Kurz zusammengefasst
- Pager-Explosionen im Libanon und Syrien
- Hybride Kriegsführung kombiniert physische und digitale Methoden
- 12 Tote und über 2700 Verletzte
Digitale Geräte sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Dadurch können sie auch für politische Konflikte missbraucht werden. Ein dramatisches Beispiel hierfür bieten die jüngsten Ereignisse im Libanon und in Syrien. Tausende von Hisbollah-Mitgliedern verwendeten Pager explodierten am Dienstag gleichzeitig. 12 Personen, darunter zwei Kinder, starben und über 2700 Personen wurden schwer verletzt, wie die Nachrichtenorganisation Reuters berichtet.
Ein Tag später, die nächste Welle von Explosionen. Dieses Mal keine Pager, sondern Walkie-Talkie. Mindestens drei Menschen wurden getötet.
Eine zentrale Frage steht im Raum: Wie konnten Tausende Pager und dann Walkie-Talkie gleichzeitig explodieren? Raphael Reischuk vom Schweizer Testinstitut für Cybersecurity, ordnet den Vorfall für Blick ein.
«Eine thermische Instabilität in der Batterie»
Reischuk erklärt, dass derartige Angriffe eine Kombination aus physischen und digitalen Methoden sind, was als hybride Kriegsführung bekannt ist. Moderne Pager sind nicht mehr nur einfache Kommunikationsmittel wie in den 90er Jahren, sondern komplizierte Geräte, die voller Software und damit anfällig für Cyberangriffe sind, so der Cybersecurity Experte weiter.
Überall dort, wo Software zum Einsatz kommt, gibt es Schwachstellen. «Diese lassen sich ausnützen und manipulieren, um beispielsweise eine thermische Instabilität in der Batterie hervorzurufen. Diese reicht aber nicht aus, um die Pager zum Explodieren zu bringen. Es braucht noch eine kleine Menge Sprengstoff», erklärt Reischuk. Wie kam aber der Sprengstoff unbemerkt in die Pager?
«Eine Platine mit explosivem Material»
Schuld daran sind laut dem Cybersecurityexperten die undurchsichtigen Lieferketten. «Wir haben durch die Globalisierung die Situation, dass nicht nur Daten, sondern auch Güter durch verschiedene Teile dieser Welt bewegt werden, bevor sie am Zielort eingesetzt werden», so Reischuk. Dies ermöglicht es den Angreifern, die Pager abzufangen und zu manipulieren. Dies erfolgt, indem eine andere Software aufgespielt oder die Hardware etwas verändert wird.
Gegenüber Reuters gibt eine hochrangige libanesische Sicherheitsquelle an, dass der israelische Spionagedienst genau diese Schwachstelle ausgenutzt hat. Die Geräte seien bereits «auf Produktionsebene» modifiziert worden. «Der Mossad hat eine Platine mit explosivem Material in das Gerät eingebaut, die einen Code enthält. Es ist sehr schwer, das mit irgendwelchen Mitteln zu entdecken», erklärt die Quelle gegenüber Reuters weiter.
«Das ist technisch nicht besonders anspruchsvoll»
Wie genau die Zündung erfolgt sein soll, erklären Quellen der «New York Times». Eine Nachricht wurde um 15.30 Uhr (Ortszeit) an die Pager übermittelt. Inhalt: Eine Nachricht der Hisbollah-Führung und somit unverdächtig für die Empfänger. Doch ein Schalter in den Pagern soll durch die Nachricht ausgelöst und die Detonation eingeleitet haben. Die Geräte piepten mehrere Sekunden, bis es schlussendlich zu der Sprengung kam.
Solche Angriffe sind laut Reischuk nichts Neues. Im Januar 1996 gab es ähnliche Angriffe auf Telefone, die manipuliert und detonierten. «Das ist technisch nicht besonders anspruchsvoll und für die Geheimdienste dieser Welt leicht zu bewerkstelligen», so der Cyber-Experte.
«Ohne Sprengstoff nicht möglich»
Können auch die Smartphones in der Hosentasche zu einer potenziellen Bombe umgebaut werden? Laut Reischuk ist es möglich, aber «deutlich komplizierter».
Der Experte zu Blick: «Es ist möglich, dass die Lithium-Batterien anfangen zu brennen, wenn sie sich überhitzen. Auch können sie sich verbiegen, aber dass sie mit dieser kinetischen Kraft explodieren, ist ohne Sprengstoff nicht möglich.»
Das Distributionsnetz ist aber deutlich anders als bei den Pagern. Durch stärker kontrollierte Lieferketten, wie beispielsweise von Apple und anderen Smartphone-Herstellern, und die höhere Technologiedichte ist es aufwendiger und somit unwahrscheinlicher, dass ein Sprengstoff in Smartphones platziert wird, meint Reischuk. «Auch wenn es technisch möglich ist, wird es in der Praxis deutlich schwieriger sein, solch eine Wirkung zu erzielen.»