus 550 Ausgrabungsstätten. Dazu untersuchten sie die DNA von 1786 menschlichen Überresten der vergangenen 10'000 Jahre.
Und tatsächlich: Sie wurden fündig. Demnach sollen Europäer schon kurz nach dem Aufkommen der Viehhaltung vor ungefähr 10'000 Jahren begonnen haben, nebst dem Fleisch auch die Milch der Tiere zu sich zu nehmen. Und das, obwohl ihnen das Enzym fehlte. Erste Zeichen für die Lactase bei Erwachsenen wurden erst nach der Bronzezeit festgestellt. Also etwa vor 4000 bis 5000 Jahren.
Gerade für geschwächte Menschen konnte es gefährlich werden
Das bedeutet aber nicht, dass unsere Vorfahren sich Tausende Jahre mit Blähungen, Krämpfen und Durchfall quälen mussten, wenn sie Milch konsumierten. Die Forschenden gehen davon aus, dass die meisten zwar nach dem Milchkonsum an solchen Beschwerden litten, jedoch keine allzu grossen Schmerzen hatten.
Kurz gesagt: Laktoseintoleranz führt zwar bei gesunden Menschen zu Blähungen, jedoch sind die Folgen nicht allzu dramatisch.
Für geschwächte Menschen konnte das aber damals durchaus anders aussehen. Vor allem bei Hungersnöten und grossen Krankheitsausbrüchen hatten laktoseintolerante Menschen oft das Nachsehen. Sie wurden durch den Durchfall nämlich oft zusätzlich geschwächt und konnten schliesslich daran auch sterben. Dadurch, so nehmen die Wissenschaftler an, konnte sich die Milchverträglichkeit durchsetzen. Die mit dem Enzym Lactase überlebten eher als die Menschen ohne. (ced)