Wenn nicht der schreckliche Tod eines Zugbegleiters zu einer erbittert geführten Diskussion um die Arbeitsabläufe bei den SBB geführt hätte, wäre es zum Lachen: Immer wieder bleiben SBB-Zugchefs auf dem Perron zurück, während ihr Arbeitsplatz ohne sie abfährt.
Die Kundenbegleiter, wie die Kondukteure seit dem letzten Fahrplanwechsel offiziell heissen, müssen dann ein Taxi bestellen, um einem Zug, dem sie eigentlich zugeteilt sind, hinterherzufahren. Die Kosten für das Taxi dürfen sie dann den SBB verrechnen.
Abfahrtserlaubnis per SMS
SonntagsBlick sprach mit mehreren Lokführern und Zugchefs. Und alle hatten schon erlebt, dass Züge losfuhren, obwohl der Kondukteur noch auf dem Perron stand. Grund ist der Standardprozess der SBB zum Erteilen einer Abfahrtserlaubnis: 30 Sekunden vor der Abfahrt beginnt der Kondukteur demnach mit deren ordnungsgemässer Abwicklung. Er blockiert seine Einstiegstür und gibt das Signal zur Abfahrt. Daraufhin schliesst der Lokführer die Türen. Per SMS erteilt der «Kundenbegleiter» die Abfahrtserlaubnis, erst dann steigt er in den Zug.
Dafür – und um seine Tür zu schliessen – bleiben ihm drei bis fünf Sekunden. Genau diese Vorschrift führt regelmässig zu Problemen. Ist dann auch noch die Türblockierung defekt, wie beim Tod des Zugbegleiters in Baden AG, kommt es im schlimmsten Fall zu einem Unglück.
Von SonntagsBlick auf die zurückgelassenen Zugchefs angesprochen, sagt SBB-Sprecher Reto Schärli: «Dies kann in seltenen Fällen vorkommen, wenn etwa der Chef-Kundenbegleiter oder sein begleitender Kollege nach der Abfertigung noch aufgehalten wird.» Da es dabei um Ausnahmefälle geht, führen die SBB keine gesonderte Statistik. «Ein Sicherheitsrisiko besteht in einem solchen Fall nicht», so Schärli.
Gewerkschaft will Abfahrtsregel ändern
Jürg Hurni von der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) hingegen fordert eine Anpassung der Abfahrtsregeln. Heute löse der Zugchef in vier Fünfteln aller Fälle die Abfahrt per SMS an den Lokführer aus – bevor er eingestiegen ist. Um die Sicherheit des Zugpersonals zu erhöhen, verlangt der SEV, dass der Zugchef das SMS erst sendet, wenn er bereits im Zug ist und alle Türen geschlossen sind.
Diese Vorgehensweise sei auch bei der Deutschen Bahn üblich, so Hurni. Nach einem Treffen der SBB-Spitze mit dem SEV am Freitag einigte man sich darauf, das Prozedere zur Abfahrt zu überprüfen. Kondukteure, die ihrem Zug per Taxi nachreisen, dürften nach der Anpassung des Ablaufs der Vergangenheit angehören.
Wenn der Zug abgefahren ist, bleibt nur das Taxi.