Die Europäische Union hat in ihren Sanktionen erklärt, dass russische Handelsschiffe nicht mehr an europäischen Häfen anlaufen dürfen. Dabei gibt es allerdings Ausnahmen. Und diese macht sich EU-Mitgliedstaat Griechenland zunutze.
Russische Lebensmittel, Medizintransporte und Energieimporte dürfen Europas Häfen nämlich weiterhin annehmen. So berichtet das britische Schiffsregister «Lloyd's List», dass Russland weiterhin jeden Tag Rohöl im Wert von 509 Millionen Dollar exportiert. Diese Zahl ist etwa gleich hoch wie vor Kriegsbeginn, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.
Griechischer Supertanker brachte Russen-Öl nach Singapur
In Europa haben die meisten Ölkonzerne und Reedereien den Handel mit russischen Flotten allerdings eingestellt. Wie kann Russland also sein Öl in die Welt verkaufen? Hier kommt Griechenland mit seiner gigantischen Armee an Schiffen ins Spiel.
Die griechischen Tanker nehmen Russlands Öl nach wie vor ab. Von russischen und europäischen Häfen aus verteilen sie das schwarze Gold dann auf dem gesamten Globus. So schipperte Ende April der griechische Supertanker Nissos Rhenia russisches Öl von Rotterdam aus in Richtung Singapur.
«Wir sind bescheidene Taxifahrer»
Gemäss «Lloyd's List» haben im April 190 Tanker von den russischen Häfen Primorsk, Novorossiysk, Ust-Luga und St. Petersburg abgelegt. Allein 76 davon fuhren unter griechischer Flagge. Das wäre für die Griechen somit eine Verdreifachung des russischen Öl-Transports im Vergleich zum Vorjahr.
Dank Griechenland wird Russland sein Öl somit auch jetzt noch los. Dass die Öl-Transporteure des EU-Mitgliedstaates mit ihrem Handel den Krieg in der Ukraine mitfinanzieren, scheint diese aber nicht zu stören. Richard Meade von «Lloyd's List», der mit griechischen Schiffseigentümern in Kontakt steht, erklärt deren Denkweise so: «Wir sind bescheidene Taxifahrer, die einfach nur dorthin fahren, wo man uns hinschickt.»
EU will russischen Ölimport komplett stoppen
In der Ukraine ist man wütend auf die stille Komplizenschaft Griechenlands. So erklärte Irina Wenediktowa (43), Generalstaatsanwältin der Ukraine, dass sie rechtliche Schritte gegen private und juristische Personen, die weiterhin mit russischem Öl handeln, vorbereite.
Auch die Europäische Union plant in einem weiteren Sanktionspaket härtere Massnahmen. So will man innerhalb von sechs Monaten sämtliche Importe von russischem Öl stoppen. Dadurch wäre auch Griechenlands Schlupfloch gestopft.
Griechische Flotte wäre nicht ersetzbar
Griechenland hat bei einer Sitzung der EU-Botschafter bereits Widerstand gegen die geplanten Massnahmen angekündigt. Das Tankergeschäft sei nämlich wichtig fürs Land und bei einem kompletten Embargo würden einfach asiatische Reedereien einspringen.
Trotzdem würde ein Ölimport-Verbot der EU-Länder wohl schwerwiegende Folgen für Russland haben. Denn selbst wenn asiatische Schiffseigner einspringen würden, ersetzen könnte man die griechische Flotte nicht. Sie ist mit 716 Öltankern nämlich grösser als die Flotten von China, Japan, Korea und Singapur zusammen. (obf)