Das Video verbreitet sich viral. Über 170 Millionen Mal haben User seit Juni «The DNA Journey» geschaut. Euphorisch kommentieren sie: «Wahnsinn, das sollte man ausprobieren», «Eine offene Welt beginnt mit einem offenen Geist» oder «Weg vom Rassebgriff, hin zur Identität».
Die Essenz des Fünfminüters: Wir haben mehr gemein mit Menschen anderer Herkunft, als wir meinen – durch unsere Gene.
«Wow, ich bin ein muslimischer Jude!»
In dem Filmli sprechen zuerst Leute verschiedener Herkunft, vom Kubaner bis zum Isländer, über andere Nationen – vor allem negativ. Danach lassen Sie ihre DNA testen – und stellen dann fest, dass ihr gesamtes DNA-Paket, das sogenannte Genom, zum Teil aus Genen jener Volksgruppen besteht, die sie verachten.
«Wow, ich bin ein muslimischer Jude!», sagt der Iraki Waj ungläubig. Der Kubaner will jetzt auf jeden Fall die Orte seiner genetischen Wurzeln bereisen – schliesslich ist das Video Teil einer Werbekampagne der dänischen Firma «Momondo», eines der weltweit grössten Flugvergleichsportale.
Momondo-Kampagne ist rassistisch und unwissenschaftlich
Die stolze Französin Aurelie hat Tränen der Erkenntnis in den Augen: Sie hat gerade herausgefunden, dass sie drei Prozent deutsche Gene, 32 Prozent Gene aus Grossbritannien hat. Würden Leute ihr Erbe so kennen, sagt sie, gäbe es keinen Extremismus mehr. «Wer wäre dumm genug zu denken, dass es so was wie eine pure Rasse gäbe?»
Die Antwort: die Tester selbst.
Denn um festzustellen, wie viel Prozent der Gene einer bestimmten Nation oder Volksgruppe eine Person in sich trägt, muss man erste einmal definieren, was denn das Schweizer, das deutsche, das iranische Genom ist. Allein, das ist unwissenschaftlich – und rassistisch.
Momondo weicht aus
«Die Einteilung in Nationen oder Länder ist ungenau, denn es gibt keine länderspezifischen Referenz-Genome», stellt Monika Hediger (49) vom Institut für Molekularbiologie an der Universität Zürich klar. In den Genen liessen sich vielmehr «Signaturen aus verschiedenen Regionen» nachweisen. So geht etwa der DNA-Entschlüsser «23 and me» vor, der Probanden zeigt, ob ihre Gene aus Sub-Sahara-Afrika, Ostasien oder Europa stammen.
Pikant ist zudem, dass gleich zwei Teilnehmer – die Kurdin Ellaha und der Iraki Waj –, nachdem sie in das Couvert mit den Testergebnissen geblickt haben, behaupten, jüdisch zu sein. Ist es nicht rassistisch, das jüdische DNA-Paket zu definieren?
Volkszugehörigkeit als Schätzung
Momondo weicht der Frage aus.
Alle Statements im Film seien persönliche Reaktionen der Teilnehmer, so Sprecherin Andrea Aldenhövel. Der Iraki Waj verbände seinen eigenen religiösen Hintergrund mit den Ergebnissen des DNA-Tests.
Momondo verweist auf die Firma AncestryDNA, die den Test für den Werbefilm durchgeführt hat. Die äussert sich nicht zu den Vorwürfen. Die Volkszugehörigkeit sei eine Schätzung.