Werner Vontobel über die Globalisierung
Klein und lokal statt global und mächtig

Globalisierung ist von gestern. Sie macht die Welt unregierbar und sie ist ineffizient. Die Zukunft liegt in der Nähe und in der neuen Technik.
Publiziert: 22.09.2012 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:23 Uhr

Solardächer sind das Symbol: Kleinflächige lokale Produk­tion für lokale Bedürfnisse. Die Panels mögen zwar aus China stammen, aber rund 90 Prozent der ganzen Wertschöpfung – Installa­tion, Unterhalt, Betrieb des Netzes, Entsorgung – sind lokal. Dächer können auch zum Gemüseanbau benutzt werden, am besten kombiniert mit Fischzucht. Roman Gaus, Geschäftsführer der UrbanFarmers schätzt dass die Hälfte der ungenutzten Dachflächen in Basel genügt, um die ganze Stadt mit landwirtschaft­lichen Produkten zu versorgen.

Und dann gibt es noch die Erfindung des 3-D-Printing, des dreidimensionalen Druckens. Mit diesen preisgünstigen Werkzeugmaschinen kann man aus Keramikpulver Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände jeder Art herstellen. Vorteil: Man kann vor Ort produzieren und spart Transport- und Vertriebskosten. Vermeintlicher Nachteil: Das Gerät eignet sich vor allem für kleine Stückzahlen – also für die lokale Produktion.

Wir leben heute in einer anderen Welt als noch vor 50 Jahren. Dank der Informationstechnologie ist heute sämtliches Knowhow per Knopfdruck weltweit verfügbar. Man kann fast alles überall herstellen. Zudem hat sich der Produktemix völlig verändert. Industriegüter machen nur noch 20 Prozent unseres Bedarfs aus. Im Gegenzug haben Freizeit, Gesundheit, Bildung, Beratung, Unterhaltung an Bedeutung gewonnen. Alle diese Dienstleistungen werden dort erbracht, wo der Kunde lebt. Die Wirtschaft ist lokaler geworden.

Aber sie ist noch in den alten Strukturen gefangen. Globale Multis produzieren dort, wo sie die geringsten Löhne und Steuern bezahlen müssen, und drehen ihre Produkte mit grossem Aufwand jenen an, die eh schon alles haben. Rund die Hälfte des Umsatzes wird für Transport und Werbung aufgewendet. Dennoch bleiben hohe Gewinne, die nur wenigen zufliessen. Diese globalisierte Produktion teilt die Welt in Speckzonen und Armutsgürtel. Hier ist alles schon da, dort wäre viel zu tun.

In der Speckzone Schweiz ist dieses Problem noch nicht sehr akut. Doch in den Armutsgürteln der USA tut sich etwas. Das Muster ist immer dasselbe: Zunächst werden verlotterte Häuser durch lokale Arbeits­lose notdürftig saniert. Das zahlt sich allein durch sinkende Energiekosten in kurzer Zeit aus. Gleichzeitig wird Knowhow aufgebaut. Dann werden ganze Quartiere in Angriff genommen, werden Altlasten saniert, Brachen landwirtschaftlich genutzt, Produkte lokal vermarktet usw. Die Organisation Green Jobs/Green NY etwa will in vier Jahren 28000 Häuser sanieren und Dutzende von Quartieren neu beleben.

Diese Projekte sind – wenn richtig aufgebaut – hoch rentabel und zahlen Löhne, von denen man leben kann. Dennoch sind sie auf finanzielle Starthilfe vom Staat oder von Gönnern angewiesen. Dem global organisierten Finanzsystem fehlt schlicht das Know-how um diese Ertragsperlen zu entdecken, geschweige denn zu fördern. Das System ist nicht in der Lage, das Geld dorthin zu bringen, wo es wirklich rentiert.

Die Zukunft ist lokal. Aber der Schlüssel zu dieser Zukunft liegt vorerst noch tief in den Tresoren der Grossbanken versteckt.

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