Darum gehts
- Am EU-Gipfel wird über die Verwendung russischer Vermögen diskutiert
- Putin droht mit einer Ausweitung des Krieges
- Zudem will die EU ein Freihandelsabkommen mit Südamerika
In Brüssel entscheidet die EU heute und morgen über die Zukunft der Ukraine, aber auch über jene von Europa. An einem schicksalhaften Gipfel wird unter anderem diskutiert, ob Teile der 210 Milliarden Dollar an russischem Vermögen für die Ukraine-Hilfe verwendet werden sollen.
Sicher ist: Die heissen Traktanden am Gipfel werden für die zerstrittenen EU-Staaten zur Schicksalsfrage. Wladimir Putin (73) droht mit einer Ausweitung des Krieges. Und auch Donald Trump (79) schäumt. Wie reagiert Europa?
Im Zentrum der Verhandlungen stehen die Dollar-Milliarden von Banken, Unternehmen und staatlichen Organisationen, die die russische Zentralbank in Europa eingelagert hat. Von den insgesamt 210 Milliarden liegen 185 Milliarden bei Euroclear in Brüssel. Euroclear ist eine Art Dienstleister für Länder, die ihr Staatsgeld arbeiten lassen wollen.
«Heute Geld oder morgen Blut»
Wegen des Angriffs auf die Ukraine und der damit verbundenen Sanktionen sind die Gelder eingefroren, gelten also als «frozen assets». Nun ist die Idee aufgekommen, zumindest Teile der Gelder herauszulösen und für den Wiederaufbau der Ukraine einzusetzen, falls Putin Friedensverhandlungen ablehnt.
Polens Regierungschef Donald Tusk (68) warnte vor dem Gipfel: «Jetzt haben wir eine einfache Wahl: Entweder heute Geld oder morgen Blut.» Er meine damit nicht nur die Ukraine, sondern auch Europa. Alle europäischen Staats- und Regierungschefs müssten sich endlich dieser Herausforderung stellen.
Putin droht
Doch der gut tönende Vorschlag ist höchst brisant. Putin schimpfte die europäischen Regierungen «kleine Schweine» und droht mit einer Ausweitung des Krieges. Die Verwendung der russischen Gelder könnte auch den europäischen Finanzplatz in massive Schwierigkeiten bringen: Das Signal, dass man vor dem Zugriff auf fremde Vermögen nicht zurückschreckt, dürfte andere Staaten zum Abzug ihrer Vermögen verleiten.
Es gibt daher mehrere EU-Länder, die sich gegen die Verwendung der russischen Gelder wehren: Belgien als Standort von Euroclear, das russlandfreundliche Ungarn, aber auch weitere Staaten wie Italien und Bulgarien. Belgien verlangt, dass die EU für die Milliarden haftet, falls Russland durch Gerichtsentscheide erfolgreich Schadenersatz fordern würde.
Trumps Zollhammer umgehen
In Brüssel steht ein weiteres Thema auf der Traktandenliste, das im Weissen Haus für Ärger sorgt. Die EU will sich nämlich nach Trumps Zoll-Diktat neuen Handelspartnern zuwenden. Nach 26 Jahren Verhandlungen könnte es zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Bolivien zum weltweit grössten Freihandelsabkommen kommen.
Der Deal, der in der EU und im Mercado Común del Sur (Mercosur) 720 Millionen Menschen betrifft, würde den Export aus der EU erleichtern und den Einkauf, etwa von Rindfleisch und landwirtschaftlichen Produkten, verbilligen.
Doch auch hier gibt es innerhalb der EU Widerstand: Die Bauernverbände haben Angst vor der Konkurrenz und machen Druck auf ihre Regierungen. Besonders gross ist der Aufstand in Frankreich, Italien und Polen. Der Entscheid über den Deal könnte daher vertagt werden, um Schutzmechanismen für die europäische Landwirtschaft zu schaffen.
Bewährungsprobe für die EU
Die beiden Geschäfte sind nur zwei von vielen, die zeigen, wie gespalten die EU zurzeit ist. Es stehen sich Ost und West gegenüber, aber auch Nettozahler und Geldempfänger sowie Klima und Wirtschaft.
Es geht daher heute nicht nur um grundlegende Entscheidungen zum Thema Ukraine und Aussenhandel, sondern auch um die Zukunft der EU selber. Die Mitgliedstaaten müssen beweisen, dass sie in der Lage sind, gemeinsame Lösungen zu erzielen, die auch von allen getragen werden.
Es braucht ein starkes Zeichen nach aussen, dass die europäischen Länder wieder an einem Strick ziehen und bei den wichtigen weltpolitischen Fragen nicht mehr ignoriert werden dürfen. Der Gipfel in Brüssel wird daher nicht nur zum Balanceakt, sondern zum Stresstest der wankenden Union.