Darum gehts
- NATO-Gipfel beschliesst massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben und bekräftigt Beistandsverpflichtung
- Formulierungen zu Ukraine und Russland weniger deutlich als in früheren Jahren
- Künftig sollen fünf Prozent des BIP in Verteidigung investiert werden
Verteidigungsausgaben
Wie angekündigt beschlossen die Nato-Partner in Den Haag, künftig fünf Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren. Dabei folgten die Mitgliedsländer dem Vorschlag von Generalsekretär Mark Rutte, die fünf Prozent in 3,5 Prozent «harte» Verteidigungs- und 1,5 Prozent verteidigungsrelevante Ausgaben aufzuteilen. Damit solle sichergestellt werden, dass «wir über die Streitkräfte, Fähigkeiten, Ressourcen, Infrastrukturen, Kriegsführungsbereitschaft und Widerstandsfähigkeit verfügen», heisst es in der Erklärung.
Die 1,5 Prozent sollen genutzt werden, um «kritische Infrastrukturen zu schützen, unsere Netze zu verteidigen, unsere zivile Bereitschaft und Widerstandsfähigkeit zu gewährleisten, Innovationen freizusetzen und unsere industrielle Verteidigungsbasis zu stärken». Die Erklärung sieht eine Überprüfung der Ziele im Jahr 2029 vor.
Beistandsverpflichtung nach Artikel Fünf
Gleich der erste der fünf Absätze der Erklärung widmet sich der Beistandspflicht im Falles eines Angriffs auf eines der Mitgliedsländer, die im Artikel Fünf des Nordatlantikvertrags festgelegt ist. «Wir bekräftigen unser unumstössliches Bekenntnis zur kollektiven Verteidigung», heisst es dort. Und: «Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle.» Dieser Punkt war im Vorfeld diskutiert worden, weil US-Präsident Donald Trump in der Vergangenheit wiederholt Zweifel gesät hatte, ob sein Land den Nato-Partnern im Falle eines Angriffs beistehen würde.
Ukraine
Auf dem Gipfel in Washington im vergangenen Jahr hiess es noch, die Ukraine sei auf dem «unumkehrbaren» Weg in die Nato. In der Gipfelerklärung von Den Haag steht nun, die Nato-Partner «bekräftigen ihre dauerhaften souveränen Verpflichtungen zur Unterstützung der Ukraine». Diese Abschwächung war erwartet worden und ist auf die neue Haltung Washingtons zum Ukraine-Krieg zurückzuführen. Die Trump-Regierung steht einem Nato-Beitritt der Ukraine äusserst kritisch gegenüber und will weitere Verhandlungen mit Russland nicht gefährden.
Russland
Russland wird in der Gipfel-Erklärung als «langfristige Bedrohung der euro-atlantischen Sicherheit» eingestuft. Nato-Generalsekretär Rutte hatte Russland in der Vergangenheit als «grösste» Bedrohung für die Verteidigungsallianz bezeichnet. Nach Angaben aus Washington gilt dies aber vorrangig für den europäischen Teil der Nato.
Waffenproduktion
Geld ist die eine Seite der Verteidigungsfähigkeit, die Rüstungsindustrie die andere. Die unzureichende Produktion der Nato-Mitglieder halte ihn «nachts wach», sagte Rutte kürzlich. In der Gipfel-Erklärung bekennen sich die Nato-Länder, die «transatlantische Zusammenarbeit in der Rüstungsindustrie rasch auszuweiten». Handelshemmnisse sollen demnach «beseitigt» werden. Parallel zum Gipfel fand ein Rüstungsindustrieforum mit rund 300 Teilnehmern statt.
Naher Osten
Der Nahe Osten, insbesondere der Krieg zwischen Israel und dem Iran, war ein grosses Thema in Den Haag. Es fand sich dazu allerdings nichts in der Gipfelerklärung.
Trump nutzte den Gipfel auch für eine Art Siegerrunde, indem er immer wieder betonte, die USA hätten mit der Zerstörung der iranischen Atomanlagen den Krieg zwischen Israel und dem Iran beenden. Rutte gratulierte Trump zu seinem «entschlossenen» und «aussergewöhnlichen» Handeln im Iran. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nannte die Angriffe «notwendig».
In der zentralen Sitzung der 32 Mitgliedsländer während des Gipfels wurde auch immer wieder die Situation im Gazastreifen angesprochen. Vor allem die südeuropäischen Länder riefen dazu auf, mehr Druck auf Israel auszuüben.
Wortwahl
Die Formulierungen zur Ukraine und Russland waren vor dem Gipfel Gegenstand intensiver Verhandlungen gewesen und fielen auf Wunsch der USA weniger deutlich aus, als noch vor ein oder zwei Jahren. Auch an den Formulierungen zum Fünf-Prozent-Ziel waren auf Wunsch Spaniens kurz vor dem Gipfel noch Änderungen vorgenommen worden.
So hiess es in der finalen Fassung nicht mehr «wir verpflichten uns», sondern «Verbündete verpflichten sich» (auf Englisch «Allies commit"). Spanien sieht darin eine Möglichkeit zu argumentieren, dass das Fünf-Prozent-Ziel nicht für alle Nato-Partner gilt. In der französischen Version der Erklärung heisst es allerdings «les Alliés», also «die Verbündeten». Französischen und Englisch sind die beiden gleichberechtigten offiziellen Nato-Sprachen.
Spanien hatte das Fünf-Prozent-Ziel im Vorfeld als «unvernünftig» bezeichnet - stimmte der Gipfelerklärung aber schliesslich wie alle 32 Nato-Mitglieder zu.