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Wirtschaftsexperte Vontobel ordnet ein
Die Rente schmilzt – doch Sparen ist nicht die Lösung

Richtig ist: Bleiben die Zinsen tief, schmilzt die Rente. Falsch wäre es aber, deswegen noch mehr zu sparen, wie die Versicherungslobby fordert. Dann wäre der nächste Immobiliencrash kaum zu vermeiden.
Publiziert: 17.06.2019 um 09:59 Uhr
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Aktualisiert: 16.07.2019 um 14:35 Uhr
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Damit das Geld der Pensionskasse auch für ein langes Leben in Rente reicht, ...
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Werner Vontobel

In ihrer neuen Pensionskassen-Studie hat uns Swisscanto eine kleine Lektion in Versicherungsmathematik erteilt: Wenn die Zinsen so tief bleiben wie bisher und wir weiter älter werden, dann muss der «aktuarisch korrekte Umwandlungssatz» (mit dem das Sparkapital in eine Rente umgewandelt wird) von 6,73 Prozent wie noch vor zehn Jahren auf 4,9 Prozent sinken. Damit keine «dramatische Rentenlücke» entsteht, müsse demnach das Sparkapital durch Beitragserhöhung, längere Einzahlungsdauer etc. um insgesamt 37 Prozent erhöht werden. Bei einem um 37 Prozent höheren Kapital bleibt die Rente mit einem Umwandlungssatz von 4,9 Prozent gleich wie bei 6,73 Prozent. Ein einfacher Dreisatz.

Wie die Studie weiter ausführt, haben die Pensionskassen bereits reagiert und den Umwandlungssatz im Schnitt schon mal auf 5,73 Prozent gesenkt und das angepeilte Sparkapital um durchschnittlich 17,6 Prozent erhöht. Was aber – siehe oben – bei weitem nicht reicht. Das Vorsorgeforum, das Kampforgan der Pensionskassenlobby, schliesst deshalb messerscharf:  «Soll der Trend gestoppt werden, muss mehr angespart oder länger gearbeitet werden. Das mag schmerzhaft sein, aber es ist sinnlos, die Augen vor der Realität zu verschliessen.»

Sparen für Kredite ans Ausland

Nun gibt es aber neben der rein versicherungsmathematischen Dreisatz-Realität auch eine volkswirtschaftliche Logik. Danach sinken die Zinsen, je mehr gespart wird. Und vor allem können die privaten Haushalte (bzw. deren Pensionskassen) nur dann mehr sparen, also Guthaben anhäufen, wenn andere mehr Schulden machen. Und zwar viel mehr. Die Privathaushalte sparen heute jährlich schon netto gut 75 Milliarden Franken, wovon gut die Hälfte auf die Pensionskassen entfällt. Diese haben inzwischen über 1000 Milliarden Franken Guthaben angehäuft. 37 Prozent mehr wäre noch einmal 370 Milliarden.

Doch wer soll diese zusätzlichen Schulden schultern? Der Staat macht schon lange keine Schulden mehr, die Unternehmen auch nicht. Es sei denn wir haben wieder mal eine Bankenkrise, und das wollen wir alle nicht. Bleibt das Ausland: Es hat sich im Schnitt der letzten Jahre um je etwa 60 Milliarden Franken bei uns in die Kreide gesetzt.

Spargelder fliessen in Immobilien

Wenn nun die Pensionskassen noch mehr sparen, wird das vermutlich weiter zulasten des Auslands gehen. Doch Auslandsguthaben sind unsicher und entwerten sich erfahrungsgemäss immer wieder mal. Sie dürften deshalb wie bisher grossmehrheitlich bei der Nationalbank landen. Da sind sie zwar sicher, werfen aber negative Zinsen ab, was für die Pensionskassen auch nicht gut ist. Die werden deshalb den bereits seit 2009 von 18,4 auf 24,8 Prozent gestiegenen Anteil der Immobilien in ihrem Portfolio weiter aufblähen. Was zunächst die Mieten noch höher treibt – und später zu einem Immobiliencrash führt. Das wäre dann wirklich sehr schmerzhaft.

Spargelder direkt an Rentner

Die Schweiz befindet sich also in der Zwickmühle zweier widersprüchlicher Szenarien. Unser Problem ist, dass das schwächere Szenario die stärkere Lobby hat und das stärkere als linkes Szenario gilt. Dabei gibt es wirklich nur einen logischen Ausweg aus der Zwickmühle: umlegen! Statt noch mehr als 75 Milliarden zu sparen, damit den Mietern und der Nationalbank das Leben noch schwerer zu machen und sich rituell über zu tiefe Renditen zu beklagen, könnte man z. B. 15 Prozent der Ersparnisse direkt an die Rentner überweisen. Das würde reichen, um alle AHV-Renten um etwa 25 Prozent zu erhöhen, was für 80 Prozent der Rentnerhaushalte die Einbussen bei den PK-Renten locker kompensieren würde. Weh tun täte das auch den Aktiven nicht. Sie müssten keinen Rappen weniger ausgeben.

Einverstanden. Das sind Milchbuben-Rechnungen, die man natürlich noch verfeinern und ausdiskutieren müsste. Doch die Pensionskassenlobby kämpft ja auch nur über Dreisätze! 

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