Entscheid bis zum Wochenende
Johnson will Brüssel ein «sehr gutes» Brexit-Angebot machen

Der britische Premierminister Boris Johnson will Brüssel bald einen Lösungsvorschlag für den Streit um das Brexit-Abkommen unterbreiten. «Wir werden ein sehr gutes Angebot vorlegen», sagte Johnson in Interviews mit den Sendern BBC und LBC auf dem Tory-Parteitag.
Publiziert: 02.10.2019 um 11:06 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/5
Auf dem Parteitag der Konservativen versprach der britische Premierminister, der EU bald ein neues, «sehr gutes» Brexit-Angebot vorzulegen.
Foto: AFP

Knackpunkt ist dabei die Frage, wie künftig eine harte Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden kann.

Entscheid bis zum Wochenende

Johnson sagte, die Verhandlungen mit Brüssel seien nun in einer «entscheidenden Phase». Bis zum Wochenende werde seine Regierung wissen, ob ein geregelter Brexit möglich sei. Details zu seinem Plan wollte er nicht nennen.

Berichte, wonach die zu erwartenden Vorschläge Zollabfertigungszonen wenige Kilometer von der irisch-nordirischen Grenze beinhalten, wies Johnson hingegen zurück. Es handle sich dabei um ältere Ideen, die im Gespräch gewesen seien. Auch Nordirland-Minister Julian Smith wies gegenüber der BBC die Berichte zur Grenzfrage von sich.

Irland erteilt Grenzkontrollen-Idee eine Absage

Der irische Rundfunksender RTÉ hatte berichtet, dass Johnsons Vorschlag Kontrollen beidseitig der Grenze vorsehe. Zollpflichtige Waren würden demnach in Zentren einige Kilometer vor der Grenze angemeldet und per GPS verfolgt, bis sie auf der anderen Seite eingetroffen seien.

Die Pläne wurden laut RTÉ in unverbindlichen Ideenpapieren an Brüssel übermittelt. Der «Telegraph» berichtete hingegen, sie seien auch Teil des offiziellen Vorschlags, den Johnson nach Ende des Tory-Parteitags am Mittwoch vorstellen wolle.

Irlands Aussenminister Simon Coveney erteilte den Plänen per Twitter umgehend eine Absage. «Es wird Zeit, dass die EU einen ernsthaften Vorschlag von der britischen Regierung erhält, wenn noch ein Brexit-Deal im Oktober erreichbar sein soll», schrieb er.

Das grosse Problem bleibt der Backstop

Die EU-Kommission sagte ihrerseits, dass sie noch keinen konkreten Vorschlag aus London erhalten habe. Es liege in der Verantwortung der britischen Regierung, ein umsetzbares Konzept vorzuschlagen, das alle Ziele des sogenannten «Backstops» erfülle, sagte die Chefsprecherin der EU-Kommission. Ein EU-Diplomat ergänzte, von britischer Seite sei eine Vorlage bis spätestens Donnerstag in Aussicht gestellt worden.

Johnson besteht darauf, dass dieser «Backstop» - die Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen Nordirland und Irland - gestrichen wird. Ansonsten kann Grossbritannien keine eigene Handelspolitik machen.

Notfalls ist der Premierminister auch zu einem EU-Austritt ohne Abkommen bereit. Zu erwartende Schäden für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche will er in Kauf nehmen, hält die Befürchtungen aber für übertrieben.

Derzeit finden keine Kontrollen zwischen den beiden Teilen Irlands statt. Das soll nach dem Willen Dublins und Brüssels auch nach dem Brexit so bleiben, weil sonst ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts befürchtet wird.

In dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg standen sich überwiegend katholische Befürworter einer Vereinigung Irlands und überwiegend protestantische Grossbritannien-Loyalisten gegenüber. Oft waren Grenzeinrichtungen das Ziel von Angriffen paramilitärischer Einheiten.

Vorwurf der sexuellen Belästigung

Johnson wies im BBC-Interview auch Vorwürfe zurück, eine Journalistin vor etwa 20 Jahren begrapscht zu haben. «Das ist nicht wahr», sagte der Regierungschef. Er sei «sehr traurig», dass jemand so etwas behaupte.

Die «Sunday-Times»-Kolumnistin Charlotte Edwardes hatte berichtet, dass der damalige Chefredakteur des Magazins «Spectator» ihr bei einem Mittagessen die Hand auf den Oberschenkel gelegt habe.

Johnson habe auch eine andere Frau am Tisch belästigt. Der Premier mutmasste im Radiosender LBC, dass solche Vorwürfe im Zusammenhang mit seiner Aufgabe stehen könnten, den Brexit umzusetzen.

Johnson für Kriegsrhetorik kritisiert

Mit Spannung wurde der Auftritt Johnson zum Abschluss des Tory-Parteitags am Mittwochnachmittag erwartet. Denn die Parteikonferenz war grösstenteils überschattet von Vorwürfen gegen den Premierminister.

Mehrere Abgeordnete hatten kürzlich Johnson aufgefordert, seine «Kriegsrhetorik» zu unterlassen, um nicht noch mehr Aggressionen zu schüren. Der Premier zeigte sich von der Kritik jedoch unbeeindruckt.

Korruptionsvorwürfe gegen Premier

Ausserdem wird Johnson vorgeworfen, als Bürgermeister von London eine Geschäftsfrau aus den USA begünstigt zu haben. Es geht dabei um Fördergelder und die Teilnahme an Reisen, von denen die mit Johnson befreundete Jennifer Arcuri profitiert haben soll, obwohl sie nicht die erforderlichen Bedingungen erfüllte. Nach Angaben der «Sunday Times» sollen die beiden ein Verhältnis miteinander gehabt haben. Johnson und das Ex-Model Arcuri wiesen die Vorwürfe zurück. (SDA)

Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?