Darum gehts
- EU plant Verkauf von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ohne spezielle Kennzeichnung
- Schweizer Konsumenten kritisch gegenüber Gentechnik, fordern Deklaration von Produkten
- Drei Viertel der Schweizer Lebensmittelimporte kommen aus der EU
Krankheitsresistente Äpfel und Gerste, an trockenes Klima angepasster Broccoli: Mit modernen Gentechnikverfahren veränderte Lebensmittel sollen in der EU künftig ohne spezielle Kennzeichnung im Supermarkt verkauft werden können. Dabei geht es um Lebensmittel, die in begrenztem Mass genetisch modifiziert wurden, beispielsweise durch das Editieren des Pflanzengenoms mittels Gen-Schere, das sogenannte Crispr-Verfahren. Solche Züchtungen sollen künftig in vielen Fällen von bislang strengen EU-Gentechnikregeln ausgenommen werden.
In der Schweiz sind die Konsumenten und Konsumentinnen gegenüber Gentechnik sehr kritisch eingestellt, wie erst im Sommer eine Sotomo-Umfrage gezeigt hat. Sie wollen, dass entsprechende Lebensmittel deklariert werden, wie es derzeit das Schweizer Recht vorgibt. Doch genau hierin sieht der Schweizer Verein für gentechnikfreie Lebensmittel das Problem. «Drei Viertel unserer Lebensmittelimporte kommen aus der EU», sagt Geschäftsführer Dominik Waser (27) und ergänzt: «Wenn Gentech-Lebensmittel in der EU künftig nicht mehr deklariert werden müssen, wie soll man diese dann in der Schweiz deklarieren? Man müsste de facto jedes EU-Produkt mit ‹Enthält potenziell Gentechnik› anschreiben. Alles andere missachtet die Wahlfreiheit der Konsumentenschaft.»
Das sagt der Schweizer Bauernverband
In der EU-Landwirtschaft wird die Crispr-Technologie derzeit noch in geringem Mass eingesetzt. Die Europäische Union will die Innovationen in diesem Bereich aber fördern – deshalb die Gesetzesanpassung. Die USA und China sind in der Forschung weit voraus. Holt die EU nun mit grossen Schritten auf, wird die Deklarationspflicht in der Schweiz heisse Diskussionen auslösen.
Beim Schweizer Bauernverband (SBV) hat man klare Vorstellungen: «Wir wollen weiterhin eine nationale Regelung, gemäss der man transparent deklarieren muss, dass Gentechnik oder die neuen Züchtungsmethoden zur Anwendung gekommen sind», sagt SBV-Direktor Martin Rufer (48).
Bei der Deklarationspflicht existieren bereits Ausnahmen: «Grössere Mengen des in die Schweiz importierten Pouletfleischs werden schon heute mit gentechnisch veränderten Futtermitteln produziert. Und auch ausländischer Käse kommt zum Teil von Kühen, die solches Futter kriegen», so Rufer. Dies muss nicht deklariert werden.
Ja, was nun: Gentech oder neue Züchtungstechnologien?
Auch in der Schweiz will das Parlament die Regelungen für die Genschere-Technologie anpassen. Neu sollen Pflanzensorten, die damit bearbeitet wurden, mit Deklaration erlaubt sein. Die Zulassungshürden würden deutlich höher als im Ausland bleiben. Das Parlament wird sich im nächsten Jahr nochmals über das Gesetz beugen.
Die Pläne lösen von allen Seiten Kritik aus. Manchen geht es nicht weit genug, anderen viel zu weit. Ein Streitpunkt dreht sich um Begrifflichkeiten: So ist im Gesetzesentwurf von neuen Züchtungsmethoden und nicht von Gentechnik die Rede.
Beim Schweizer Bauernverband begrüsst man gewisse Lockerungen, sodass neue Pflanzenzüchtungen eingesetzt werden können. «Damit bekommen wir robustere Pflanzen gegen Krankheiten und benötigen noch weniger Pflanzenschutzmittel», sagt Martin Rufer.