Jetzt gerät auch das Corona-Vorzeigeland in die Krise
Droht Südkorea der erste Lockdown?

Einst galt Südkorea als Musterbeispiel in der Corona-Krise. Die Regierung reagierte schnell, die Massnahmen zeigten Wirkung und die Zahlen blieben niedrig. Doch nun hat das Land offenbar die Kontrolle verloren. Aber warum?
Publiziert: 16.12.2020 um 18:17 Uhr
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Südkorea galt lange als Musterschüler in der Corona-Krise.
Foto: Getty Images

Südkorea galt lange als Vorbild. Die erste Corona-Welle meisterte das Land wie kein anderes. Während viele Länder den Lockdown als letztes Mittel verhängen mussten, kam Südkorea bislang ohne eine solche Massnahme aus – bis jetzt. Denn nun steigen die Zahlen im asiatischen Land dramatisch an.

Am Dienstag kamen an nur einem Tag knapp 1000 Neuinfizierte dazu. Zum Vergleich: Ende März waren es knapp 100. Monatelang lagen die Zahlen im niedrigen Bereich. Der Grund: Die Regierung handelte rasch und effizient. Infizierte wurden konsequent in Isolation geschickt, Quarantäneprogramme strikt umgesetzt. Im Unterschied etwa zu Europa, wo Infizierte meistens unkontrolliert zu Hause bleiben, wurden Virusträger oft in staatlichen Einrichtungen untergebracht.

Und: Kontakte wurden rigoros zurückverfolgt. Behörden untersuchten Daten von Smartphones, Kreditkartenzahlungen und Videoaufnahmen, um Kontakte zu Infizierten zu ermitteln. Beim Betreten von Bars, Kinos und andern Einrichtungen mussten QR-Codes gescannt werden.

Intensivbettenplätze werden weiter ausgebaut

Die Massnahmen waren strikt, aber wirksam. Und Südkorea wähnte sich offenbar in Sicherheit. Das Schlimmste schien überstanden. Also wurden die Einschränkungen im Oktober gelockert.

Insbesondere die Regeln zum Social Distancing. Zudem versuchte die Regierung, die Wirtschaft anzukurbeln. Dafür wurden Konsumgutscheine verteilt. Ein Fehler, wie sich jetzt zeigt. Denn die Zahlen sind inzwischen so hoch wie nie – und die Massnahmen wurden wieder hochgefahren. Ein Lockdown soll aber verhindert werden. Bislang wurde eine Sperrstunde für Restaurants und Geschäfte verhängt. Um 21 Uhr müssen diese Einrichtungen schliessen.

Clubs und Bars dürfen gar nicht mehr öffnen. Auch der öffentliche Verkehr hat seinen Betrieb heruntergefahren. Busse und Bahnen fahren weniger, wie die «NZZ» berichtet. Währenddessen werden die Intensivbettenplätze weiter ausgebaut.

Die Bevölkerung ist alarmiert. Dies ist zum Beispiel in der Hauptstadt Seoul zu spüren: Es sind deutlich weniger Menschen auf den Strassen. Der einstige Musterschüler Südkorea kämpft gegen die zweite Welle an. Ein Lockdown könnte die letzte Rettung sein, um einen Kollaps der Spitäler zu verhindern. (jmh)

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