Angehörige von ukrainischen Opfern erzählen ihre Geschichten
«Meine Mutter starb nach Folter, Vater wird seit 2023 vermisst»

Schläge, Isolation, Zwangsarbeit: Ukrainer erleben in Russlands Gefängnissen die Hölle. Angehörige von Verschleppten berichten Blick, wie Putins «Folter-Maschinerie» funktioniert.
Publiziert: 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 07:57 Uhr
Oleg und Tatjana Plachkov: Sie wurde in Kellern gefoltert und starb. Er wird seit 2023 vermisst.
Foto: Zvg

Darum gehts

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Guido FelderAusland-Redaktor

Es ist unfassbar, was in den russischen Folterknästen abgeht. Journalistin Victoria Roshchyna ist ein erschütterndes Beispiel dafür. Im August 2023 war die damals 26-Jährige während Recherchen in dem von Russland besetzten ukrainischen Gebiet Saporischschja verschwunden. Wie sich später herausstellte, wurde sie im berüchtigten Gefängnis von Taganrog festgehalten und schwer misshandelt.

Im Februar 2025 haben die Russen ihre Leiche – als männlich gekennzeichnet – ohne Augäpfel, Teile des Kehlkopfs und Gehirn der Ukraine übergeben. Ermittler berichteten, dass sie Anzeichen von Elektroschocks, Blutergüsse, eine Nackenverletzung und eine gebrochene Rippe aufwies. Sie ist lange nicht die Einzige, die in Putins Folter-Maschinerie gequält wurde. Blick konnte mit Angehörigen von Opfern sprechen. Das sind ihrer Horrorgeschichten.

Die russische Folter-Maschinerie

So wie Victoria Roshchyna geht es vielen ukrainischen Gefangenen. Laut Schätzungen haben die Russen insgesamt bis zu 15’000 Zivilisten verschleppt und eingesperrt. Die Uno spricht von einer russischen «Folter-Maschinerie»: von Stromschlägen über Verbrennungen, Verstümmelungen, sexualisierter Gewalt bis zur Erstickung. 

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Die Journalistin Victoria Roshchyna wurde verschleppt, als sie auf Recherche war.
Foto: Screenshot

Am Freitag wird in Bern der Dokumentarfilm «Prisoners»* gezeigt, der den Folteropfern eine Stimme gibt. Gegenüber Blick erzählen Angehörige, die im Film vorkommen, wie sie seit Monaten um das Leben ihrer Liebsten bangen. 

Oleg (54) und Tatjana (†51) Plachkov: Verschleppt

Oleg (54) und Tatjana (†51) Plachkov waren optimistisch: Die Russen, so dachten die Betreiber eines Restaurants in Melitopol kurz nach Eroberung der Stadt, würden bald wieder vertrieben sein. Doch es kam anders: Am 25. September 2023 stürmten Agenten des russischen Geheimdienstes FSB ihr Haus und verschleppten die beiden. Der Vorwurf: Sie hätten spioniert. Tochter Ljudmila Melnikova (33), die inzwischen in Bulgarien lebt, sagt gegenüber Blick: «Wir haben alles versucht, sie zu finden – ohne Erfolg.»

Erst im Februar 2024 erfuhr sie, dass die Mutter in kritischem Zustand und im Koma ins Stadtspital von Melitopol eingeliefert worden war. Sie hatte die Hölle durchlebt. «Zeugen haben mir erzählt, dass meine Mutter in Kellern der Stadt ständig gefoltert und verhört worden und schliesslich bewusstlos ins Spital gebracht worden sei.» Über Wochen habe sie keine medizinische Hilfe erhalten. Am 23. Mai 2024 ist Tatjana Plachkova ihren Verletzungen erlegen. Vom Vater gibts keine Spur. Ljudmila Melnikova: «Ich lebe in der Hoffnung, dass mein Vater lebt und eines Tages nach Hause zurückkehren wird.»

Ivan Kozlov (36): Ohne Geld kein Essen

Fast die ganze Familie von Ivan Kozlov (36) ist direkt vom Krieg betroffen: Sein Vater erlag einem Schlaganfall in Gefangenschaft, sein Bruder fiel an der Front, seine Schwiegermutter starb bei der Sprengung des Staudamms in Kachowka. Ivan selber war zwei Monate nach der Invasion von Cherson auf die Krim verschleppt worden, wo ihn die Peiniger folterten und schliesslich wegen Spionage zu elf Jahren Strafkolonie verurteilten. 

Sein Alltag in der Strafkolonie Nr. 10 in Saratow ist die Hölle. Täglich schuftet er 15 Stunden – ohne Lohn. Seine Frau Maria Kozlova (35), die mit den beiden Kindern (4 und 7) inzwischen in Tschechien lebt, sagt gegenüber Blick: «Mein Mann und die andern ukrainischen Gefangenen bekommen nur Essen, wenn ihnen die Angehörigen dafür Geld senden.» Kürzlich sei er zwei Monate lang in Arrest gesteckt worden – ohne Kontakt, ohne Spaziergang, ohne persönliche Gegenstände. Maria Kozlova: «Der Aufenthalt in einer russischen Kolonie ist ein ständiger Kampf ums Überleben.»

Damian Omelianenko (23): Krank und abgemagert

Seit bald drei Jahren schmort Damian Omelianenko (23) in einem russischen Folterknast. Seine Mutter Tetiana Omelianenko (44) klammert sich an Fotos, die ihr Journalisten aus Gerichtsverhandlungen gebracht haben. Sie zeigen ihren Sohn – krank und abgemagert. «In Russland erlebte er brutalste Folterungen wie Schläge, psychischen Druck, vollständige Isolation von der Aussenwelt und sechseinhalb Monate Einzelhaft», erzählt sie. Die Folge: Damian hat 30 Kilo verloren und leidet – unter anderem – an schrecklichen Zahnschmerzen. Im Gefängnis von Taganrog war auch Victoria Roshchyna gefoltert worden. 

Damian war am 16. November 2022 als Zivilperson vom FSB in Berdjansk festgenommen worden. Ihm werden Spionage und Terrorismus vorgeworfen. Seine Mutter hat sich schon an verschiedene Stellen gewandt – alles vergebens. «In einem Land, in dem das Recht nicht funktioniert, sind Anwälte machtlos», sagt sie gegenüber Blick. 

* Der Film «Prisoners» von Evgeniya Chirikova mit Podiumsgespräch und Direktschaltungen zu den Protagonisten wird am Freitag, 16. Mai, im Holligerhof in Bern gezeigt. 

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