Darum gehts
- Gavin Newsom positioniert sich als Anti-Trump und gewinnt an Bedeutung
- Newsom inszeniert sich als Stimme der Vernunft gegen Trumps Eskalation
- Newsom ist 57 Jahre alt und war Bürgermeister von San Francisco
Lange waren die US-Demokraten nach der Rückkehr von Donald Trump (79) ins Weisse Haus wie gelähmt. Das Spitzenpersonal der Partei wirkt fahrig und müde – fast schon wie Ex-Präsident Joe Biden (82). Die Republikaner dominieren den Kongress, während die Demokraten planlos, führungslos, kraftlos erscheinen.
Bis Anfang Juni in Los Angeles Massenproteste gegen Razzien der Ausländerbehörde ICE ausbrachen und Trump das Eingreifen von Nationalgarde und Marinesoldaten befahl. Da tauchte mitten im Getümmel plötzlich wieder einer auf, der sich nie wirklich versteckt hatte: Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom (57).
Staatsmännisch im Getümmel
Gross gewachsen, perfekter Haarschnitt, Zahnpastalächeln, einer, der aussieht, als habe ihn Hollywood für die Rolle des US-Präsidenten gecastet: Newsom wollte schon immer mehr als Kalifornien, wurde auch als Präsidentschaftskandidat gehandelt, verkündete dann aber die Unterstützung einer Wiederwahl Bidens. Nun liefert ihm ausgerechnet Donald Trump den Anlass, sich neu zu positionieren.
Während die Bevölkerung in Los Angeles und San Francisco gegen ICE-Razzien protestiert, Trump die Nationalgarde schickt und Marines aufmarschieren lässt, stellt sich Newsom vor die Kameras. «Der Moment, den wir gefürchtet haben, ist gekommen», sagte er am Mittwoch mit gravitätischem Ernst. Er wirkte staatsmännisch, präsidial.
Trump reagierte wie vorhergesehen: Er schäumt, nennt Newsom «Newscum» (scum = Abschaum), lässt seine Getreuen laut über dessen Verhaftung nachdenken. Doch je lauter der Mann in Washington wird, desto ruhiger inszeniert sich der Gouverneur als Stimme der Vernunft. Und wie nebenbei verleiht er damit seiner Karriere jenen Schub, der ihm zuletzt fehlte.
Denn wie um seine Partei war es auch um Newsom leiser geworden. Kaliforniens Haushalt ächzt unter Milliardenlöchern, viele ambitionierte Sozialprogramme mussten zurückgefahren werden. Selbst im eigenen Lager begann der Glamour des einstigen Shootingstars zu bröckeln. Der Fauxpas, bei dem er während der Pandemie gegen seine eigenen Regeln verstiess und in einem Luxusrestaurant speiste, haftet ihm noch immer an. Für viele war Newsom bloss noch der nette, etwas selbstverliebte Reformer, der in Kalifornien gross herausgekommen ist, national aber nie richtig zählte.
Je lauter Trump tobt, desto grösser wird Newsom
Nun hat ihm ausgerechnet Trump eine Bühne verschafft, die grösser kaum sein könnte. In der Rolle des Anti-Trump blüht Newsom auf wie kein anderer Demokrat. Er inszeniert sich als angriffslustigen, aber kontrollierten Konterpart zum wütenden Ex-Präsidenten. Er hat die nötige Starpower, das nötige Sendungsbewusstsein – und einen Instinkt für den medialen Moment.
Dabei ist er politisch durchaus wandlungsfähig: Als Bürgermeister von San Francisco profilierte sich der einstige Weinhändler als Vorreiter für die gleichgeschlechtliche Ehe, als Gouverneur wurde er zum Klimaaktivisten sowie zum Unterstützer von Migration und LGBTQ-Rechten – zeigte aber auch, dass er notfalls gegen den linken Mainstream schwimmt – etwa, als er die Beteiligung von Transfrauen in weiblichen Wettbewerben als «äusserst unfair» bezeichnete. Newsom kann links blinken und moderat fahren – ein Spagat, der in der zerrissenen Demokratischen Partei Gold wert sein könnte.
Doch genau diese Vielseitigkeit birgt auch Risiken. Seine Gegner – und davon gibt es nicht nur bei den Republikanern viele – werfen ihm mangelnde Prinzipientreue und ein fast schon pathologisches Karrierestreben vor. Für sie ist Newsom weniger der entschlossene Staatsmann, sondern ein politischer Opportunist, der immer genau dort steht, wo die Scheinwerfer am hellsten strahlen.
Dennoch: Während Trump auf Eskalation setzt und die Demokraten taumeln, wächst Gavin Newsom mit jedem Konflikt ein Stück mehr in die Rolle hinein, auf die er immer spekuliert hat. Ob bei den Präsidentschaftswahlen 2028 oder früher – die Bühne gehört ihm.
Und schuld daran könnte am Ende Donald Trump gewesen sein.