Es war ein bedeutsamer Entscheid für die 220'000 Menschen, welche laut offiziellen Angaben am Mittwoch in Isolation oder Quarantäne steckten: Der Bundesrat verkürzte die Dauer von 10 auf 5 Tage. Die Regelung trat bereits am Donnerstag in Kraft. Damit durften Zehntausende ihr Zuhause unverhofft früher verlassen.
Die Zahl jener, die in Quarantäne und Isolation stecken, sinkt nun deutlich – müsste man zumindest meinen. Doch ein Blick auf die offizielle Statistik irritiert: Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) befanden sich am Freitag 210'000 Menschen in Isolation und Quarantäne. Also fast gleich viele wie vor dem Bundesratsentscheid. Wie ist das möglich?
Eine Umfrage bei ausgewählten Kantonen zeigt: Einige von ihnen haben mit der Änderung der Quarantänedauer den Überblick verloren. Die Zahlen stimmen nicht!
Kantone passen Strategien an
So schreibt etwa der Kanton Luzern auf Anfrage von Blick: «Aufgrund der angepassten Quarantäneregeln und der dafür notwendigen Anpassung der internen Prozesse kann zurzeit die Anzahl Personen in Quarantäne noch nicht berechnet und entsprechend auf der Webseite noch nicht korrekt ausgewiesen werden.»
Bis nächste Woche sei das Problem allerdings behoben, verspricht das Luzerner Gesundheitsdepartement. Ähnlich klingt es im Kanton Aargau: Der Kanton gibt nur noch an, wie viele Personen neu in Quarantäne oder Isolation geschickt werden. Nicht, wie viele es kumuliert sind.
Zwei Drittel weniger im Kanton Bern
Anders im Kanton Bern: Dort wird die Zahl der Menschen in Isolation und Quarantäne tagesaktuell online ausgewiesen. Stand Freitag stecken 3800 Menschen in Kontaktquarantäne, 3600 nach einem positiven Befund in Isolation. Anfang der Woche waren es zusammengezählt noch über 20'000. Die verkürzte Quarantänedauer hat die Zahl der Betroffenen um zwei Drittel reduziert!
Ähnlich tönt es im Kanton Zürich. Dort ist die Zahl der Leute in Isolation und Quarantäne mit der neuen Regelung um rund die Hälfte gesunken, wie es auf Anfrage heisst. «Alle von der neuen Regelung betroffenen Personen wurden in der Nacht auf Donnerstag per SMS kontaktiert und über die Aufhebung informiert», schreibt Patrick Borer, Sprecher der Gesundheitsdirektion. 23'000 Zürcherinnen und Zürcher wurden so früher in die Freiheit entlassen.
Falls es sich in den übrigen Kantonen ähnlich verhält wie in Bern und Zürich, wären schweizweit aktuell nicht mehr 210'000, sondern noch rund 100'000 in häuslicher Isolation oder Quarantäne. Ein massiver Unterschied. Wie realistisch diese Milchbüchleinrechnung ist? Unklar.
Arbeitgeber im Blindflug
Der Zahlensalat macht es auch für die Behörden komplizierter, die Entwicklung der Pandemie im Blick zu behalten. «Bei einer stark dynamischen epidemiologischen Entwicklung ist es schwierig, alle Fälle zu erfassen», heisst es dazu vom BAG. Nächsten Dienstag sei wieder mit zuverlässigeren Zahlen zu rechnen, so das Bundesamt weiter.
Bis dann befinden sich besonders die Schweizer Arbeitgeber im Blindflug. Insbesondere für sie sind Quarantäne und Isolation verkürzt worden. Zu massiv waren die Personalausfälle: Restaurants und Hotels in den Berggebieten mussten teilweise schliessen, ÖV-Betriebe ganze Linien einstellen. So oder so ist allerdings klar: Die verkürzte Quarantänedauer wird nur kurzfristig Linderung bringen. Wenn die Fallzahlen weiter steigen, müssen immer mehr Menschen zu Hause bleiben – wenn auch nur für 5 statt 10 Tage.