Darum gehts
- Streit um Jörg Bucherers Milliardenstiftung eskaliert in der Öffentlichkeit
- Interessenskonflikte im Stiftungsrat führen zu Eingreifen der Stiftungsaufsicht
- Stiftungsvermögen von 5 Milliarden Franken mit jährlicher Rendite von 200 Millionen
Wenn er könnte, würde Jörg Bucherer (†87) im Grab rotieren. Zeit seines Lebens galt der Alleinbesitzer der Bucherer-Gruppe als Patron der alten Schule, stets um Diskretion bezüglich Firma und seiner Person bemüht. Doch nicht einmal zwei Jahre nach seinem Tod ist ein wüster Streit um seine Stiftung ausgebrochen, in die das Vermögen des kinderlosen und überaus erfolgreichen Uhren- und Schmuckverkäufers geflossen ist. Ein Streit, der nicht diskret hinter den Kulissen ausgetragen wird, sondern in aller Öffentlichkeit.
Es geht um Macht, Interessenskonflikte und sehr, sehr viel Geld. Denn mit einem Vermögen von rund 5 Milliarden Franken gehört die Jörg-G.-Bucherer-Stiftung zu den potentesten im Lande. In dieser Liga spielen nur wenige, wie zum Beispiel die Sandoz-Stiftung oder die Jacobs Foundation.
Schöne Künste und Wissenschaft
Das Stiftungsvermögen speist sich vor allem aus dem Verkauf der Bucherer-Gruppe an Rolex, den Veräusserungen seiner Liegenschaften in der Schweiz und im Ausland sowie eines Privatjets und seiner Wein- und Kunstsammlung. Selbst mit einer konservativen Anlagestrategie lässt sich bei einem Stiftungsvermögen von 5 Milliarden Franken eine jährliche Rendite von 200 Millionen Franken erzielen.
Ein Haufen Geld, das gemäss dem Stiftungszweck der Förderung der Künste wie etwa der Musik, Literatur, Malerei oder Bildhauerei dienen soll. Doch auch Naturwissenschaften und Technik, die Fürsorge für Kinder mit Behinderungen in der Schweiz oder die Verbesserung des Angebots von Alters- und Pflegeheimplätzen im Kanton Luzern sind im Stiftungszweck berücksichtigt.
So weit, so ehrenhaft. Die Probleme beginnen bei der Besetzung des dreiköpfigen Stiftungsrates. Dessen Präsident ist auch der Willensvollstrecker von Jörg Bucherer: Urs Mühlebach (78), ein renommierter Anwalt, der in Luzern dafür bekannt ist, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Zudem sitzen im Gremium Sören Schwieterka, der Kanzleipartner von Mühlebach, sowie Jessica De Ry – eine Coucousine von Bucherer – als Vertreterin der Familie.
Diese Doppelfunktion von Mühlebach entspricht dem letzten Willen des Uhrenpatrons und die Wahl zum Präsidenten erfolgt Anfang Jahr noch einstimmig. «Das Vertrauen, das mir Jörg Bucherer ausgesprochen hat, bringt eine grosse Verantwortung mit sich. Ich gehe damit respektvoll und umsichtig um», sagt Mühlebach zu Blick. «Ich werde alles daransetzen, das bedeutende Vermächtnis von Jörg Bucherer in seinem Sinne weiterzuführen.»
Horrendes Honorar
Einen Interessenskonflikt in seiner Doppelfunktion sieht der Anwalt nicht – und wohl auch kein Problem in seiner Entlöhnung. Die Arbeit im Stiftungsrat ist zwar ehrenamtlich, doch gemäss Testament darf Mühlebachs Kanzlei für die Willenvollstreckung sowie die rechtliche Beratung und Betreuung der Stiftung 1200 Franken pro Stunde verlangen. Ein Honorar, das selbst Spitzenkanzleien selten bis nie in Rechnung stellen.
Ein Honorar, das in der Leuchtenstadt zu reden gibt und wohl mancherorts für Missgunst sorgt. Zumal Mühlebach schon beim Verkauf von Bucherer an Rolex Millionen für seine Dienste eingestrichen hat.
Um die vom Stifter gewünschte Harmonie im Stiftungsrat ist es schnell geschehen. Denn De Ry, die sich mehr als Schmuckdesignerin denn als harte Geschäftsfrau einen Namen gemacht hat, muss schnell einsehen, dass sie gegen die beiden Anwälte aus der gleichen Kanzlei auf verlorenem Posten steht. Und wendet sich via die Zürcher Anwaltskanzlei Homburger an die Eidgenössische Stiftungsaufsicht (ESA).
Jetzt sitzt die Aufsicht drin
Diese handelt sofort und setzt bei der Milliardenstiftung zwei Sachwalter ein. Die haben zwar keine Entscheidungsbefugnis, können aber das ganze Konstrukt akribisch durchleuchten. «Die ESA hat die Massnahme ergriffen, weil Hinweise auf potenziell gravierende strukturelle und personelle Interessenkonflikte im Stiftungsrat vorliegen.»
Ein unmissverständlicher Wink mit dem Zaunpfahl, denn eine so potente Stiftung ist ein Aushängeschild, eine hemdsärmelige Führung wirkt nach aussen sehr unprofessionell. Ziel der ESA sei es, «die Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit der Stiftung zu sichern und das Vertrauen in eine korrekte Stiftungsführung zu gewährleisten.»
Das dürfte im Interesse aller Beteiligten sein. Denn eine endlose Schlammschlacht in der Öffentlichkeit entspricht weder dem Interesse des Stifters noch den Leuten, die sein Erbe nun für gemeinnützige Zwecke einsetzen dürfen.