Darum gehts
Glice ist synthetisch hergestelltes Eis – ohne Kältetechnik. Die zusammensteckbaren Kunststoffpanels aus Schweizer Engineering machen Sportarten wie Schlittschuhlaufen, Curling oder Eishockey in jeder Klimazone möglich. Die Vorteile von Kunsteis ohne gefrorenes Wasser liegen auf der Hand: Die künstliche Eisfläche kann nicht schmelzen, zum Aufstellen vor Ort braucht es weder Kältetechnik noch Wasser – und die Gleitfläche ist bezüglich Anschaffung und Unterhalt günstiger als herkömmliches Kunsteis.
Wie funktioniert das? Darf man «Fake-Ice» sagen?
Glice besteht aus dem hochverdichteten Kunststoff Polyethylen. Diesem Granulat werden neben verschiedenen Silikonarten auch kleine, selbstschmierende Pellets beigemischt. Das gesamte Material wird unter hohem Druck und Hitze zusammengepresst und geschmolzen. So entstehen Kunststoffplatten, die zwar wie echtes Eis aussehen, aber ohne Kühlung auskommen. Auf dem Eisersatz kann man mit normalen Schlittschuhen gleiten. Den Begriff «Fake-Eis» findet Glice-Chef Viktor Meier «eher unwürdig».
Was kostet der Spass?
Glice-Chef Meier macht ein Beispiel anhand einer 200-Quadratmeter-Kunsteisfläche, wie sie kürzlich in einem Palazzo in Venedig für die Weihnachtszeit erstellt wurde. Mit allen Schikanen, also inklusive Mietschlittschuhen, Banden und Kufenschleifmaschine, kostet die Anlage 80'000 Franken. Wer ein solches Komplettsystem mieten will, bezahlt im ersten Monat 24'000 Franken, für jeden weiteren Monat sinken die Mietkosten. Die grösste je installierte Glice-Bahn befand sich auf dem Hauptplatz von Mexiko-Stadt, dem sogenannten Zócalo, und umfasste 4000 Quadratmeter – ein halbes Fussballfeld. Sie kostete 1,3 Millionen Franken.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
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Kunststoffeis sogar auf den Malediven
Das Luzerner Glice-Eis wurde schon in viele exotische Länder exportiert. Etwa ins Jumeirah-Vittaveli-Resort auf den Malediven, nach Hawaii, auf die Falklandinseln oder nach Rio de Janeiro. Neue Trendmärkte sind Südkorea und Japan. Glice-Chef Viktor Meier setzt verstärkt auf Eishockey und Curling. Beim Eishockey werde sich künftig einiges tun, vor allem wenn Verbände für offizielle Spiele Kunststoffflächen zulassen sollten. An den Olympischen Winterspielen 2026 im italienischen Cortina d’Ampezzo wird Glice zwei Demoanlagen für Curling aufbauen. Um den Beweis zu erbringen, dass die Steine auch auf Kunststoff gut rutschen. Oder besser gesagt: den Bewice.
So kam Karate-Kid zum Kunststoffeis
Bei Glice-CEO und Co-Gründer Viktor Meier (47) deutete zu Karrierebeginn wenig auf einen Eiseinsatz hin. Sein Master in Internationalen Beziehungen von der Universität Genf und der Marketing-MBA von der University of Dallas (Texas, USA) haben nicht viel mit Gleitflächen zu tun. Und sportlich war er eher dem Karate als dem Kufentanz zugetan. Auf den Synthetik-Eis-Geschmack kam Meier als Marketing- und Verkaufschef des spanischen Unternehmens Extraice. Als es dort zu Uneinigkeiten mit dem Hauptinvestor kam, setzte sich Meier ab, entwickelte die Synthetikformel weiter und lancierte damit 2012 sein eigenes Unternehmen Glice mit Sitz in Luzern. Ist Glice eine Art Gewinnerin des Klimawandels? So hart will es Eismeister Meier nicht sagen: «Im Klimawandel gibt es keine Gewinner, aber wir haben eine wichtige Lösung. Auch in nordischen Ländern wie Schweden sind sichere Eisverhältnisse nicht mehr garantiert.»
Wer kauft heute Kunststoffeisfelder? Und in Zukunft?
Glice sieht sich als Weltmarktführer in einem Markt, der global von einem Dutzend Firmen beackert wird. Die Luzerner lassen in den USA und in Europa produzieren. Wichtigste Kunden sind Gemeinden, die ihren Einwohnern etwas Eisspass gönnen wollen. Die Glice-Flächen sind aber auch bei Hotels, Shoppingmalls und Themenparks – aktuell etwa im Legoland im deutschen Günzburg – beliebt. Meist ordern die Kunden nicht nur eine Glice-Fläche, sondern das Komplettpaket aus Kunsteis, Schlittschuhen, Schleifmaschinen und Banden. Eine neue Kundschaft hat sich Glice in der Autobranche aufgebaut. Meier: «Marken wie VW, BMW und Ford verlegen ihre winterlichen Härtetests zunehmend auf Glice-Flächen und sparen sich so teure und wetterabhängige Trips in den Norden.»