«Das klingt ziemlich gut»
Putins Atom-Ansage erstaunt die Welt

Kreml-Chef Wladimir Putin hat vorgeschlagen, den Abrüstungsvertrag «New Start» mit den USA zu verlängern. Dabei geht es um die Zukunft der letzten grossen Vereinbarung zur Begrenzung strategischer Atomwaffen. Der Zeitpunkt überrascht. Was will Putin wirklich?
Publiziert: 21:29 Uhr
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Wladimir Putin machte Trump ein Angebot, das beim US-Präsidenten wohl auf offene Ohren gestossen ist.
Foto: IMAGO/SNA

Darum gehts

  • Putin bietet die Verlängerung des «New Start»-Vertrags zur Begrenzung strategischer Atomwaffen an
  • Das Angebot wird als taktischer Schachzug im Machtspiel mit Washington gesehen
  • Der «New Start»-Vertrag begrenzt Atomwaffen auf 1550 nukleare Sprengköpfe pro Seite
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Janine EnderliRedaktorin News

Die Kreml-Ankündigung war mysteriös – und sorgte rund um den Globus für Spannung. Wladimir Putin (72) kündigte am Montag «eine wichtige Erklärung» an. Schnell wurde klar: Es geht um Atomwaffen. Putins Ansage: Russland teile mit, die Zahl der Atomwaffen auch nach 2026 freiwillig zu begrenzen und den «New Start»-Vertrag mit den USA zu verlängern. Ein Signal der Vernunft oder ein taktischer Schachzug im Machtspiel mit Washington? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen. 

Was ist der «New Start»-Vertrag überhaupt?

Der «New Strategic Arms Reduction Treaty» (abgekürzt New START) ist ein Abkommen zwischen Russland und den USA aus dem Jahr 2010. Es begrenzt strategische Atomwaffen streng und enthält Kontrollmechanismen, die die Welt seit über einem Jahrzehnt vor unkontrollierter nuklearer Eskalation schützen.

Er hält für beide Seiten fest:

  • Höchstens 700 einsatzbereite ballistische Interkontinentalraketen
  • 700 U-Boot-gestützte Raketen und schwere, atomwaffenfähige Bomber
  • 800 Raketenabschussrampen
  • 1550 nukleare Sprengköpfe

Alle anderen Abrüstungsverträge zwischen Moskau und Washington sind mittlerweile ausgelaufen oder aufgekündigt.

Doch auch «New Start» steht auf der Kippe. 2023 setzten beide Seiten die Überwachungsmechanismen aus – also den Datenaustausch, der die Einhaltung überprüfbar macht. Russland und die USA konzentrieren sich seither nur noch auf die Obergrenzen. Die Kontrollwirkung des Vertrags ist stark eingeschränkt. Im Februar 2026 läuft er aus. Eine formelle Verlängerung ist nicht vorgesehen.

Was genau bietet Putin an?

Putin schlug den Mitgliedern seines Sicherheitsrates vor, die im Vertrag festgelegten Beschränkungen auch nach dem Ablauf des Vertrages ein weiteres Jahr einzuhalten. Voraussetzung: Die USA tun dasselbe. Er wies seine Armee an, das Verhalten der Amerikaner zu beobachten. 

Putin sagte: «Ein Verlassen des Vertrags würde die globale nukleare Stabilität untergraben und das Risiko der Verbreitung von Kernwaffen erhöhen.»

Warum macht Russland dieses Angebot?

Der Zeitpunkt und die Art der Ankündigung waren ungewöhnlich. Putin wählte für sein Angebot einen bedeutenden Rahmen: Die Erklärung wurde zuvor von seinem Sprecher angekündigt, die Mitglieder des Sicherheitsrates tagten physisch statt per Videokonferenz, und die Versammlung wurde live übertragen. Hinzu kommt: Zuletzt fielen die Kontakte zu den USA aufgrund der intensiven Angriffe auf die Ukraine äusserst kühl aus. US-Präsident Donald Trump (79) sagte, Putin habe ihn «im Stich gelassen».

Der Kreml-Chef nutzte den Auftritt, um dem Westen vorzuwerfen, die globale Sicherheit durch die Kündigung früherer Verträge zu gefährden. Durch das Angebot will man sich als «die vernünftige Seite» darstellen. Der Westen sei schuld, wenn es zum Rüstungswettlauf kommt. Experten sehen die Initiative als taktischen Zug, der Washington unter Druck setzt, wie Reuters berichtet. 

Was Putin in der Rede mit keinem Wort erwähnte: seinen Angriffskrieg auf die Ukraine. Während Putin sprach, verübten seine Streitkräfte weitere Attacken auf das Land.

Was passiert, wenn Trump ablehnt?

Formell: Am 5. Februar 2026 läuft «New Start» endgültig aus, ohne Ersatz. Dann gäbe es keine bilateralen Obergrenzen für strategische Atomwaffen mehr zwischen Russland und den USA. Zum ersten Mal seit den 1970er-Jahren stünde das Verhältnis der beiden Atommächte ohne Abkommen da.

Politisch: Beide Seiten könnten aufrüsten, vorhandene Raketen mit mehr Sprengköpfen bestücken. Russland hätte hier womöglich einen Vorteil, weil es mehr ungenutzte Bestände hat.

Signalwirkung international: Ein Scheitern würde auch andere Abrüstungsinitiativen schwächen (Nichtverbreitungsvertrag, Gespräche mit China, regionale Rüstungskontrolle). Für die ganze Welt würde das mehr Unsicherheit bedeuten. 

Wie reagiert die US-Seite?

Eine eindeutige Antwort aus Washington gibt es noch nicht. Es ist schwer, zu prognostizieren, wie Trumps Position ausfallen wird. Klar ist: Er mag Deals. 

Die US-Regierung begrüsst Putins Vorschlag bisher vorsichtig. Trumps Sprecherin Karoline Leavitt sagte, das Angebot «klingt ziemlich gut». Aber es ist offen, welche Bedingungen man akzeptiert. Möglich wäre auch ein offener, technologischer Wettlauf – zum Beispiel bei Hyperschallwaffen, Raketenabwehr oder Weltraumkomponenten.

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