Wirtschaftsexperte Werner Vontobel ordnet ein
In der Rentendebatte bleibt das Wichtigste aussen vor

Bei der Reform der Altersvorsorge wird die Rechnung ohne den Wirt, bzw. die Wirtschaft gemacht. Das wird sich rächen.
Publiziert: 19.12.2019 um 17:53 Uhr
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BLICK-Kolumnist Werner Vontobel hat eine etwas andere Sicht die Rentenreform.
Foto: Paul Seewer
Werner Vontobel

In einem Punkt sind sich alle einig: Die zweite Säule muss umgebaut werden. Weil Lebenserwartung gestiegen und die Zinsen massiv gesunken sind, schrumpfen die zu erwartenden Renten um gut einen Drittel.

Will man dies verhindern, müssen die Ersparnisse entsprechend erhöht werden. Die Swisscanto fordert gar eine «Erhöhung des Sparziels» um 37 Prozent.

Rentner müssen konsumieren

Deutlich mehr sparen, um das Niveau der Renten zu halten, das ist denn auch das einvernehmliche Ziel aller vorliegenden Reformvorschläge. Zu diesem Zweck sollen die Sparprozente erhöht, der Koordinationsabzug gesenkt.

Zudem soll das Eintrittsalter von 25 auf 20 Jahre vorverlegt und das Pensionierungsalter der Frauen um ein Jahr hinausgeschoben werden. Zusätzlich gibt es diverse Vorstösse mit dem, Ziel, das freiwillige Sparen in der 3. Säule steuerlich noch mehr zu fördern.

Die Kaufkraft der Rentner zu erhalten, ist vor allem dann volkswirtschaftliche Pflicht, wenn man gleichzeitig den Ehrgeiz hat, das Pensionierungsalter zu erhöhen. Denn die Schweiz kann ihre hochproduktiven Arbeitskräfte nur auslasten, wenn auch genügend konsumiert wird.

Private Nachfrage wird sinken

Diesbezüglich haben wir eh schon Defizite: Trotz Exportüberschüssen von gut 10 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) arbeiten wir im Schnitt nur 32 Wochenstunden – und das bei einer Norm von 42 Stunden.

Fazit: Wir konsumieren zu wenig. Vor allem die Rentner geben nicht genügend aus. Sie konsumieren pro Kopf rund 14 Prozent weniger als die Aktiven.

Tiefere Renten, bzw. geringere Ausgaben der Rentner, wären also ein Problem – das aber noch grösser wird, wenn die jährlich rund 50 Milliarden Franken Beiträge an die 2. Säule um einen Drittel erhöht werden.

Damit brocken wir uns einen Ausfall der privaten Nachfrage von rund 15 Milliarden Franken oder 4 Prozent der privaten Nachfrage ein. Schon bei zwei Prozent reden Ökonomen von einem «Nachfrageschock».

Wo sollen die Ersparnisse investiert werden

Offenbar gehen die Architekten der 2. Säule bei ihren Umbauplänen stillschweigend davon aus, dass wir die geplante Nachfragelücke durch noch mehr Exporte kompensieren können.

Doch selbst wenn uns das die Handelspartner durchliessen, bliebe die Frage, wie wir die dann jährlich rund 75 Milliarden Franken volkswirtschaftliche Ersparnisse (wovon gut 60 Prozent auf die Pensionskassen entfallen) investieren.

Aus volkswirtschaftliche Optik ist die Antwort klar: Nettoersparnisse werden per Definition exportiert. In der Tat finanzieren sich der sowohl der Staat als auch die Schweizer Unternehmen seit Jahrzehnten vollständig selbst.

Sie brauchen das Geld der Pensionskassen nicht. Das bedeutet, dass sich die Vermögensverwalter der Pensionskassen nicht echt investieren, sondern sich bloss gegenseitig die Aktien und Immobilien abkaufen.

Spekulative Wertsteigerung

Damit haben sie beispielsweise den Wert der Immobilien seit 2000 um rund 600 Milliarden spekulativ in die Höhe getrieben. Sehr zum Leidwesen der Mieter. Zudem verpulvern sie mit diesen unproduktiven Umtrieben jährlich rund sechs Milliarden Franken Vermögensverwaltungsspesen.

Einverstanden: Das ist jetzt etwas polemisch ausgefallen. Man könnte das eine oder andere Argument wohl noch verfeinern. Aber dazu müsste man sich erst einmal mit den volkswirtschaftlichen Aspekten der Rentenreform auseinandersetzen. Da herrscht bisher Funkstille.

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