Der vergessene Krieg
Warum im Sudan Blut, Gold und Hunger regieren

Im Sudan eskaliert einer der brutalsten und zugleich am meisten übersehenen Kriege der Welt. Während die RSF-Milizen Städte wie El Fasher erobern und Millionen Menschen fliehen, ringt das Land um Macht, Gold und das nackte Überleben.
Publiziert: 03.11.2025 um 19:50 Uhr
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Aktualisiert: 03.11.2025 um 21:44 Uhr
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El Fasher, Darfur: Hier entscheidet sich gerade das Schicksal des Sudan.
Foto: AFP

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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Während andere Krisen die Schlagzeilen dominieren, eskaliert im Sudan einer der brutalsten Kriege der Gegenwart – und doch wird er übersehen. Die reguläre Armee kämpft gegen die RSF – eine mächtige Miliz. In den vergangenen Tagen fiel die Stadt El Fasher in der Region Darfur nach über 18 Monaten Belagerung an die RSF. Zurück blieb ein Massaker, sichtbar sogar aus dem All.

Doch der Krieg im Sudan ist mehr als ein Machtkampf zwischen zwei Rivalen. Es geht um Ethnie, Macht und Reichtum. Der Sudan ist ein reiches Land – und genau das ist sein Fluch. Denn im sandigen Boden schlummern viele Bodenschätze, vor allem Gold. Das wertvolle Metall ist Auslöser und Treibstoff des blutigen Machtkampfes zwischen arabischen und afrikanischen Bevölkerungsgruppen im Land. Gold und Ethnie – dieser Gift-Cocktail hat schon andere afrikanische Länder in Jahrzehnte des Chaos gestürzt. Jetzt droht auch der Sudan daran zu zerbrechen – und die Schweiz profitiert indirekt davon.

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Was passiert aktuell im Sudan?

Seit April 2023 kämpfen zwei militärische Machtblöcke gegeneinander: die reguläre Armee (SAF) unter General Abdel Fattah al-Burhan und die RSF-Miliz unter Mohamed «Hemedti» Dagalo. Aktuell konzentriert sich die Gewalt auf die Region Darfur. Laut dem Yale Humanitarian Research Lab zeigen Satellitenbilder verbrannte Dörfer, Massengräber und grosse Ansammlungen von Leichen oder blutgetränkter Erde – so etwa nach der Eroberung von El Fasher.

Hilfsorganisationen berichten von blockierten Zufahrtswegen, gezielten Angriffen auf Zivilisten und Hunderttausenden Menschen, die eingeschlossen sind – ohne Nahrung, Wasser oder medizinische Versorgung. Mehr als zwölf Millionen Menschen wurden bisher vertrieben.

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Seit April 2023 kämpfen im Sudan zwei militärische Machtblöcke gegeneinander: die reguläre Armee (SAF) unter General Abdel Fattah al-Burhan ...
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Dabei begann alles mit dem Wunsch nach einer besseren Zukunft: 2019 wurde Langzeitdiktator Omar al-Baschir gestürzt. Er verfolgte eine islamistische Linie im Sudan. Eine Übergangsregierung aus Zivilisten und Militär sollte den demokratischen Wandel einleiten. Doch beide Sicherheitsapparate – Armee und RSF – behielten Waffen, Macht und wirtschaftliche Interessen. Als die RSF in die Armee integriert werden sollte, eskalierte der Konflikt. Am 15. April 2023 begannen heftige Kämpfe in der sudanesischen Hauptstadt Khartum – und breiteten sich über das ganze Land aus.

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Wer kämpft – und warum?

Die Armee versteht sich als staatliche Institution und wird politisch vor allem von Ägypten, Saudi-Arabien und teilweise Iran unterstützt. Die RSF entstand aus den anderen Milizen, die im Darfur-Krieg Anfang der 2000er-Jahre eingesetzt wurden, und wird laut UN-Experten insbesondere von den Vereinigten Arabischen Emiraten mit Waffen und Logistik unterstützt. Es geht um Macht, Zugang zu Ressourcen und staatliche Kontrolle.

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Warum spielt Gold eine so grosse Rolle?

Gold ist die wichtigste Finanzquelle dieses Krieges. Die RSF kontrolliert grosse Minen in Darfur und verkauft das Gold – legal und illegal – ins Ausland. «Waffenimporte werden vor allem durch Gold finanziert», sagt Sudan-Expertin Annette Hoffmann zu ZDF. Schätzungen zufolge werden bis zu 80 Prozent des Goldes geschmuggelt, meist in die Vereinigten Arabischen Emirate.

Auch die Armee nutzt Gold-Exporte, unter anderem über Ägypten. Von Dubai gelangt ein Teil des Goldes weiter nach Europa – und in die Schweiz, einen der wichtigsten globalen Raffineriestandorte. Deshalb sprechen Expertinnen von «Blutgold», das indirekt auch internationale Märkte erreicht.

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Gibt es vergleichbare Konflikte?

Ja – Parallelen zeigen sich in anderen Ressourcenkriegen. In der Demokratischen Republik Kongo finanzieren bewaffnete Gruppen den Krieg über Coltan und Gold. In Sierra Leone waren Diamanten Motor des Bürgerkriegs. Auch im Darfur-Konflikt ab 2003 spielten Rohstoffe, Machtvakuum und ethnische Spannungen zusammen.

Der Sudan ist jedoch besonders, weil hier zwei staatlich organisierte Militärstrukturen gegeneinander kämpfen – beide mit eigener Wirtschaftsbasis, eigener Aussenpolitik und ausländischen Partnern.

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Welche Rolle spielt der Westen – und gibt es Chancen auf Frieden?

Westliche Staaten verurteilen die Gewalt, liefern humanitäre Hilfe und haben Sanktionen verhängt. Doch der politische Einfluss bleibt begrenzt. Die USA bezeichneten die Gewalt der RSF in Darfur als Genozid. Die EU fordert sicheren Zugang für Hilfslieferungen. Gleichzeitig ist der internationale Goldhandel ein sensibler Punkt – wirtschaftliche Interessen und Verantwortung überschneiden sich.

Hoffnung auf einen schnellen Frieden gibt es kaum. Mehrere Waffenruhen scheiterten. «Solange Goldhandel und Waffenlieferungen weiterlaufen, bleibt der Konflikt bestehen», sagt Hoffmann. Ein Ende könnte nur gelingen, wenn internationale Akteure wirtschaftlichen Druck erhöhen und humanitären Zugang sichern.

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