Die Nachrichtenlage ist verwirrend. Hat er oder hat er nicht? Und wenn doch, mit welchem Hebel? Das Finanzportal «Börsengeflüster» tippt auf 60. Das würde bedeuten, dass sich der Einsatz – geschätzte 1,6 Milliarden Dollar – im für Bridgewater besten Fall 60mal zurückzahlen würde. Falls es im März 2020 zu einem Börsencrash kommt!
Im schlimmsten Fall (dem besten für den Rest der Welt) würde Bridgewater allerdings nur etwa ein Prozent seines Kapitals von gut 160 Milliarden verlieren. Wer Genaueres wissen will, kann sich dazu auf den Börsen-Kanälen Dutzende Stunden YouTube reinziehen.
Heisst das, dass die Welt vor einem finanziellen Desaster steht? Nein, wir stehen nicht davor, sondern schon mitten drin! Bridgewater ist zwar global gesehen nur ein Rinnsal. Doch genau das ist das Problem, dass da sehr viele irre Megawetten am Laufen sind.
Der irre Wett-Kapitalismus
Der Vermögensverwalter BlackRock ist mit seinen 5200 Milliarden Dollar gut 30mal so gross wie Bridgewater. Und auch diese Summe macht nur etwa acht Prozent der weltweit 66'000 Milliarden Dollar an verwalteten Vermögen aus.
Auf diesen wiederum sind Wetten – wie die von Bridgewater – im Wert von 670'000 Milliarden Dollar ausstehend. Das ist rund das Achtfache des weltweiten Bruttosozialprodukts. Diese Deals werden von wenigen tausend Leuten gesteuert, die – oder deren Computer – alle in Sekundenbruchteilen auf dieselben Nachrichten reagieren, hunderte Milliarden bewegen, damit neue börsenrelevante Signale setzen. Und wenn's schief läuft, die Märkte in den Abgrund reissen.
So what? Sollen die da oben mit ihren Milliarden jonglieren, wenn es ihnen Spass macht. Nun, so einfach ist es deshalb nicht, weil die da oben mit ihren Spielen auf die da unten zielen.
Die Früchte nicht allzu harter Arbeit
Etwa wenn sie darauf setzen, dass ein Grossunternehmen den Standort verlagert. Oder Personal abbaut. Oder wenn sie Italien, Argentinien oder Griechenland «shorten» und damit Regierungen abberufen, oder sie zu Sparprogrammen zwingen und soziale Unruhen auslösen.
Und überhaupt. Warum soll ich noch produktiv arbeiten, wenn man nur noch als Finanzier richtig reich wird? Dalio hat zwar sein erstes Geld als Caddie auf dem Golfplatz ehrlich verdient, doch sein auf 18 Milliarden Dollar geschätztes Vermögen hat er sich nicht wirklich hart erarbeitet.
Das ist der Grund, warum die besten Abgänger der Top-Universitäten immer öfter in der Finanzindustrie anheuern, obwohl sie dort das mühsam Gelernte nicht wirklich anwenden können.
Ein paar Worte bewegen die Märkte
Der Hype um Dalio – laut «Börsengeflüster» ein «Philanthrop» (Menschenfreund) und «einer der grossen Denker der Finanzmärkte» – zeigt noch ein weiteres Problem auf: In der globalisierten und gehebelten Welt kommt «lafere» weit vor «liefere».
Das zeigen auch all die Video-Kommentare zu einem einzigen Dalio-Artikel. Selbsternannte Börsenexperten lassen stundenlang darüber aus, was der «Philanthrop» damit nun wieder gemeint haben könnte.
Die Topmanager von Hedgefunds, aber auch von allen anderen an der Börse kotierten Unternehmen, wissen, mit welchen Ankündigungen sie die Märkte bewegen und damit Geld machen können. Lange bevor die Massahmen auch nur in Kraft gesetzt, geschweige denn schon gewirkt haben.
Weltwirtschaft braucht neue Leitplanken
Wahn und Wirklichkeit sind nicht mehr zu unterscheiden – zumindest nicht auf den Feldherrenhügeln der Weltwirtschaft. Diese hat sich eine Corporate Governance verpasst, die man sich so dumm gar nicht hätte ausdenken können. Wir sind da einfach reingerutscht – und haben uns an diesen Wahnsinn gewöhnt. Darum diskutieren wir jetzt darüber, ob der «Menschenfreund» bald schon 200 oder nur noch 150 Milliarden schwer sein wird.
Stattdessen müssten wir dringend darüber nachdenken, wie wir noch rechtzeitig aus diesem Schlamassel herauskommen.