Macron veröffentlicht Gesprächsnotizen mit Putin kurz vor der Ukraine-Invasion
«Ich will jetzt Eishockey spielen»

Vier Tage vor dem Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine haben der französische Präsident Emmanuel Macron und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin zusammen telefoniert. Jetzt hat der Elysée-Palast den Wortlaut des Gesprächs veröffentlicht.
Publiziert: 28.06.2022 um 18:12 Uhr
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Aktualisiert: 28.06.2022 um 18:27 Uhr
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Emmanuel Macron und Wladimir Putin bei einem Treffen im Mai 2018 in St. Petersburg.
Foto: AP

Die französische Präsidentschaftskanzlei hat den Wortlaut eines Telefongesprächs zwischen Präsident Emmanuel Macron (44) und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) publiziert. Die Konversation wurde vier Tage vor dem russischen Angriff auf die Ukraine mit einer Kamera aufgezeichnet. Am 30. Juni wird sie im Rahmen eines Dokumentarfilms über den Ukrainekrieg vom staatlichen französischen Sender France 2 ausgestrahlt.

Wie der bereits publizierte Wortlaut zeigt, hatte Putin den Glauben an eine friedliche Lösung längst verloren. Zu dem Zeitpunkt waren russische Truppen – offiziell anlässlich einer Übung – an der Grenze zur Ukraine aufmarschiert. Macron spricht in dem Gespräch, über das unter anderem das Portal «Le Point» berichtet, die «wachsenden Spannungen» an und bittet Putin um eine Lagebewertung.

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«Unser lieber Kollege Selenski macht nichts»

Der russische Präsident, der Macron am 7. Februar und am 15. Februar den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (64) im Kreml empfing, antwortet: «Du siehst doch selbst, was passiert. Du und Kanzler Scholz, ihr habt mir gesagt, Präsident Selenski sei bereit zu einer Geste des guten Willens. Er habe ein Gesetz vorbereitet, um das Minsker Abkommen umzusetzen», sagt Putin. «Aber unser lieber Kollege Selenski macht nichts. Er lügt.»

Dann macht Putin auch dem französischen Präsidenten Vorwürfe. Macron habe eine Revision des Minsker Abkommens verlangt. Macron protestiert: «Wladimir, ich habe nie gesagt, dass eine Revision des Minsker Abkommens nötig ist. Weder in Berlin, noch in Kiew, noch in Paris. Ich habe gesagt, dass es umgesetzt werden muss.»

Zunehmend gereizter Ton

Putin kommt in dem Gespräch auch auf die Separatisten in der Ostukraine zu sprechen. «Ich verstehe euer Problem mit den Separatisten nicht. Sie haben wenigstens getan, was wir ihnen gesagt haben und haben einen konstruktiven Dialog mit der ukrainischen Seite begonnen.» Die Friedensvorschläge der Separatisten sollten nicht unbeachtet bleiben, fordert Putin.

Darauf reagiert Macron ungehalten: «Ich weiss nicht, wo dein Jurist studiert hat. Die Vorschläge der Separatisten sind uns egal. Ich weiss nicht, welcher Jurist sich zu der Behauptung versteigt, dass Gesetzestexte in einem souveränen Land von Separatisten ausgearbeitet werden und nicht von einer demokratisch gewählten Regierung.»

Putin bleibt unnachgiebig: «Es handelt sich nicht um eine demokratisch gewählte Regierung. Sie ist über einen Staatsstreich an die Macht gelangt. Es gab Leute, die lebendigen Leibes verbrannt wurden. Es war ein Blutbad. Und Selenski ist einer der Verantwortlichen.»

Die Stimmung während des Telefonats wird immer gereizter. Macron erwidert: «Was du da sagst, lässt an deinem Willen zweifeln, das Minsker Abkommen zu respektieren.» Putin reagiert den Berichten zufolge aufgebracht. «Hör mir gut zu», sagt er. «Ich wiederhole noch mal, die Separatisten, wie du sie nennst, haben auf die Vorschläge der ukrainischen Seite geantwortet, aber diese hat nicht reagiert.»

Ausweichende Antworten

Man hätte von Anfang an Druck auf die Ukrainer ausüben müssen, so Putin weiter. «Aber das ist nicht geschehen.» Macron widerspricht: «Aber doch, ich lasse nichts unversucht, um sie zu drängen, das weisst du doch.»

Wenn man dem Dialog eine Chance geben wolle, dann müsse man das Spiel beruhigen, sagt Macron. «Wie siehst du die Militärmanöver?» Diese würden nach Plan laufen, so Putin zu den Truppenbewegungen an der russisch-ukrainischen Grenze. «Das heisst, sie sind heute Abend beendet?», fragt Macron. «Ja, wahrscheinlich heute Abend», so Putin ausweichend.

Der französische Präsident macht Putin daraufhin den Vorschlag, US-Präsident Joe Biden (79) in Genf zu treffen. «Er hat mir gesagt, dass er bereit ist», sagt Macron. «Vielen Dank, Emmanuel», so Putin. «Es ist immer eine grosse Freude, mich mit dir auszutauschen, denn wir haben ein Vertrauensverhältnis.» Er schlage vor, zunächst dieses Treffen vorzubereiten.

Macron will Putin davon überzeugen, einen gemeinsamen Text auszuarbeiten. Daraufhin reagiert der russische Präsident ungeduldig und bricht das Gespräch ab. «Um dir nichts zu verbergen: Ich will jetzt Eishockey spielen. Ich spreche mit dir aus der Sporthalle, wo ich gerade mit dem Training beginne. Ich rufe erst mal meine Berater an.» (noo)

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