«Das war wohl der berühmte Overkill»
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Experte glaubte an Trump-Sieg:«Das war wohl der berühmte Overkill»

Schweizer Experten glaubten an Trump-Sieg – und rechtfertigen sich:
«Das war wohl der berühmte Overkill»

Der Berner Forscher Christoph Glauser wurde 2016 berühmt, weil er Trumps Wahlsieg richtig vorausgesehen hatte. Dieses Jahr tippte er auch auf den US-Präsidenten. Und lag daneben.
Publiziert: 11.11.2020 um 10:45 Uhr
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Aktualisiert: 11.11.2020 um 14:54 Uhr
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Als Polit-Aussenseiter schaffte Donald Trump 2016 überraschend den Sieg.
Foto: DUKAS

Vor vier Jahren lag Christoph Glauser (56) richtig – als einer der wenigen. Der Schweizer hatte Trumps Sieg vorausgesagt. Der Berner Forscher und sein Team hatte Daten von Social Media und Suchanfragen ausgewertet. Und festgestellt, dass der Aussenseiter digital viel mehr Aufmerksamkeit bekam als Hillary Clinton (56).

Auch 2020 setzte er wieder auf Donald Trump. «Diesmal ist es noch viel klarer», sagte er vor den Medien im September. Und lag komplett daneben.

Herausforderer Joe Biden (77) liegt nach bisherigem Stand der Auszählung nicht nur rund fünf Millionen Stimmen vor dem Amtsinhaber, sondern knackte auch locker die notwendige Zielmarke von 270 Wahlleute-Stimmen.

BLICK will wissen: Wie kann das sein, Herr Glauser?

«Dieses Jahr gabs unberechenbare Einflüsse»

«Das Wahlsystem generell und die Briefwahl in diesem Jahr waren unberechenbare Einflüsse», erklärt der Politologe nun seine falsche Prognose. Und: «Wir haben ja nur gesagt, dass Trump in der digitalen Kampagne sehr stark voraus war und viel sichtbarer als Biden.»

Der Forscher vom Berner Institut für Angewandte Argumentenforschung (IFAA) ist auch Gründer von «ArgYou» – einem nach eigenen Angaben weltweit führenden Unternehmen im Bereich Online-Wirkungs-Forschung. Für die Studie zum US-Wahlkampf wertete er mit Computerwissenschaftlern der Uni Neuenburg Daten von 247 Millionen Internetnutzern in den USA aus.

Auf drei Stufen haben die Experten den US-Wahlkampf analysiert: das Suchvolumen, Twitter und die offiziellen Kampagnenwebsites. Ihre steile These war: Online-Aufmerksamkeit ist alles. Das helfe, dass sich Leute überhaupt mit den Kandidaten auseinandersetzten, erklärte Glauser damals – darum würden auch die zahlreichen Skandale Trumps Chancen nicht mindern, sondern eher noch erhöhen. Eine These, die mit Blick auf den Wahlausgang in den USA nun aber sehr fragwürdig ist.

Biden holte im Schlussspurt auf

Was man den Schweizer Forschern allerdings zugutehalten muss: Trump hat nicht direkt «verloren». Im Gegensatz zu 2016 bekam er bei dieser Präsidentschaftswahl sogar mindestens neun Millionen Stimmen mehr. Biden schaffte beim sogenannten «popular vote» allerdings noch mal rund zwei Millionen Stimmen mehr Differenz zu Trump als damals Hillary Clinton. Auch die hatte damals eine Stimmenmehrheit erhalten, unterlag wegen des komplizierten US-Wahlsystems aber schlussendlich, weil sie nicht genügend Elektoren-Stimmen auf sich vereinen konnte.

«Der wahre Gewinner in diesem Jahr ist die Wahlbeteiligung», sagt Glauser. Und trotz falscher Prognose dieses Jahr: Der Onlineforscher ist sich sicher, dass seine Auswertung funktioniert. «Wir haben gesehen, dass Biden kurz vor der Wahl digital noch viel stärker geworden ist und auch Hillary Clintons Werte von damals übertroffen hat. Wir hätten also vor allem noch kurzfristig sehr gute Prognosen machen können.» Biden habe im Schlussspurt noch Boden gut gemacht. Tatsächlich zeigen seine Daten, dass das Interesse an Biden kurz vor der Wahl zunahm.

Glauser: «Die Umfragen lagen auch wieder daneben»

Biden hat Trump bei der Online-Präsenz jedoch nie das Wasser reichen können. Warum gewann er trotzdem? Noch laufen bei Glauser und seinem Team die Auswertungen der US-Wahl. Eine mögliche Erklärung für Bidens unerwarteten Erfolg: Trump könnte es möglicherweise mit seiner Dauerpräsenz auch überzogen haben. Die vom Berner IFAA und der Uni Neuenburg entwickelte Methode unterscheidet nämlich nicht zwischen positiver und negativer Aufmerksamkeit. «Das war wohl der berühmte Overkill.»

2016 habe man Trump unterschätzt, glaubt der Forscher. Damals hätten die digitalen Daten gezeigt, dass der Polit-Aussenseiter «sehr stark unterwegs» sei. Am Ende ginge es aber nicht nur darum, «die eine» Methode für die Wahlprognose zu finden – sondern durch viele verschiedene Faktoren eine möglichst genaue Vorhersage zu treffen: «Wie damals lagen ja auch jetzt viele Umfragen daneben.» Aber eben niemand so sehr wie die Berner Forscher. (kin)

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