Darum gehts
Abfall vermeiden gehört zur Königsdisziplin der Nachhaltigkeit. Sogenannte Unverpackt-Läden, bei denen Kundinnen Produkte wie Nudeln, Cornflakes oder Waschmittel in eigene Gläser, Dosen und Säckli abfüllen, machen abfalllosen Konsum möglich.
Nachdem 2018 der erste Unverpackt-Laden der Schweiz eröffnete, schossen diese wie Pilze aus dem Boden. Bis 2022 gab es schweizweit rund 60 Filialen, schätzt Natalie Jacot (34), Präsidentin von Unverpackt Schweiz. Aber der Zero-Waste-Boom lässt nach. Dann gings abwärts. Heute rechnet der Verband noch mit 35 bis 40 Geschäften. Immer mehr solcher Läden müssen ihre Türen für immer schliessen. Zuletzt der Betrieb «Bare Ware» in Winterthur ZH, wie die beiden Gründerinnen auf der Plattform Instagram verkündeten.
Betriebe müssen umstellen
Nachhaltige Lebensmittel sind gemäss der jüngsten EIT Food Studie der EU nur noch für wenige eine Priorität. Demnach möchte nur noch knapp jeder Zehnte einer nachhaltigen Ernährung den Vorrang einräumen.
Auch Diana Zucca (62), die den Unverpackt-Laden Peperohni in Schaffhausen führt, bekommt den rückläufigen Trend und die sinkende Nachfrage zu spüren. «Wir gehören zu den wenigen, die das Geschäft noch durchziehen», sagt sie zu Blick. Aber auch das sei nur möglich, weil der Betrieb 2023 sein Angebot ausweitete. Im Peperohni gibt es zusätzlich ein kleines Bistro. Zudem führt Zucca einen Catering-Service. «Wären wir ein reiner Unverpackt-Laden geblieben, hätten wir schon längst Insolvenz anmelden müssen», sagt Zucca.
Den Betrieb umzustellen oder zu erweitern ist für Zucca die einzige Chance für Unverpackt-Betriebe. «Man darf sich nicht vormachen, dass das Konzept allein heute noch funktioniert», so die Unternehmerin. Schwarze Zahlen schreibt Zuccas Unverpackt-Laden trotzdem nicht. Sie bezahle sich selbst nach wie vor zu wenig Lohn für ihre Arbeitsstunden aus und habe einige freiwillige Helfer.
Stadtmilieu ist kein Erfolgsrezept
Zucca weiss: Der Standort allein macht ein Geschäft noch lange nicht erfolgreich. «Linksgrüne Städte wie Zürich oder Basel scheinen auf den ersten Blick perfekt, um ins Unverpackt-Business einzusteigen. Aber man darf sich keinesfalls allein auf diese Zielgruppe verlassen», sagt sie. «Ich weiss von jungen, links wählenden Schaffhausern, die unseren Laden kennen, aber trotzdem nur sporadisch oder gar nicht kommen.» Ältere würden den Laden hingegen gerne und regelmässig besuchen. «Wahrscheinlich, weil sie diese Art des Einkaufens noch von früher kennen», vermutet Zucca.
Auch die Grossverteiler Migros und Coop sprangen auf den Unverpackt-Trend auf: Ende 2020 führte der orange Riese Selbstabfüllanlagen für Reis, Teigwaren, Nüsse und andere trockene Lebensmittel ein. Gut vier Jahre später stampfte Migros diese wegen zu geringer Nachfrage wieder ein. Coop zog im Sommer 2021 nach und hält bis heute am Konzept fest: Seit Monaten verharrt die Nachfrage nach Coops «Abfüllereien» aber auf «bescheidenem stabilen Niveau». Das Angebot weiter ausbauen wolle man nicht, erklärt eine Coop-Sprecherin auf Anfrage.
Bei den Romands läufts besser
In der Romandie funktioniert das Unverpackt-Konzept teilweise besser. Auch, weil in der Westschweiz andere Geschäftsmodelle dominieren. Viele Läden, etwa La Brouette in Lausanne oder La Vracrie in Courtion FR, setzen auf ein genossenschaftliches Modell. «Bei uns arbeiten alle Genossenschaftsmitglieder drei Stunden pro Monat mit – sei es im Verkauf, bei der Buchhaltung oder beim Auffüllen der Ware», erklärt Marie Javet, Vorstandsmitglied von La Vracrie. Dadurch spare der Laden Lohnkosten, was in einem schwierigen Marktumfeld ein entscheidender Vorteil sei.
«Vielleicht funktionieren manche Konzepte in der Deutschschweiz nicht, weil sie anders aufgebaut sind», vermutet Javet. Der Verzicht auf fest angestelltes Personal senke die Fixkosten massiv – nebst der Miete gebe es kaum laufende Ausgaben. Das erleichtert es, trotz schwierigem Umfeld, wirtschaftlich zu überleben.