Weltweit die meisten Überstunden
Schweizer Ärzte arbeiten gefährlich viel

Eine internationale Studie zeigt, dass jeder dritte Arzt in der Grundversorgung mehr als 55 Stunden pro Woche arbeitet. Übermüdete Ärzte gefährden die Patientensicherheit.
Publiziert: 01.03.2016 um 20:22 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:20 Uhr
Jeder dritte Arzt in der Grundversorgung arbeitet über 55 Stunden pro Woche. (Symbolbild)
Foto: Matt York/AP
Onur Ogul

Niemand würde sich freiwillig von übermüdeten Ärzten behandeln lassen. Zahlen zu den Arbeitsbedingungen von Ärzten in der Grundversorgung lassen deshalb aufhorchen. Fast ein Drittel arbeitet mehr als 55 Stunden pro Woche.

Schweiz an der Spitze

Zu den ärztlichen Grundversorgern zählen Fachärzte in allgemeiner innerer Medizin und Pädiatrie sowie praktische Ärzte. Dazu gehören die Hausärzte.

Die Zahlen stammen aus einer Studie des Commonwealth Funds. Demnach steht die Schweiz zusammen mit Deutschland und den USA an der Spitze, was Arbeitszeit angeht. Schlusslicht bildet Schweden. Dort arbeiten gerade mal vier Prozent länger als 55 Stunden pro Woche.

«Die Einhaltung der Ruhezeit ist wichtig»

Margrit Kessler, Präsidentin der Stiftung SPO Patientenschutz
Foto: Fotograf vfg

«Wenn Ärzte lange arbeiten, ist das nicht grundsätzlich schädlich», sagt Margrit Kessler (67). Der Präsidentin der Stiftung SPO Patientenschutz ist es viel wichtiger, dass Ärzte zwischen ihren Schichten genügend schlafen. «Das eigentliche Problem liegt in der Kontrolle durch den Arbeitgeber, dass die Ruhezeiten eingehalten werden.»

Ärzte wie Car-Chauffeure kontrollieren

Übermüdete Ärzte gefährdeten die Patientensicherheit, sagt Kessler. Sie verweist auf eine Studie der australischen University of Adelaide. Die Forscher fanden heraus, dass ein Promille Alkohol die gleiche Wirkung auf die Fertigkeiten eines Menschen hat wie 24 Stunden Schlaflosigkeit.

Kessler fordert eine striktere Kontrolle: «Ärzte müssten den Car-Chauffeuren gleichgestellt und kontrolliert werden.»

Junge wollen nicht mehr so lange schuften

Auch Pierre-François Cuénoud (63), Vizepräsident des Ärzteverbands FMH, betont, dass vor allem müde Ärzte Fehlentscheidungen treffen könnten, und nicht per se gestresste.

Pierre-François Cuénoud, Vizepräsident FMH
Foto: ZVG

Die Einstellung zum Arbeitsaufwand ist für Cuénoud eine Generationenfrage. Früher sei man sich eine 55-Stunden-Woche gewöhnt gewesen. «Für meine Generation war das noch gang und gäbe. Doch die Jungen sind da anders. Sie können es sich nicht vorstellen, so lange zu arbeiten. Sie arbeiten deshalb immer häufiger Teilzeit oder teilen sich Praxen mit mehreren Kollegen.»

Den Generationenwechsel bestätigen auch die Zahlen. 2012 arbeiteten laut Studie noch 40 Prozent der Befragten mehr als 55 Stunden pro Woche. Eine gute Organisation könne die Arbeitszeiten im Griff behalten, so Cuénoud.

Immerhin zeigt die Studie des Commonwealth Funds, dass 86 Prozent der Befragten zufrieden mit ihrer Arbeit sind. Das liege an der Motivation, sagt Cuénoud: «Es ist einfach ein sehr spannender Beruf.»

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