Sarah K.* ist frustriert. Seit 28 Jahren arbeitet die 56-Jährige als Flugbegleiterin. Erst für die Swissair, nach dem Grounding für die Lufthansa-Tochter Swiss. Es sei kein Job, den sie einfach verrichte, es sei eine Berufung, die sie liebe, sagt K. im Gespräch mit BLICK. Doch die Liebe zu ihrer Arbeitgeberin, der Swiss, bröckelt. «Meine jungen Kollegen sind gestresst, haben einen lausigen Lohn und essen im Ausland deshalb fast nur noch Fertig-Food auf ihren Hotelzimmern.» Und die Aussichten für das ältere Kabinenpersonal sei wegen der Streichung der Überbrückungsrente nicht gerade rosig.
K. ist mit ihrer Kritik nicht allein. BLICK sprach mit mehreren Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern über die Arbeitsbedingungen bei der Swiss. Melanie B.* heuerte vor einem Jahr bei der Swiss an. Basissalär: 3400 Franken. Das reiche kaum zum Leben, moniert die 27-Jährige. Ungeachtet dessen, dass die Anfangssaläre bei der Swiss tiefer sind als die Mindestlöhne bei den Grossisten Aldi und Lidl, unterschrieb sie den Vertrag. «Man wird mit diversen Zückerchen gelockt. Gratis Stand-By-Flüge, Zulagen, Prestige.» Doch die Realität sei eine andere.
Mehr Lohn, anständige Rente
Einsicht in den Schichtplan kriegt das Kabinenpersonal jeweils erst am 20. des Monats. Das Private zu organisieren, sei damit fast unmöglich, sagt B. Der Pikett-Dienst verlangt zudem, dass das Personal binnen einer Stunde am Flughafen verfügbar ist. «Das heisst, wir müssen zwangsläufig in der Nähe des Flughafens wohnen. Genau dort, wo die Mieten immer teurer werden», kritisiert der 22-jährige Flugbegleiter Patrick F.* Oder Andrea H.*, die Ende des Jahres pensioniert wird und immer noch nicht weiss, wie sie finanziell über die Runden kommen wird.
Dem will die Gewerkschaft des Kabinenpersonals Kapers nicht länger zusehen. Präsidentin Sandrine Nikolic-Fuss fordert sofort Löhne, die ein anständiges Leben und eine würdige Rente ermöglichen. «Es muss möglich sein, mit einer Vollzeitbeschäftigung eine Familie zu gründen.» Dies sei heute mit 3400 Franken unmöglich, sagt Nikolic-Fuss. Bis heute gebe es keinen garantierten 13. Monatslohn. «Angestellte erhalten erst ab dem 6. Dienstjahr einen halben 13. Monatslohn und eine Gewinnbeteiligung», sagt Nikolic-Fuss.
Verhandlungen gestalten sich harzig
BLICK weiss: Derzeit sitzen die Swiss und die Gewerkschaft Kapers am Verhandlungstisch. Weder die Swiss noch Kapers-Präsidentin Nikolic-Fuss äussern sich zum Stand der Verhandlungen. Dem Vernehmen nach gestalten sich diese jedoch schwierig. Denn nicht nur um die tiefen Löhne wird gestritten, auch die Renten sind Thema bei den Gesprächen. «Besonders die Überbrückungszeit zwischen dem ordentlichen Pensionsantritt und dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter ist für zahlreiche Rentnerinnen eine grosse Herausforderung», sagt Nikolic-Fuss.
Und: «Mit den aktuellen Einstiegslöhnen begünstigen wir bereits jetzt für die kommenden Generationen Altersarmut.» Ganz anders sieht es die Swiss. Der Beruf des Flugbegleiters erfreue sich nach wie vor grosser Beliebtheit, sagt Sprecher Stefan Vasic. «Für viele Angestellte ist es nach wie vor ein Traumberuf.» Man biete im Branchenvergleich sehr kompetitive Arbeitsbedingungen: «Alle Zulagen und Spesen dazugerechnet, kommt man im ersten Dienstjahr auf ein Brutto-Einstiegssalär von rund 4000 pro Monat.»
Attraktive Karrieremöglichkeiten
Die Swiss betont zudem die «attraktiven Karrieremöglichkeiten». «So besteht schon nach einem Jahr die Möglichkeit, sich zum Maître de Cabine auf der Kurzstrecke ausbilden zu lassen und so eine erste Führungsaufgabe zu übernehmen», sagt Vasic. Die Zulage für diese Führungsfunktion betrage rund 1000 pro Monat. «In kaum einem anderen Beruf ist es möglich, so rasch relevante Führungserfahrungen zu sammeln.»
Der Haken: Offenbar ist die Personalfluktuation während der ersten Jahre derart hoch, dass sich nur einer von sechs Angestellten zum Maître de Cabine weiterbildet. Viele Angestellte bleiben auf ihren Löhnen sitzen. Denn auch in den Folgejahren sind die Lohnsprünge mickrig. Nikolic-Fuss kritisiert: «Die Swiss befindet sich seit Jahren in einem steilen Höhenflug, während sich die Lebensqualität der Angestellten in einem kontinuierlichen Sinkflug befindet.» Ob sich daran etwas ändert, werden Swiss und die Gewerkschaft Kapers in den nächsten Tagen kommunizieren.
* Name geändert