Experten vermuten Ablenkung von eigenen Fehlern
Diesen Plan verfolgt Putin mit den Folterbildern

135 Menschen starben am Freitag bei einem der brutalsten Terroranschläge der russischen Geschichte. Nach ihrer Festnahme erschienen die mutmasslichen Täter mit Folterspuren vor Gericht. Was will der Kreml mit den grausamen Bildern aussagen? Experten ordnen ein.
Publiziert: 26.03.2024 um 15:39 Uhr
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Aktualisiert: 26.03.2024 um 16:24 Uhr
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Die Terroristen haben augenscheinlich geschwollene Wangen.
Foto: Telegram
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Janine EnderliRedaktorin News

Es war das schlimmste Attentat auf russischem Boden seit 20 Jahren: Am Freitag erschossen vier IS-Terroristen in einer Moskauer Konzerthalle über 135 Menschen wahllos. Am Sonntagabend erschienen die vier mutmasslichen Täter mit schweren Verletzungen vor Gericht. Die Männer wiesen stark geschwollene Gesichter, Platzwunden und Blutergüsse auf. Einer der Verdächtigen soll kurzzeitig das Bewusstsein verloren haben. Dem Kreml wurde daraufhin von diversen Menschenrechtsorganisationen Folter vorgeworfen.

Denn: Bereits im Vorfeld der Gerichtsverhandlung kursierten im Netz Videos, in denen einem der Täter von den Sicherheitskräften mutmasslich ein Ohr abgeschnitten wird. Beobachter glauben, dass der Kreml mit den grausamen Bildern eine gezielte Botschaft platzieren will. 

Putin will von eigenen Fehlern ablenken

Leonid Wolkow, ein Vertrauter des kürzlich im Straflager gestorbenen Kreml-Gegners Alexei Nawalny (†47), zeigte sich etwa überzeugt davon, dass die Aufnahmen auf Anweisung von ganz oben veröffentlicht wurden. Durch das Demonstrieren seiner eigenen Grausamkeit, würde das Regime von dem eigenen Versagen des Geheimdienstes ablenken, schreibt Volkow auf Telegram. 

Weiter erklärt er: «Dieses öffentlich Zurschaustellen ist neu.» Fehler, die vor dem Anschlag passierten, sollen mit dieser Strategie überdeckt werden. 

Russland-Experte Jäger: «Machtapparat liess seine Tarnung fallen»

Gegenüber «Bild» sagt der Russland-Experte Professor Thomas Jäger: «Putin zeigt: Für mich gibt es keine Grenze im Bösen.» Normalerweise würde die russische Führung darauf achten, nach aussen den Anschein von Recht und Gesetz zu wahren. Dieses Mal sei es jedoch anders. «Der Machtapparat lässt seine Tarnung fallen», sagt Jäger. 

Öffentlich kommentiert der Kreml die Folterspuren der Verdächtigen indes nicht. Ein CNN-Journalist konfrontierte Kremlsprecher Dmitri Peskow mit den Folter-Vorwürfen. «Ich lasse diese Frage unbeantwortet», antwortete Peskow laut russischen Medien, als er gebeten wurde, die Folterspuren der Inhaftierten zu kommentieren.

Russische Menschenrechtsorganisationen äusserten sich besorgt über die mutmasslichen Folterungen durch die Sicherheitskräfte: «Die Antwort auf Barbarei darf nicht Barbarei sein», teilte die russische Vereinigung «Komanda protiw pytok» (deutsch: Team gegen Folter) am Montag mit. Der Einsatz von Folter gegen Häftlinge und Angeklagte ist inakzeptabel, sagte auch die russische Menschenrechtskommissarin Tatyana Moskalkova. «Trotz der Tatsache, dass die Inhaftierung von Straftätern sehr schwerwiegend sein kann und das Strafrecht vorsieht, dass Handlungen während der Inhaftierung, die mit der Verursachung von Schäden verbunden sind, keine Haftung nach sich ziehen, ist die Anwendung von Folter gegen Inhaftierte und Angeklagte völlig inakzeptabel», führte die Kommissarin aus. 


 

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