Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Weil der russische Präsident Wladimir Putin (70) Angst hat, verraten zu werden, ist es für seine Angestellten neuerdings nahezu unmöglich, auszureisen. Russische Spitzenbeamte, Abgeordnete, CEOs staatlicher Unternehmen, Gouverneure und Bankenchefs müssen auf Ferien im Ausland verzichten – oder um eine Genehmigung bitten.
Putin befürchtet, dass die Angestellten ihm in den Rücken fallen könnten. «Es gibt bereits einen eisernen Vorhang für diejenigen, die mit dem Staat verbunden sind», sagt ein Angestellter, der anonym bleiben will, zu «Moscow Times». Auch weitere Beamte berichteten von ähnlichen Vorfällen.
Seit Russland die Ukraine angegriffen hat, habe sich der Kreml zu einer «belagerten Festung» entwickelt, so die Quellen. Der internationale Haftbefehl bringt den Kremlchef ins Schwitzen. Er befürchtet, dass seine Mitarbeitenden ins Ausland flüchten und sich von ihm distanzieren könnten.
«Machen Sie Ferien in Russland»
Wie «Nastojascheje Wremja» zuvor berichtete, wurden einigen Beamten die ausländischen Pässe weggenommen. Hochrangigen Politikern wurde gesagt: «Machen Sie Urlaub bei der Arbeit. Oder in Russland, im Altai zum Beispiel» (Hochgebirge zwischen Russland, Kasachstan und China).
Die Beamten fühlen sich eingesperrt. Es ist schwieriger denn je, ein Visum für Ferien in Europa zu bekommen, weil Russland sanktioniert wird. Strandurlaub in Dubai oder in der Türkei war bisher problemlos möglich. Damit ist Schluss – Ferienanträge und Reisen werden nicht nur von Vorgesetzten, sondern entweder von Putin oder Kreml-Stabschef Anton Waino (51) abgesegnet.
Nach Ausreise folgt Verhör
Eine Mitarbeiterin gab gegenüber «Moscow Times» an, dass sie nach einer EU-Reise verhört wurde. «Sie wollten wissen, ob ich von den Geheimdiensten anderer Staaten angesprochen worden bin», erklärt sie. «Ich wurde gefragt, ob man mich aufforderte, Papiere zu unterschreiben, die die Politik unseres Präsidenten verurteilen oder zu erklären, weshalb ich ausgereist bin.»
Die Angestellten des Staats befürchten, dass sich diese Einschränkungen zu einem vollständigen Ausreiseverbot ausweiten könnten. Die Regeln für Staatsangestellte, Bankenchefs & Co. wurden seit Kriegsbeginn stetig verschärft.
Laut Beitrag der Denkfabrik Carnegie mussten bereits 2014 Beamte mit Zugang zu sensiblen Informationen ihre Auslandsreisen koordinieren. «Seit 2022 werden solche Genehmigungen nicht mehr nur für die Führungsebene, sondern auch für Mitarbeiter mit Zugang zu geheimen Informationen der zweiten Ebene erteilt», heisst es im Beitrag.