Deutsche Forscher werten Obduktionsergebnisse aus
Bei 86 Prozent war Corona die Haupt-Todesursache

Wer ist an und wer mit Corona gestorben? Auf diese Frage geben die täglich aktualisierten Statistiken keine Antwort. In Deutschland haben Forscher deshalb nun rund 1100 Autopsieergebnisse ausgewertet.
Publiziert: 02.03.2022 um 17:17 Uhr
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Gute Frage, keine einfache Antwort: Starb jemand an oder mit Corona?
Foto: keystone-sda.ch

In der Medizin ist es wie bei der Aufklärung von Verbrechen: Eindeutige Gewissheit über die Todesursache liefert die Autopsie. In den täglich veröffentlichten Corona-Statistiken wird hingegen nicht zwischen jenen unterschieden, die zum Todeszeitpunkt mit Corona infiziert waren, aber letztendlich durch ein anderes Leiden ums Leben kamen und jenen, die tatsächlich tödlich an Covid-19 erkrankten. Forscher der deutschen Uniklinik RWTH Aachen haben nun einen Datensatz von Autopsieergebnissen analysiert, um herauszufinden, wie viele sogenannte Corona-Tote tatsächlich an Covid-19 verstorben sind.

Die Wissenschaftler griffen dabei auf das im April 2020 ins Leben gerufene Autopsieregister DeRegCovid zurück. Dort können Autopsiezentren ihre Resultate in einem webbasierten elektronischen Fallberichtsformular erfassen. Die Datensammlung soll Autopsie-basierte Studien erleichtern und Forschern Rohmaterial für Analysen bereitstellen. Die Teilnahme ist freiwillig.

Meistens versagten die Lungenbläschen

Von total 1129 registrierten Corona-Toten wurden in der Studie 1095 Obduktionen berücksichtigt. Das Resultat: Bei 86 Prozent dieser Fälle war Corona tatsächlich die zugrundeliegende Todesursache. Nur bei 14 Prozent war Corona lediglich die Begleiterkrankung, wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift «The Lancet» schreiben.

In den meisten Fällen verursachte Corona sogenannte diffuse Alveolarschäden, was letztendlich zum Tod der Patientinnen und Patienten führte. Bei den Alveolen handelt es sich um Lungenbläschen, die für den Austausch zwischen Blut und Atemluft sorgen. Multiorganversagen, den Ausfall mehrerer lebenswichtiger Organe also, nennen die Wissenschafter als zweithäufigste Todesursache.

Die Analyse der Aachener Wissenschaftler bestätigt zudem die bereits von anderen Studien gemachte Feststellung, dass Männer von Corona stärker betroffen sind als Frauen: Unter den obduzierten Toten waren Männer fast doppelt so häufig vertreten wie Frauen. Die meisten männlichen Toten waren zwischen 65 und 69 sowie zwischen 80 und 84 Jahre alt. Die an Corona verstorbenen Frauen im Datensatz waren zum grössten Teil älter als 85 Jahre.

Vage Angaben in der Schweiz

In der Schweiz sind die Angaben über die tatsächlichen Corona-Todesfälle nach wie vor vage. Zwar können Ärzte bei der Erfassung von Corona-Todesfällen für das Bundesamt für Gesundheit (BAG) Obduktionsergebnisse unter «Bemerkungen» eintragen. Dies ist jedoch freiwillig. Entsprechende Auswertungen erfolgen zudem nicht routinemässig.

Wie das BAG gegenüber dem Branchenmagazin «Medinside» erklärt, werden die Todesursachen an und für sich vom Bundesamt für Statistik (BFS) im Rahmen der Todesursachen-Statistik ausgewertet und veröffentlicht. Dies finde jedoch mit zeitlicher Verzögerung statt.

Derzeit sind die entsprechenden Zahlen bis Ende Mai 2020 verfügbar. Das BFS listet dabei für März 347 Todesfälle mit Corona als Haupt-Todesursache. 325 der Betroffenen hatten mindestens eine Begleiterkrankung. Für April 2020 werden 689 Todesfälle mit Corona als Haupt-Todesursache gemeldet, bei denen 662 der Betroffenen mindestens eine Begleiterkrankung hatten. Im Mai kam es dem BFS zufolge zu 78 Todesfällen wegen Corona mit mindestens einer Begleiterkrankung in 67 Fällen. (noo)


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