Stürzt neue Protestwelle das Land ins Chaos?
Frankreich droht «ein schwarzer Tag»

Frankreich steht vor einem «schwarzen Tag»: Gewerkschaften rufen landesweit zu Streiks und Protesten auf. Um konkrete Massnahmen geht es nicht. Die Lage ist angespannt.
Publiziert: 15:14 Uhr
|
Aktualisiert: 16:15 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/6
In den nächsten Tagen werden viele französische Polizisten zusammengezogen.
Foto: IMAGO/ABACAPRESS

Die französischen Gewerkschaften sprechen bereits von einem «schwarzen Tag»: Für Donnerstag haben mehrere Organisationen zu Streiks und Protestaktionen im ganzen Land aufgerufen. Der Tag stand schon fest, als die alte Regierung unter Premierminister François Bayrou (74) noch im Amt war, die drastische Sparmassnahmen angekündigt hatte. Inzwischen ist Bayrou gestürzt, doch die Wut vieler Menschen ist nicht abgeflaut – im Gegenteil. Manche rechnen mit dem Entstehen einer grösseren Protestwelle.

Nach ersten Einschätzungen werden sich zahlreiche Arbeitnehmer an den Protestaktionen beteiligen und dadurch das öffentliche Leben teilweise lahmlegen. Sicherheitskräfte rechnen laut einem Bericht der Zeitung «Le Figaro» mit etwa 900'000 Demonstrierenden und bis zu 8000 potenziellen Randalierern. Bislang sind landesweit mehr als 250 Demonstrationen angemeldet.

Geschlossene Schulen, angekündigte Lastwagen-Blockaden

Etwa ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer wollen streiken, in Paris bleiben 90 Schulen geschlossen. Zahlreiche Regionalzüge sollen ausfallen. Von den Hochgeschwindigkeitszügen sind lediglich zehn Prozent betroffen. In Paris fallen zahlreiche U-Bahnen und Vorortzüge aus, sodass die Regierung empfiehlt, wenn möglich von zu Hause aus zu arbeiten.

Voraussichtlich wird es bereits am frühen Morgen Lastwagen-Blockaden an Mautstellen geben, die wiederum längere Staus nach sich ziehen dürften. Lediglich die Fluglotsen hatten ihren Streikaufruf zurückgezogen – weil die geschäftsführende Regierung ihrer Ansicht nach kein geeigneter Adressat sei. Es gibt jedoch Streikaufrufe bei Air France und beim Bodenpersonal, die den Flugverkehr beeinträchtigen könnten.

Bereits am 10. September hatte es in Frankreich landesweit zahlreiche Protestaktionen gegeben – die jedoch nicht von den Gewerkschaften ausgingen, sondern auf einem Blockade-Aufruf basierten, der sich in Onlinediensten verbreitet hatte. Nun bestehen Befürchtungen, dass beide Protestgruppen sich gegenseitig bestärken und zu einer Bewegung werden, die den Protesten der sogenannten Gelbwesten gegen die Regierung von 2019 ähnelt.

Chaos erwartet

Die letzten grossen Protestaktionen in Frankreich hatten sich 2023 gegen die umstrittene Rentenreform gerichtet, die das Rentenalter von 62 auf 64 Jahre angehoben hat. Auf deren Höhepunkt waren mehr als eine Million Menschen auf die Strasse gegangen.

Am Donnerstag geht es nicht um konkrete Massnahmen – denn der neue Premierminister Sébastien Lecornu hat bislang weder eine Regierung zusammengestellt noch einen konkreten Haushaltsentwurf vorgelegt. Doch es ist absehbar, dass die künftige Regierung etwas unternehmen muss, um Frankreichs Finanzen zu sanieren.

Lecornu hatte am Wochenende angekündigt, auf die von seinem Vorgänger angekündigte Streichung von zwei Feiertagen zu verzichten. Diese Massnahme hatte besonders viel Unmut ausgelöst.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Meistgelesen