Seit zehn Jahren sei die Firma von einer grossen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit gutem Ruf überprüft worden, sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend im ZDF.
Diese habe keine Unregelmässigkeiten festgestellt. Seit Frühjahr 2019 habe es dann verschärfte Prüfungen gegeben. Ende vergangenen Jahres seien insgesamt drei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften aktiv gewesen, sagte Scholz zu Vorwürfen aus der Opposition, er habe zu spät gehandelt.
«Weil wir zu denen zählen, die sich nicht wegducken. Wir haben alles auf den Tisch gelegt», fügte Scholz mit Hinweis auf einen Bericht des Finanzministeriums an den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hinzu. «Jeder muss in dieser Situation die Bereitschaft haben, alles aufzuklären, was notwendig ist.»
Weitere Massnahmen
Scholz kündigte erneut eine Reform des Wirtschaftsprüferrechts an. Die Aufsichtsbehörden müssten zudem im Notfall umfassender aktiv werden können. Ziel müsse sein, zu verhindern, dass Bilanzen Jahr für Jahr geprüft würden, ohne dass Unregelmässigkeiten entdeckt würden.
Die Obleute im Finanzausschusses wollen am heutigen Montag eine Sondersitzung des Ausschusses noch in der Sommerpause beschliessen. Vier Fraktionen - Union, Grüne, Linke und FDP - seien dafür, hatte es Freitag aus Koalitionskreisen geheissen. Auch Politiker der SPD signalisierten Zustimmung.
Wirecard hatte Ende Juni Insolvenz angemeldet, nachdem das Unternehmen eingestehen musste, dass in der Bilanz aufgeführte Barmittel von 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf asiatischen Bankkonten lagen, nicht auffindbar seien. Scholz hat als Konsequenz aus dem Bilanzskandal eine Reform der deutschen Finanzaufsicht angekündigt.
Deutschland setzte sich für Markteintritt in China ein
(Berlin) Das deutsche Kanzleramt hat sich im vergangenen Jahr für den inzwischen insolventen Zahlungsdienstleister und seinen damals geplanten Markteintritt in China eingesetzt. Das berichtete das Nachrichtenmagazin «Spiegel» am Freitag unter Berufung auf das Kanzleramt.
Demnach sprach die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am 3. September 2019 mit dem früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg über die Pläne des Unternehmens, auf dem chinesischen Markt Fuss zu fassen.
Guttenberg beriet den Dax-Konzern bei dessen Expansion nach China mit seiner Investment- und Consultingfirma Spitzberg Partners. Am selben Tag habe Guttenberg eine E-Mail an Lars-Hendrik Röller, den Leiter der Abteilung für Wirtschafts-, Finanz- und Energiepolitik des Kanzleramtes und den Persönlichen Beauftragten Merkels für die G7- und G20-Gipfel, geschickt.
Darin informierte er Röller laut dem «Spiegel» über den beabsichtigten Markteintritt von Wirecard in China und bat ihn um «Flankierung im Rahmen der China-Reise» Merkels am 6. und 7. September 2019. Nach der China-Reise antwortete Röller demnach Guttenberg am 8. September per Mail, «dass das Thema bei dem Besuch in China zur Sprache gekommen und weitere Flankierung zugesagt» sei.
Wirecard wollte Anteile von umstrittener Firma erwerben
Knapp zwei Monate später gab Wirecard bekannt, dass es Anteile an der chinesischen Firma AllScore Payment Services erwerben werde. Das Unternehmen aus Peking ist dem «Spiegel» zufolge umstritten. 2020 musste es demnach in China eine Rekordstrafe wegen Verflechtungen in die Glücksspielbranche zahlen.
Im Wirecard-Skandal wuchs zuletzt der Druck auf die deutsche Regierung, insbesondere auf den deutschen Finanzminister Olaf Scholz. Dieser wurde nach Angaben seines Ministeriums bereits am 19. Februar 2019 darüber unterrichtet, dass die Finanzaufsicht Bafin bei Wirecard wegen Marktmanipulation ermittelt. (SDA)